Kleine
Geschichte
der
Familie
des
Ruhlsdorfer
Kirchenstifters
Carl
Traugott von Hülsen.
Carl Traugott von Hülsen stiftete 1886 die Ruhlsdorfer
Kirche. Dass er auch darüber hinaus manches Besondere tat und aus welcher
Familie er kommt – davon will dieses Heft berichten.
Herzlichen Dank allen, die zur Dachsanierung der Ruhlsdorfer Kirche beitragen, insbesondere der Familie von Hülsen.
Für
die Informationen zu diesem Heft danke ich recht herzlich Herrn Dr. Hans-Viggo
von Hülsen, Vorsitzender der Familiengemeinschaft, Frau Irmgard Grützbach aus
Ruhlsdorf und meinem Vater Friedrich Meinhof.
Die
Fotos auf dem Umschlag zeigen ein Christusbild im Ostfenster der Kirche, eine
Kirchenansicht von Südosten, den Kirchenstifter (Bild aus dem Familienarchiv) und
das Grabkreuz, was jetzt im Vorraum der Kirche angebracht ist. Die Zeichnung
auf Seite 39 ist von einem unbekannten Meister.
Aus adligen Familien kamen über Jahrhunderte Menschen,
die Verantwortung trugen und Macht ausübten. Dem entsprechend wurden sie uns in
unserer DDR-Schulzeit als Vertreter der alten Macht dargestellt. Dieses
vereinfachende Denken in „Schubladen“ kann bisweilen hilfreich sein, es kann
aber auch den Blick auf die konkrete Realität verstellen.
Die
Beschäftigung nun mit der Familie des Stifters der Ruhlsdorfer Kirche, von
Hülsen, ermöglicht uns ein näheres Verständnis derer, die auch unsere
Geschichte prägten.
Traugott Eugen Moritz Carl von Hülsen wurde in diese
Familientradition hineingeboren. Am 13. Januar 1824 kam er in Trier als zweiter
Sohn des königlich-preußischen Majors Lobegott
Friedrich Karl von Hülsen und seiner Ehefrau Auguste von Bornack zur
Welt.
Das „Gräfliche Taschenbuch“ von 1938 beschreibt die von
Hülsens als „friesischen Uradel“, zurückgehend bis auf einen Johannes de Ulsen,
„miles“, also Soldat oder Ritter, 1243. Im Familienwappen findet sich eine
Stechpalme, lateinisch „ilex“, englisch „holly“ oder eben „hülse“. (Große Familien:
Die von Hülsens. Neue deutsche Hefte, August 1954. Hrsg. von Paul Fechter und
Joachim Günther, Gütersloh 1954. S. 7)
Aus dem Westfälischen sind die Hülsens dann schon im
13. Jahrhundert mit dem Deutschen Orden in den Osten gezogen, nach Livland, was
heute im Gebiet von Estland und Lettland liegt. Also richtige Ritter! Und dann
Landverwalter. Die Herrschaften wechselten. So sind einige Vertreter der
Familie später in polnischen Diensten gewesen, sie hießen dann „Hylzen“ oder
„Gilzen“. „Einer dieser Hylzens ist im Kloster Oliva bei Danzig beigesetzt
worden, seine Söhne – ein Paladin von Minsk“ (Jan August Hylzen 1754-1767, wohl auch noch sein Sohn: Józef
Jerzy Hylzen 1767-1770, Quelle: Wikipedia) „und ein Bischof
von Smolensk“ (Jerzy Mikołaj Hylzen
1746-1763, Quelle: Wikipedia) – haben ihm
dort ein imponierendes, barockes Denkmal gesetzt. Im 19. Jahrhundert ist die
Familie ausgestorben, ihr letzter Spross, der in Rom starb, hat sich dort in
der Kirche „St. Louis des Frangais“ begraben lassen… Die übrigen Hülsens aber
wanderten von Livland nach Ostpreußen ein.“ (Große
Familien, aaO 7)
Mit Friedrich dem Großen wurde Preußen zur Großmacht,
das Rückgrat seiner Macht war die Armee, in der auch die Hülsens dienten. Johann
Dietrich von Hülsen (1693-1767) war Generalleutnant der Infanterie und
„Ritter des Schwarzen Adlerordens“. Er kämpfte im Siebenjährigen Krieg. Ein
zeitgenössischer Stich zeigt ihn 1760 im Kampf bei Torgau. Schon verwundet,
ließ er sich auf eine Kanone heben und in die Schlacht rollen und konnte sie
noch für Friedrich gewinnen. Er war auch der „Sieger von Strehlen“ und ist so
am großen Denkmal für Friedrich den Großen, was Unter den Linden in Berlin
steht, zu finden: aufrecht stehend, unter dem linken Vorderbein des Pferdes.
Auch der Obelisk in Rheinsberg hält die Erinnerung an ihn fest. (ebenda)
In Ostpreußen waren die Hülsens in verschiedenen Orten
präsent, es gab Hülsens auf Ahrensdorf, auf Carpoven und auf Zohlen.
