Besondere Bäume in
und um Seyda.
Ein Beitrag zu ihrer Geschichte, auf Anregung von Förster Hilse aus
Seyda aufgeschrieben von Thomas Meinhof.
Bäume sind etwas Wunderbares:
Sie spenden im Sommer eine angenehme Kühle, bieten vielen Tieren Lebensraum,
erfreuen die Augen mit ihrem Grün. In der letzten Zeit sind sie ein wenig mehr
in den Fokus gerückt, weil die Trockenheit auch an ihnen nicht spurlos
vorübergeht – und sie sogar manchmal unsere Hilfe brauchen, um zu überleben.
Erst vor kurzer Zeit hat die
Stadt Jessen ein ausführliches Baumkataster erstellt, und tatsächlich beläuft
sich die Zahl der „relevanten“ Bäume in der Stadt auf fast 40.000 Stück. Im
Rahmen einer Erstaufnahme wurden die Koordinaten zum Standort erfasst, der
Zustand beurteilt, das Alter bestimmt – und so ein „Pflegeplan“ erstellt. Viel
Arbeit!
Es ist dabei sicher eine gute
Sache, die Schönheit der Bäume und ihre Bedeutung mehr in das allgemeine
Bewusstsein zu holen – auch um zu erreichen, dass achtsam mit ihnen umgegangen
wird.
„Alt wie ein Baum möchte ich
werden…“ haben die Puhdys einst gesungen – der älteste Baum in Seyda ist nach
Auskunft unseres alten Bürgermeisters Emil Motl, der ein fachkundiger
Naturkundler und Jäger ist, die Befreiungslinde
auf dem Kirchplatz.
Ein Werbeangebot einer
Baumpflegefirma haben wir ergriffen: Sie versprachen, das exakte Alter der
Bäume zu ermitteln – stellten dann fest, dass Seyda viel zu weit weg für sie
wäre, aber hielten doch Wort: Mit einem ganz kleinen Spezialbohrer drangen sie
fachmännisch in den Baum ein, und wie bei einem Seismographen wurden die
unterschiedlichen Rindendichten angezeigt: Im Frühjahr und Sommer die „weiche“
Rinde, im Herbst und Winter die „harte“ – das, was man sonst als Jahresringe
sieht, aber bei einem stehenden Baum natürlich nicht. Und tatsächlich wurde auf
diese Weise bestätigt, dass der Baum über 200 Jahre alt ist: Nämlich nach den
Befreiungskriegen gegen Napoleon (1812-1815) gepflanzt wurde. Vor meiner
Hochzeit wartete ich etwas aufgeregt auf dem Kirchplatz auf die Braut… und ein
entfernt verwandter Onkel, der im Botanischen Garten arbeitete, versuchte mich
abzulenken und erklärte mir die Besonderheit der Linde: Sie hat „schiefe“
Blätter, ja, sie ist keine deutsche, sondern eine „kaukasische“ Linde. Das
sieht man ganz schnell, wenn man ein Blatt in die Hand nimmt – und tatsächlich lässt es sich leicht
erklären, denn damals gab es eine Waffenbruderschaft von Russen und Preußen,
die die Franzosen besiegten. Sachsen war aber mit den Franzosen verbündet – und
das hatte zur Folge, dass sie ein große Stück Land abtreten mussten – unsere
Gegend nämlich, und die Sieger pflanzten die „Befreiungslinde“ – die Bewohner
fühlten sich wohl nicht „befreit“. Aber der Baum ist auch heute ein Erlebnis,
besonders, wenn es dann ein Bienenkonzert gibt oder große Vogelschwärme dort rasten,
oder einfach, wenn in seinem Schatten das Gemeindecafe stattfindet oder
ein Hochzeitsfoto geschossen wird.
Ein weiterer „bedeutender“ Baum
auf dem Kirchplatz, der auf städtischem Grund steht und deshalb durch die
Erfassung auch eine Nummer trägt, ist die Luthereiche.