Major
Bernhard Friedrich von Hülsen auf Ahrensdorf, geb. 1701, nimmt Immanuel
Immanuael Kant als Hauslehrer für seine Söhne, 1749 bis 1753. Der jüngste, Georg
Friedrich von Hülsen, wandte sich noch 30 Jahre später an Kant, um sich
einen Lehrer für seine eigenen Söhne empfehlen zu lassen. Das erste in der
Familie auftauchende Grafendiplom, verliehen am 1.1.1800, erhielt dieser Zweig
der Hülsens, weil sie – unter dem Einfluss Kants – als erste in Preußen
freiwillig die Leibeigenschaft aufhoben. (Große
Familien 7; Abschaffung der Leibeigenschaft für ganz Preußen erst zu Martini
1810, Wikipedia)
Ein Spross der Hülsens auf Groß Karpowen (seit 1938
Karpauen) in Ostpreußen war ein Pfarrer: Emil Bruno von Hülsen, geboren
1865, Pastor in Warlubien, Preußisch Eylau und zuletzt Pfarrer am
Westpreußischen Diakonissen-Mutterhaus Danzig. Sein Sohn wiederum wurde
Schriftsteller und Redakteur: Hans von Hülsen (geboren in Warlubien
1890, gestorben in Rom 1968), sein berühmtestes Werk ist eine Biographie
Gerhardt Hauptmanns, Berlin 1932. In seinem Buch: „Zwillings-Seele.
Denkwürdigkeiten aus einem Leben zwischen Kunst und Politik“ (1947) heißt es im
Klappentext: "Schwer zu sagen, was reizvoller und zugleich lehrreicher
ist: die Kapitel, die von Erlebnissen im Reiche der Dichtung - Gerhart
Hauptmann und Thomas Mann an der Spitze - erzählen, oder jene, die Begegnungen
mit Politikern großen Formates wie Lloyd George, Giovanni Giolitti und Walther
Rathenau, mit zwei Päpsten und schließlich mit der mächtig-schicksalshaften
Kleinbürgergestalt des "Führers" schildern".
Sein
Onkel Ernst war Kurator der Universität Marburg 1920 bis 1945. Ein
Zentrum der kunst- und kulturgeschichtlichen Fächer und Sammlungen ist in
Marburg das Ernst-von-Hülsen-Haus, das er 1927 eröffnete.
Carl Wilhelm von
Hülsen, Großvater des Carl Traugott von Hülsen, war „Herr auf Zohlen“ in
Ostpreußen, wie sein Verwandter kämpfte er im Siebenjährigen Krieg, hatte aber
auch eine dichterische Ader. Von 1752 bis 1773 schrieb er ein Tagebuch. „Ich
will also Euch, meine Söhne, in den Stand setzen, dass – wenn Ihr mich in Eurer
Kindheit verlieren solltet – Ihr doch wisset, wo Ihr her seid.“ (Ebenda, 8. Die
Tagebücher sind in Auszügen veröffentlicht von Helene von Hülsen: Unter
Friedrich dem Großen. Aus den Erinnerungen des Ältervaters. Berlin.)
Mit
16 Jahren kam er nach Königsberg/Pr. zum Regiment von Below, und war noch recht
klein und schmächtig. „Ich werde schon noch wachsen, Herr General!“ äußerte er
selbstbewusst. Aus dem 7jährigen Krieg berichtet er über viele der berühmten
Schlachten, unter anderem über die bei Leuthen. 10 Jahre nach dem Krieg, er war
schon 40, schrieb er 50 Liebesbriefe an seine 22jährige Braut. Gemeinsam hatten
sie dann sieben 7 Kinder, die vier Söhne bekamen die Beinamen Fürchtegott,
Gottvertrau, Lobegott und Ehregott.
Der
älteste Sohn, Hans Casimir Fürchtegott, setzte die Tradition des
Schreibens fort: Viele Briefe aus den Freiheitskriegen sind von ihm überliefert,
er bekam den Orden „Pour le mérite“ für seinen Einsatz in der Schlacht bei
Dennewitz und stieg bis zum Regiments-kommandeur auf. Als Oberst von Hülsen
wurde er 1817 in das Kriegsministerium nach Berlin berufen. (Unter zwei Königen. Erinnerungen an Botho von Hülsen, Generalintendant der Königlichen
Schauspiele. - 1851-1886 -. Gesammelt und herausgegeben von Helene von Hülsen.
Berlin 1889, 2f)
Sein
Sohn Botho von Hülsen ging dann ganz in die künstlerische Richtung und
wurde – nach militärischer Karriere – Generalintendant am Königlichen
Schauspielhaus in Berlin, und zwar 35 Jahre lang. Von ihm wird noch die Rede
sein.
Der
2. Sohn, Casimir Gottvertrau, war „Herr auf Wiese bei Elbing in
Westpreußen“, er wurde in der Familie der „Treppengraf“ genannt, weil er
zusammen mit anderen bei einer Huldigung des Königs Friedrich Wilhelm des IV.
in Königsberg auf einer Treppe einen Baldachin über seinen König halten musste.
(Große Familien aaO 9)
Der
3. Sohn, Lobegott Friedrich Karl, war der Vater unseres Kirchenstifters,
bis zum Major in Trier hatte er es gebracht.
Im Kirchenbuch des Königlich Preußischen 30ten
Infanterieregimentes heißt es: „Am dreizehnten Januar des Jahres
eintausendachthundertvierundzwanzig wurde dem Königl. Preuß. Major des
dreißigsten Infanterieregiments, … Herrn Friedrich Lobegott Carl von Hülsen und
seiner Gemahlin Frau Auguste von Hülsen geborene von Bornack ein Sohn geboren,
der am neunten Februar in der heiligen Taufe den Namen: Traugott, Eugen,
Moritz, Carl empfing. Die Taufzeugen waren: 1. Seine Exzellenz der Königliche
Generalleutnant und Kommandeur der 16ten Division Herr von Rysfel II., 2. der
Oberst und Kommandeur des 30ten Infanterieregiments Herr von Dittfurth, 3. der
Major und Generaladjutant von Delitz, 4. Frau Generalin von Locbell, 5.
Fräulein Bertha von Reckow, 6. Frau … Middeldorf aus Breslau, …“ (Karl von Hülsen: Reorganisator des öffentlichen
Versicherungswesens 1824-1888, aaO 11)
Carl
Traugott von Hülsen war der zweite Sohn. Ein Jahr später, 1825, kam sein Bruder
Rudolf zur Welt, von dem wir einen Lebensbericht über ihn haben. Die
Mutter starb, als die Kinder noch klein waren. Deshalb quittierte der Vater den
Dienst und zog 1828 nach Breslau als „Oberstleutnant a.D.“. Dort wohnten sie
zunächst im „Goldenen Krug“ am Markt, bis der Vater wieder heiratete und sie in
„eine selbstgebaute, schöne große Villa mit 7 Morgen großem Garten vor dem
Nikolaitor in Breslau“ zogen. (Der Mensch
und das Leben von Traugott Carl von Hülsen. Erinnerungen von seinem Bruder
Rudolf (1825-1905))
Dort
hatte Carl Traugott seine Studenten-Wohn- und Schlafstube, später aber wieder
in einer Mietwohnung, dann in einem eigenen Haus.
„Carl war geistig
und körperlich reich begabt, edel veranlagt, dem Gemeinen abgekehrt, sittlich
rein, er wusste es nicht anders, als: er wollte gut und fleißig und brav sein,
pflichttreu, gefällig, freundlich und hülfreich. So war denn natürlich, dass
alle Welt mit ihm zufrieden war, er die besten Zensuren nach Hause brachte, ein
glücklicher, gleichmäßig heiterer Junge war, den keine störenden Fehler aus der
Bahn schleuderten, zumal seine Passion für Bücher von unserem Vater getheilt
wurde und sein Fleiß, seine Lernbegier nur Unterstützung und freieste
Entfaltung fand. Wenn wir beiden Jungens auf dem Lande uns in Feld und Wald, Ställen,
Böden und Kammern herumtrieben, hatte sich Carl gewiss an irgend einer
Schwarte, die er mitgebracht oder gefunden, festgelesen. Seine Frau sagte
später oft neckend: Carl könne kein Käsepapier auf der Straße liegen sehen, er
müsse es aufheben und lesen.
Bei
seinem brillanten Gedächtniß, der Gründlichkeit, mit der er Alles anfasste und
dem rastlosen Fleiße, der ihn keine Stunde ungenützt vorübergehen ließ,
speicherte er eine Masse gediegener Kenntnisse auf, war er in allen
Schulfächern, und auch darüber hinaus gründlich zu Hause… Es ist erstaunlich,
was er so Alles fertig gebracht hat. Dass er, der seine langen Glieder bei so
schnellem Wachsthum schwer beherrschte und sehr ungeschickt war, im Turnen,
Schwimmen, Fechten, Tanzen unter den Besten war, erregte schon Erstaunen…
Dass
die körperlichen Übungen ihn gesund erhielten, war sein Glück, ob er sie in
dieser bewussten Absicht oder aus Instinkt betrieb, weiß ich nicht. Er wuchs
kräftig heran und war später eine große, mächtige, imponierende, vornehme Erscheinung,
die mit ihrem freundlichen Wesen überall Eindruck machte. Schon als Student
gefiel er den Mädchen, und ich könnte eine Menge nennen, die ihn gern
geheiratet hätten.“ (Der Mensch, aaO 4f)
Der Wohnungswechsel lässt vermuten, dass er es nicht
ganz leicht hatte – ohne Mutter musste er aufwachsen. Mit 17 Jahren schaffte er
das Abitur, es wird berichtet, dass er von den mündlichen Prüfungen wegen
seiner hervorragenden Leistungen befreit wurde; ja, dass er sogar schon mit 16
die Schule hätte beenden können, was der Vater nicht wollte.
Er
studierte in Breslau und Berlin Jura, ganz genau „Rechts- und
Kameral-Wissenschaft“, also das Rechnungswesen mit dabei. Das Examinatorium in
Berlin bestand er „mit Auszeichnung“. „Die Erste juristische Staatsprüfung legte
er am 6. Juni 1845 vor dem Königlichen Kammergericht zu Berlin „ganz
hinreichend“ ab. Die Prüfungskommission stellte fest, dass der Kandidat recht
gute natürliche Anlagen habe, mit Leichtigkeit auffasse, mit Gewandtheit
kombiniere und ein wohl geübtes Urteil habe. Aufgrund des fleißig betriebenen
Studiums besitze er gründliche und zusammenhängende Kenntnisse… Mit dem
Bestehen der Prüfung war der Titel „Auskulator“ verbunden. Als solcher wurde er
dem Königlichen Oberlandesgericht zu Breslau zugewiesen.“ (Karl, aaO 14)
Ein
Auskulator ist ein „Zuhörer“, also ein Referendar: Auf dem Weg zum Zweiten
jJuristischen Staatsexamen, was er dann am Oberlandesgericht im September 1847
und an der Regierung im Januar 1848 jeweils „vorzüglich“ abschloss. „Danach
diente er – der Familientradition entsprechend – beim Militär und brachte es
bis zum Leutnant.“ (AaO 17)
Es waren sehr unruhige Zeiten in Deutschland. Es war
die Zeit der ersten Revolution: Dies hatte Auswirkungen auf Carl Traugott von
Hülsen. So schreibt sein Bruder in seinen Erinnerungen, dass er – obwohl er
erst kurz zuvor seine Ausbildung abgeschlossen hatte - kurzzeitig Verwalter des
Landratsamtes zu Waldenburg im schlesischen Gebirge wurde. Er führte dort eine
Anweisung des ihm vorgesetzten Oberpräsidenten aus, die Kreiskasse zu
schließen. Da die Genehmigung des Königs fehlte, wurde ihm dies als
Insubordination, also Ungehorsam, vorgeworfen, was einen Schatten auf seine
politische Zuverlässigkeit warf und dazu führte, dass er noch viel später bei
politischen Aufstiegen zurückgestellt wurde. Letztlich hatte dies zur Folge,
dass er sich dem Versicherungswesen zuwandte, für das er so maßgeblich gewirkt
hat, dass sein Name dort bis heute nicht vergessen ist.