Der alte Tischlermeister Willy Hirsch erzählte mir, dass sein Vater 6 Jahre alt
war, als sie gepflanzt wurde – das war nicht schwer, herauszufinden, dass das im
Jahr 1883 war, und das wiederum ist das 400. Geburtsjahr Martin Luthers – also:
Eine Luthereiche, die an das Wirken Martin Luthers in unserem Städtchen
erinnert: Nicht nur bei der Visitation 1528, wo ein Schul- und Hospitalbau angeregt wurde, sondern auch
in der lutherischen Ausprägung des Christseins bei uns.
Alte Leute haben erzählt, sie
sei von einer Eichel aus der Luthereiche am Elstertor in Wittenberg gezogen, wo
Luther am 10. Dezember 1520 die Bannandrohungsbulle des Papstes verbrannte. Wer
dazu entsprechende Analysemöglichkeiten hat, kann sich ja einmal melden.
1883 wurde auch die Arbeiterkolonie, der heutige „Diest-Hof“, begründet, und auch
dort stehen schöne alte Bäume,
die zum Teil aus diesem Jahr stammen. Sie erzeugen – wie auch auf dem Kirchplatz
– eine stimmungsvolle Atmosphäre.
Allein steht die „Centurien-Linde“
am Triebweg, also an der Fortsetzung der Triftstraße. Ihre Geschichte dürfte
selbst den Älteren verborgen sein, reicht doch die Erinnerung meist nur 120
Jahre zurück – bis zu dem, was die Großeltern erzählten. Die Linde aber ist von
1897. Wilhelm I. hätte am 22. März 1897 seinen 100. Geburtstag gefeiert. Aus
diesem Anlass gab es „Centurien-Feiern“ („100er-Feiern“), Gedenkmünzen und
Linden wurden gepflanzt. Ein Ministerialerlass vom 3. März 1897 ordnete Feierlichkeiten vom 21.
bis 23. März an, zur „Feier des
hundertsten Geburtstages Seiner Majestät des hochseeligen Kaisers Wilhelms des
Großen“.
Ebenso wurden 1913 überall in Deutschland „Luisenlinden“ gepflanzt, zur
Erinnerung an Königin Luise, die 100 Jahre vorher im Befreiungskrieg gegen
Napoleon eine besondere Rolle gespielt hatte. Das war natürlich schon –
kritisch betrachtet – ein Stück Kriegsvorbereitung. Wo die Luisenlinde für
Seyda stand, konnte noch nicht ermittelt werden.
Am alten Sportplatz
an der Jüterboger Straße steht jedenfalls eine Eiche, wohl auch aus dieser
Zeit. Offensichtlich ist sie gerade erkrankt!
1994 wurde in Seyda ein „Lindenfest“ initiiert, und zu diesem Anlass wurde Jahr für
Jahr eine Linde gepflanzt, so auch am Markt an der Ecke
Burgstraße/Brauhausgasse, auf Initiative von Bürgermeister Benesch, angegossen
von Johannes Kleine. Dr. Bauer setzte sich für das Pflanzen einer „Schullinde“ ein, in der Alten
Schulstraße zu Beginn des neuen Jahrtausends.
Schließlich gibt es in Seyda noch die „Bernholz-Linde“ am Sportplatz,
sie erinnert - neben den Bäumen für die Partnerschaft nach Sayda im Erzgebirge -
an den verdienten Feuerwehrhauptmann Werner Bernholz.
„Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum…“ All das
ist beisammen am Kirchbogen vor dem
CVJM-Haus. Diese Linde wurde durch Bürgermeister Motl mit Anwendung
entsprechenden Fachwissens gerettet, sie stand (eigentlich) im Wege bei der
Gebäudesanierung des Nebengelasses durch die Öko-Tour-Sanierungsgesellschaft.
Man kann etwas tun für die Bäume! Und es lohnt sich.