„Am
31. Mai 1852 wurde er von den Ministerien des Innern und der Finanzen zum
Königlichen Regierungsassessor bei der Regierung in Magdeburg ernannt. Damit
war er wohlbestallter preußischer Staatsbeamter im Alter von 28 Jahren und
konnte es sich erlauben, eine Familie zu gründen. Er heiratete am 17. Juni 1852
in Dresden die aus Breslau stammende Ignes Freiin von Ohlen und Adlerscron (1829-1895).
Sie schenkte ihm drei allerdings jung verstorbene Töchter und zwei Söhne. In
einer für das Ober-Präsidium bestimmten Nachweisung seiner
Vermögensverhältnisse im Jahre 1853 schrieb Karl von Hülsen: „Ich bin seit
meiner Verheiratung und Entlassung aus der väterlichen Gewalt im Besitze meines
mütterlichen Vermögens und der Mitgift meiner Frau.“ Nach seinen eigenen
Angaben in der für das Ober-Präsidium bestimmten Nachweisung war Karl von
Hülsen bei der Regierung von Magdeburg mit der „Aufsicht auf Corporationen und
Sozietäten, soweit dieselben keinen gewerblichen Zweck haben, insbesondere
Versicherungsgesellschaften, Aussteuer-, Sterbe und Witwenkassen sowie
Schützengilden“ betraut. Ferner oblag ihm die feuer- und baupolizeiliche
Kontrolle der gewerblichen Anlagen. Damit waren die Weichen für seine spätere
Tätigkeit als Generaldirektor einer Feuersozietät gestellt. Der junge
Regierungsassessor hatte Gelegenheit, sich in die ihm zunächst noch fremde
Materie des Versicherungswesens einzuarbeiten.“ (AaO 17)
„Mit
Entschließung vom 23. Juni 1856 genehmigten der preußische Innen- und der
Finanz-Minister, dass Karl von Hülsen das ihm angetragene Nebenamt als
„Hülfsarbeiter und Bureau-Chef“ bei der Generaldirektion der Magdeburgischen
Land-Feuersozietät vom 1. Juli 1856 an übernehmen durfte.“ (AaO 18)
„Er
wurde…“ mit „einem jährlichen Gehalt von 1.200 Talern angestellt… Sein Nebenamt
gestaltete sich immer mehr zum Hauptamt. Praktisch erledigte er alle Aufgaben
des Generaldirektors… Karl von Hülsen beherrschte im Laufe der Zeit die Materie
des öffentlich-rechlichten Versicherungswesens wie kein Zweiter und wurde bald
in der ganzen Branche bekannt. So ist es verständlich, dass man auch an anderer
Stelle auf ihn aufmerksam wurde.“ (AaO
19) Der preußische Kriegsminister berief
ihn 1862 nach Berlin, er arbeitete mehrere Jahre im Kriegsministerium und hat
wohl maßgeblich dazu beigetragen, die deutschen Truppen so zu reformieren, dass
sie aus den Kämpfen 1866 und 1870/71 siegreich hervor gingen. Bei seiner
Entlassung bekam er das Ritterkreuz. (AaO
21)
Doch das Versicherungswesen ließ ihn nicht los. „Am 4.
März 1863 wurde Karl von Hülsen… zum Generaldirektor der Land-Feuersozietät des
Herzogtums Sachsen mit dem Sitz in Merseburg gewählt.“ König Wilhelm persönlich
genehmigte dies „unter der Voraussetzung, dass der Gewählte der Sozietät als
Mitglied beitrete.“ (AaO 20)
Sein Bruder kommentiert: „Er nahm den Ruf an, da ihn
die Arbeit in Berlin körperlich angegriffen hatte und ihm klargeworden war,
dass er wegen seiner Waldenburger Thätigkeit keine große Staats-Carriere machen
würde.“ (Der Mensch, aaO 3). „Sein Oberpräsident, der ihn lobte und liebte… traute
ihm in politischer Hinsicht nicht, obwohl Carl täglich Beweise seiner
conservativen, königstreuen Gesinnung gab, u. Carl sah mit Schmerzen, dass er
nie eine höhere Staatscarriere machen würde.“ - „Die neue Stellung war damals
auch eine sehr angenehme, selbständige und vornehme, mit leidlich gutem Gehalt.
Er wohnte ihm Ständehause, hatte nur den Prov. Landtag über sich, war der
einzige höhere ständische Beamte, der während des ganzen Jahres im Amte war.
Zweimal besorgte er bei Kaiser-Manövern das großartige Ballfest, was die Stände
dem König gaben.“
Durch seine Tätigkeit in Magdeburg hatte er schon die
Welt der Gutsbesitzer kennengelernt, nun musste er selbst einer werden: Das lag
an der königlichen Bedingung, selbst auch ein entsprechender Versicherter in
der Sozietät zu sein. Er kaufte das Rittergut (Schloss) Hemsendorf mit den
Vorwerken zu Gorsdorf und Ruhlsdorf im Jahr 1867, das auf eine im 14.
Jahrhundert errichtete Wasserburg zurückgeht.
4
Jahre soll er gesucht haben, um das für ihn passende Grundstück zu finden, und
er kaufte das Wasserschloss mit der Mitgift seiner Frau sowie mittels einer
Anleihe bei den vermögenden schlesischen Schwiegereltern, die auch Gutsbesitzer
waren. (Aufzeichnungen von Irmgard
Grützbach aus der Rede von Hans-Viggo von Hülsen anlässlich des
Festgottesdienstes zur Ehrung des Stifters der Ruhlsdorfer Kirche, 2007)
Mit
dem Erwerb des alten Rittergutes wurde Carl Traugott von Hülsen (automatisch)
Patron der Ruhlsdorfer Kirche, hatte also die Verantwortung für ihre bauliche
Erhaltung und Mitspracherecht bei der Pfarrstellenbesetzung. Mit dem Jahr 1899,
als die Familie das Schloss verkaufte, ging es in jüdischen Besitz über. Die
Patronatsrechte konnten deshalb nicht mehr ausgeübt werden.
Carl Traugott von Hülsen war also nun mit seiner
Familie in Hemsendorf zu Hause, aber weiter viel im Land unterwegs. Seine
wichtigsten Aufgaben als Generaldirektor der Land-Feuersozietät „bestanden
darin, die Sozietät zu modernisieren, die Mobiliarversicherung aufzunehmen und
Grundsätze neuzeitlicher Versicherungstechnik einzuführen. Vom Geschäftsvolumen
her vervierfachte er während seiner Tätigkeit den Bestand und halbierte die
Beitragssätze im Interesse der Versicherten. Seine großen Leistungen für das
gesamte öffentlich-rechtliche Versicherungswesen bestanden aber
unternehmensübergreifend in seiner vollständigen Neuordnung.“ (Karl, aaO 21ff)
25
Jahre lang war er mit dieser Funktion betraut, und er hat durch sein Wirken die
öffentlichen Versicherungen gegenüber der privaten Versicherungswirtschaft
behaupten können. Er schaffte es, die deutschen öffentlichen Versicherungen
1868-1872 zu Zusammenschlüssen zu bewegen, „zum Austausch ihrer Erfahrungen und
Resultate, zur Belebung ihres Eifers für gemeinsame Ziele, zur gemeinsamen
Vertretung ihrer Interessen“ (Originalwortlaut,
in: Karl, aaO 25). Er veranlasste zum
Beispiel die Erforschung von Brandursachen, Maßnahmen des Brandschutzes, die
Förderung fachlicher und sozialer Belange der Feuerwehren und die Beratung zur
Schadensverhütung, die Einführung von Gefahrenklassen und auf ihrer Grundlage feste
Beitragssätze. Auch ganze Fabrikbetriebe konnten nun versichert werden, und zu
den Gebäuden auch deren Inhalt, also Hausrat, Inventar, Betriebseinrichtungen,
Warenlager. (AaO 27 und 31)
Den
privaten Versicherern warf er uneingeschränktes Gewinnstreben vor: „Es klingt
hart und wird von ihrer Seite bestritten, dass es ihr Prinzip sei, so viel zu
nehmen an Prämien und so wenig zu geben an Entschädigungen, als irgend möglich
ist. Aber genau genommen drückt dieser Satz nur in schroffer Form das ganze
Prinzip ihrer Unternehmungen aus. Es wird nur gemildert durch die notwendige
Rücksicht, die sie auf die öffentliche Meinung und die Konkurrenz zu nehmen
haben.“ (Zitat von Hülsen, in: Karl, aaO
30)
Die
öffentlichen Versicherungen hatten einen „Annahmezwang“, Carl von Hülsen sah es
als ein Schutzverhältnis. (AaO 31)
Die Motivation zu diesem sozialen Handeln lag für Carl
Traugott von Hülsen in seinem christlichen Glauben. Die Liebe zum Nächsten
gebietet es, Schaden zu verhindern und in der Not zu helfen. So sah er eine
Pflicht, sich zu versichern: Also in diese allgemeine Notgemeinschaft
einzutreten in Verpflichtung für den in Not geratenen Nächsten wie in der
Fürsorge für die einem anvertrauten Menschen. Von Hülsen sprach von der
„Handreichung an den verunglückten Mitbruder“ (AaO 32). Er hat einen großen
Beitrag für den Sozialstaat geleistet, den wir heute haben.
Er
hatte auch noch weiterführende Pläne, die er allerdings nicht alle umsetzen
konnte, so den einer öffentlich-rechtlichen Lebensversicherung, die es den
mittleren und unteren Bevölkerungsschichten ermöglichen sollte, für das Alter
vorzusorgen. Sein Antrieb war oft der, den privaten Versicherern ihren Gewinn
auf Kosten von Menschen zu entreißen.
„Die
bedeutendste wissenschaftliche Veröffentlichung Karl von Hülsens ist eine groß
angelegte Abhandlung über die Geschichte, den Umfang und die Bedeutung des
öffentlichen Feuerversicherungs-Wesens.“ (AaO
33)
Auch als Abgeordneter übernahm er Verantwortung und
setzte sich für seine christliche Überzeugung ein. Für den Kreis Schweinitz
wurde er zum Landtagsabgeordneten gewählt, später auch in das preußische
Abgeordnetenhaus. Ja, es gab schon Wahlen, allerdings nach Ständen: Die Stimme
eines Gutsbesitzers zählte mehr als die eines einfachen Arbeiters, weil man dachte,
dass er wegen seines Besitzes auch mehr Verantwortung trage. Frauen durften
noch nicht wählen.
Im „Kulturkampf“, als Bismarck den Einfluss der
katholischen Kirche zurückdrängen wollte, engagierte er sich in einer Rede 1887
für Mäßigung und Verständigung. Er war der erste Redner bei einer Beratung zur
„Abänderung der kirchenpolitischen Gesetze“, durch die wieder Frieden einkehren
sollte. Man müsse alles tun, was zur Beseitigung und Beendigung des
Kulturkampfes dienen könne. (AaO 35)
Soviel
zu seinem Berufsleben, für das er mit vielen Orden ausgezeichnet worden ist,
u.a. dem Roten Adlerorden, dem zweithöchsten preußischen Orden, den er vierter
und dritter Klasse mit Schleife erhielt. (Aao
34)
Durch
seine Tätigkeit war er viel auf Reisen, was für die Familie nicht einfach war.
Sein Bruder beschreibt seine Rastlosigkeit: „Er arbeitete eigentlich den ganzen
Tag und nahm sich kaum Zeit zum Essen und Spazieren gehen. Auch während der
Mittagsmahlzeit kamen die Beamten mit den Akten herein. Wo er ging, stand, saß,
hatte er den Kopf voll, war oft zerstreut, ja, wie seine Frau erzählte,
mitunter der Art, dass er im Gespräch beim Kaffee ganze Zuckerdosen ausnaschte…
Wenn er nicht so viel umhergereist wäre, hätte er diese Lebensweise, diese
Arbeits-Wut, Arbeits-Rage nicht so lange aushalten können.“ (Der Mensch, aaO 14)
In seinen letzten Lebensjahren, wo auch die Kirche
gebaut wurde, hatte er manches Leid zu tragen. Zwei Kinder verlor er in oder
bald nach der Geburt. Seine Frau hatte einen Schlaganfall. Der älteste Sohn war
„ewig“ krank, „14 Ammen“ hat er gehabt. Schließlich starb seine einzige Tochter
Marie im Alter von 16 Jahren, „ein liebes, kluges Kind, immer kränklich, das
Herzblatt des Vaters“. (Der Mensch, aaO
15)
Mancher
alte Ruhlsdorfer kann sich noch an die zweite Glocke im Kirchturm erinnern, die
Marienglocke: Zur Erinnerung an dieses Mädchen wurde sie gegossen. Im Zweiten
Weltkrieg musste sie abgehängt und eingeschmolzen werden.
Der
Bruder berichtet auch von beruflicher Demütigung: „Manche glaubten, weder die
Conservativen noch die Liberalen hätten ihm wegen Waldenburg getraut.“ (AaO 15).
Auch
mit dem Schloss Hemsendorf hatte er nicht viel Glück: „Nach dem Kaufe von
Hemsendorf gingen ihm sehr bald die Augen auf, dass er betrogen worden war. Das
nagte gewaltig an ihm… Das Gut war in Allem herunter und zerschlätert,
zerrissen in 3 getrennte Gutskomplexe, mit großer Baulast an Gehöften und dem
Riesenschlosse und vernichtenden Überschwemmungen von Elbe und Elster also von
2 Flüssen regelmäßig ausgesetzt. D. Schloß, ein 4 eckiger Stein Koloß mit Hof
zum Einfahren, Brücke über dem sumpfigen Wallgraben, zerfallener Kapelle im
Schloß, unheimlichen Gängen und Treppen, unbequemen Wohnräumen…“ (Der Mensch, aaO 15).
„3
Jahre vor seinem Tode wurde er selbst krank an Kopfweh, Schwindel und leichten
Schlaganfällen. Er wollte es nicht gelten lassen, dass er Schlaganfälle gehabt.
Theils reiste er in Bäder mit Urlaub, theils war er noch thätig…“. (aaO 17)
In dieser Zeit also – zwei Jahre vor seinem Tod, 1886 –
hat er die Ruhlsdorfer Kirche bauen lassen. Seine Tatkraft war nicht erloschen!
1887 hielt er seine zwei großen Reden im Preußischen Abgeordnetenhaus. Am 11.
Juni 1888 starb er, „am Herzschlag im Nachmittagsschlaf, zu Merseburg als
General-Land-Feuer-Societäts Director des Herzogthums Sachsen und kgl.
Kammerherr u. Besitzer des Ritterguts Hemsendorf, am Todestag von Kaiser
Friedrich“. (Karl, aaO 23)
Auf dem Ruhlsdorfer Friedhof wurde er beerdigt.
Finanziell war er in Schwierigkeiten wohl wegen der Hochwassergefahr in Hemsendorf,
aber sicher in besonderer Weise auch wegen des Kirchenbaus. Er hatte viel
bewirkt und gegeben in seinem Leben, aber er hinterließ seinem ältesten Sohn
ein schwieriges Erbe.
Im
Jahr 2007 wurde sein Grabkreuz im Vorraum der Kirche angebracht und im Beisein
der Familie von Hülsen an ihn gedacht. Das Kreuz ziert ein Bibelvers, aus der
Ostergeschichte im Johannesevangelium. Jesus Christus, der Auferstandene, sagt:
„Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“
„Der Pfarrer
erinnerte bei seiner Beerdigung daran, dass er trotz seines großen Namens in
der Welt unter den Leuten im Arbeitsrock die christlichen Brüder gesehen habe.
Keine Schwelle und keine Hütte sei ihm zu niedrig gewesen, um einen Kranken in
seiner Gemeinde zu besuchen, sobald er die Kunde davon empfangen habe.“ (Karl, aaO 35).
Carl Traugott von Hülsen hinterließ zwei Söhne, Hans
und Karl. Die Familiengeschichte ging weiter. Der Vorsitzende des
Familienverbandes von Hülsen schreibt: „Der 2. Sohn von Carl-Traugott, Karl heiratete
die Großnichte des Feldmarschalls v. Moltke Lenore v. Moltke aus Kreisau. Deren
einziger Sohn Hans-Carl (mein Vater, ein musisch sehr begabter Jurist,
der für das Haus Hohenzollern tätig war) kam in Berlin durch Bomben ums Leben.
Er war ein Vetter 1. Grades des Grafen Helmuth James v. Moltke. Dieser
hochgewachsene Mann war einer der geistigen Väter des Widerstands gegen die
Nationalsozialisten. Nach dem Tode des Hans-Carl hielt Lenore v. Hülsen geb. v.
Moltke die fünf 5 Waisenkinder zusammen und zwar bis Januar 1945 in Kreisau.
Sie floh mit uns ganz abenteuerlich nach Schleswig-Holstein.“ (Hans-Viggo von Hülsen, per Mail 5.5.2014)
Auch in der
Folgezeit übernahmen die von Hülsens Verantwortung auf vielen Gebieten. An der
„Carl Traugott von Hülsen Gedächtnis Lotterie“ zugunsten der Sanierung des
Ruhlsdorfer Kirchendachs beteiligten sich viele Familienmitglieder mit
Sachspenden. Darunter ist ein Buch zur deutschen Nachkriegsgeschichte: Corinna
Ponto und Julia Albrecht "Die Patentöchter, Im Schatten der RAF - ein
Dialog". Hans-Viggo von Hülsen schreibt: „Corinna Ponto, die Tochter
meiner Schwester Ignes, ist die Ururenkelin des Carl-Traugott. Ihr Vater, der
Mann von Ignes, war der Bankier Jürgen Ponto. Er wurde am 30. Juli 1977 von der
RAF ermordet. Die aus der befreundeten Familie Albrecht stammende Susanne
Albrecht hatte dem Mordkommando Zugang zu den Pontos verschafft. Durch
Westdeutschland ging ein Aufschrei des Entsetzens. Das Buch traf auf großes
Interesse. Die Autorinnen werden gemeinsam und auch einzeln häufig um Lesungen
gebeten. Es wird deutlich: die Täter machten nicht nur die Angehörigen der
Ermordeten zu Opferfamilien, auch ihre Familien wurden weithin zu Opfern.“ (Hans-Viggo von Hülsen, per Mail am 4.5.2014)
Doch nun wollen wir noch einmal gedanklich in das 19.
Jahrhundert zurückgehen, zu Zeitgenossen unseres Kirchenstifters.
Botho von Hülsen,
ein Cousin des Carl Traugott von Hülsen, wurde 1815 in der Jägerstrasse
praktisch gegenüber seiner späteren Wirkungsstätte, dem Königlichen
Schauspielhaus in Berlin geboren (Unter
zwei Königen, aaO 1). Er begann mit einer
militärischen Laufbahn – schon mit 8 Jahren musste er wegen Krankheit der
Mutter zum Kadett in Potsdam werden. Unter anderem bekämpfte er 1849 die
Aufständischen in Dresden. Auf den dortigen Barrikaden war Richard Wagner sein
Gegner.
Da Botho von Hülsen bei Hofe durch seine
Liebhaberaufführungen aufgefallen war, wurde er durch den preußischen König zum
Generalintendanten für Hofmusik ernannt. Schon vorher hatte er Theaterstücke
zur Truppenbetreuung einstudiert, aber sonst keine weitere künstlerische
Vorbildung. 1851 bekam er auf Wunsch von Friedrich Wilhelm IV. das Amt des
Generalintendanten der Königlichen Schauspiele zu Berlin, er war also zuständig
für das Berliner Hoftheater und die Staatsoper Unter den Linden. Das damals
Unerhörte war geschehen, ein Leutnant wurde zum „General“ befördert! Dieses Amt
übte er 35 Jahre lang aus. 1852 wurde er zum Kammerherrn ernannt, seit 1866 war
er auch für die Hoftheater in Kassel, Hannover und Wiesbaden zuständig. (Wikipedia, Biographie)
Es heißt, dass er eher auf klassische als auf moderne
Stücke setzte; Richard Wagner nahm er die Beteiligung am Maiaufstand ´49 in
Dresden übel – so kam er bei ihm nur sehr zögerlich zum Zuge.
1849
hatte er in Blankenfelde die Schriftstellerin Helene von Haeseler geheiratet.
Ihr Sohn Georg war später ein Freund Kaiser Wilhelm II. und wie sein Vater
Generalintendant, von 1903 bis 1918. Vater und Sohn hatten dieses Amt also
zusammen 50 Jahre lang inne!
Bemerkenswert ist auch hier das soziale Engagement der
von Hülsens: Botho von Hülsen gründete 1883 eine „Hülsen-Stiftung“, um damit
bedürftige oder in Not geratene Ensemble-Mitglieder zu unterstützen. 10 Pfennig
pro Eintrittskarte ermöglichten dies. Dr. Hans-Viggo v. Hülsen berichtet:
"Noch 1954 wirkte Botho nach. Immer noch erschien der Betrag von 10
Pfennig am Ende des Preises einer jeden Eintrittskarte in die Lindenoper".
Als Präsident des Deutschen Bühnenvereins setzte er die heute üblichen
Theater-Ferien durch und war maßgeblich an der Abschaffung der
Zwischenakt-Musik beteiligt. (Wikipedia,
Biographie)
Seinem
Sohn Georg, der später sein Nachfolger wurde, schrieb er zum 18.
Geburtstag einen Brief: „Du musst nunmehr mit vollem Ernst Deiner Ausbildung
Dich widmen. Lerne denken: mein lieber Georg, nachdenken, auch über Dich
selbst, Du wirst dann fein demütig bleiben und mit dem Maaße, mit dem Du andere
missest, miß Dich selber… (Anm.:
Bergpredigt Jesu!) Deine Entschlüsse
überlege, übereile sie nicht, erwäge und urtheile, dann halte fest, sei aber
stets vernünftigen und überzeugenden Gründen zugänglich. Fürchte Gott, ehre
Deinen König und liebe Dein Vaterland! Sei pünktlich und treu Deiner Pflicht,
treu in Wort und That, zuverlässig und wahr! Ehre die würdigen Frauen, meide
und verachte die unwürdigen. Sei haushälterisch, aber nicht geizig, gieb gerne
und helfe, soviel Du kannst. Hast Du einst Untergebene, so sei ihnen ein
wohlwollender Freund und treuer Berather… Siehe stets nach unten, nicht nach
oben. Beneide Niemand, aber verlange, was Dir zukommt… Bewahre diese Zeilen,
und wenn ich einst nicht mehr bin, erinnere Dich… Deines treuen Vaters. So
lange Gott mich Euch lässt, betrachte mich jedoch als Deinen besten Freund und
Berater, Dein Vertrauen zu mir sei unwandelbar, und zögerst Du, so denke, auch
ich bin jung gewesen. Scheide ich früher als Eure herrliche Mutter, so tragt
sich auf den Händen… Haltet zusammen, geliebte Kinder, suchet stets Euer Glück
in der Familie. In treuer Liebe Dein alter Vater Botho von Hülsen.“ (Große Familien 11f.)
Der andere Sohn des Botho von Hülsen war Graf Dietrich
von Hülsen-Haeseler (1858-1922), er wurde Vortragender General-adjutant
Kaiser Wilhelm II. und Chef des Militärkabinetts.
Dessen
Sohn Dietrich von Hülsen war in den 50iger Jahren katholischer Studentenpfarrer
in Berlin – wie seine Mutter war er zum katholischen Glauben konvertiert. Sein
Bruder, Graf Botho v. Hülsen war General, damals (1954) noch in russischer
Gefangenschaft. Nach seiner Rückkehr, die durch einen Besuch Adenauers in
Moskau ermöglicht wurde, war er fast dreißig Jahre lang der Vorsitzende des
Familienverbandes. Sowohl im ersten als auch im zweiten Weltkrieg war der Name
von Hülsen in den Listen der Gefallenen zu finden. Wer überlebte, erreichte
fast immer hohe Generalsränge.
Ein anderer Verwandter, Bernhard von Hülsen,
kämpfte im Ersten Weltkrieg als Generalmajor, später führte er das Kommando des
Freikorps Hülsen, das u.a. den Spartakusaufstand in Berlin 1919 niederschlug.
Zuletzt wurde er Generalleutnant in der Reichswehr. Dort war sein Bruder Walter
von Hülsen als General der Infanterie einer der höchsten Offiziere. Bei
beiden war deren Onkel Carl Traugott nach dem frühen Tod von deren Vater – 1867
- der Vormund.
Beides ist also beieinander und oft verwoben:
Biographien mit großer Staatsnähe, verankert im Militärischen – aber auch dabei
und daneben der Einsatz für Kirche und Gesellschaft, das Bestreben,
Verantwortung zu übernehmen für die Familie, für das Gemeinwesen, für das Land.
Es ist
bemerkenswert, dass wir dies von der Familie von Hülsen auch in diesem Jahr,
2014, durch eine großzügige Unterstützung der Spendensammlung für die
Dachsanierung der Ruhlsdorfer Kirche ganz tatkräftig spüren können. Im Namen
der Kirchengemeinde Ruhlsdorf möchte ich dafür einen herzlichen Dank sagen!
Der Ruhlsdorfer Kirchenbau hat die Zeiten überdauert.
Hier wurde und wird das Evangelium, die Gute Nachricht von der Liebe Gottes,
die allen Menschen gilt, weitergegeben. Großzügig wurde sie gebaut, mit ihrem
großen Turm – das erste, was man heute von der großen Stadt Jessen sieht, wenn
man sich von Westen her über die Bundesstraße oder mit dem Zug nähert. Sie
erinnert uns immer neu an die Liebe, zu der wir gerufen sind, - und auch an die
Vorbilder im Glauben, die wir haben.
Thomas
Meinhof, Pfr.