Corona und die Heilige Schrift.

Von Pfarrer Thomas Meinhof.

(aus der Festschrift zum Schul- und Heimatfest Seyda 2021)

 

Mancher wird diesen Artikel nicht lesen – wer will schon noch etwas über „Corona“ hören – und andere fragen sich, was ihnen die „Heilige Schrift“ denn bedeuten solle, denn sie ist ja noch deutlich älter als alle geschichtlichen Abhandlungen sonst in diesem Heft.

Denoch steht in unserer Seydaer Kirche in Goldschrift „Gottes Wort bleibet in Ewigkeit.“,  und Menschen haben alle Zeit in diesem Wort Orientierung, Kraft, Mut und Trost gefunden.

Wie ist das nun bei uns in Seyda gewesen in dieser Pandemie, die ja gewiss ein geschichtliches Ereignis ist, - die erste globale Pandemie!

Der erste Lockdown war schon eine krasse Erfahrung, angstbesetzt – und alle waren „gehorsam“ und  haben mitgemacht. Die alte Geschichte von der Arche Noah ist uns da begegnet: Alle zusammen auf engem Raum, und – stillehalten, warten müssen, bis die Flut vorüber geht. Die Kinder haben Regenbögen gemalt, das Bild einer Friedenstaube hatten wir vor Augen: Aus dieser alten Geschichte vom Anfang der Bibel, wo Noah die Taube ausschickt und am Ende der Bogen in den Wolken steht, als die Sonne wieder scheint und die Flut zu Ende ist.

In unserer Kirche ist der Gute Hirte zu sehen, auf dem Buntglasfenster: Ein tröstliches Bild durch alle Zeiten. Was uns hier nun besonders aufgefallen ist? Es heißt dort: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück – denn Du bist bei mir.“ Da steht nichts von Liegenbleiben, sondern von Wandern – Weitergehen eben, auch im finstern Tal wissen: Gott ist doch da.

„Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln.“ – das ist die Überschrift des Psalms, und meist können wir es erst hinterher so sagen. Auch dieses Mal jedenfalls haben wir als Gemeinde viel unerwartet geschenkt bekommen: zweimal einen großen Schwung Masken, so dass es bis heute reicht, allen Mangel zu stillen. Und zum Beispiel vom Pazifischen Ozean eine unerwartete Spende, womit wir in einer Dorfkirche die kalte Jahreszeit für Gottesdienst und Christenlehre überbrücken konnten – durch den Einbau einer Bankheizung. Wir waren gezwungen, aus den kleinen Räumen auszuziehen – manchmal auch hinaus auf die Straßen und Plätze, wo das Gotteslob – unterstützt durch Saxophon, Gitarre und Trompeten - erklang: „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber Gottes Liebe nicht! Alles, alles geht vorbei – doch er ist uns treu.“

„By the rivers of Babylon“ – diese Töne erklangen über Orgel und Saxophon zur Untermalung eines Predigttextes aus einer besonderen Zeit: Das Volk Gottes wurde herausgerissen aus vertrauter Umgebung und aus der Heimat verschleppt in das babylonische Exil. Gefangen waren sie, und konnten nichts machen – und konnten nichts an der Situation ändern. Da besinnen sie sich, worauf es ankommt. Sie sehen auch bei dem erzwungenen Stillehalten, was falsch war – Ursachen für die entstandene Situation. Texten aus dieser Epoche der Geschichte des Gottesvolkes haben in diesem Monaten besonders zu uns gesprochen. Zuletzt am letzten Sonntag, wo ein Gebet des Daniel – der, in Babylonien, sowohl Feuerofen als auch Löwengrube überstand – zu hören war, und er erinnert Gott und sich selbst daran, dass ihn Gott doch beim Namen gerufen hat. Das ist das, was ihm geblieben ist – und darin steckt die Hoffnung: Gott sieht mich und lässt mich nicht im Stich. Die Taufe ist der Punkt, an dem Gott uns mit Namen gerufen hat: Und er hält seinen Bund, egal, was kommt.

Und das war ja tatsächlich unsere Erfahrung: Dass ganz viel Vertrautes, sonst Unumstößliches, wegfiel: Selbst innerhalb der Familie durfte man sich lange nicht begegnen, bei vielen ruhte die Arbeit – und der Verdienst - , das Reisen, das Einkaufen, das Feiern, Konzerte und Parties, Vereinsleben: All das war plötzlich nicht mehr da. Und was bin ich eigentlich: Ohne das alles, und wenn ich dann noch Angst habe um meine Gesundheit und die meiner Lieben?

„Jesus steht ganz oben, seine Liebe.“ – das war die Botschaft zu Himmelfahrt, sich daran festhalten zu können, ist besonders in Krisenzeiten wichtig. Anker, Herz, und Kreuz – für Glauben, Liebe, Hoffnung – das ist das, was immer bleibt. So steht es in der Heiligen Schrift, im 1. Korintherbrief des Paulus im 13. Kapitel. Die Liebe bleibt, und wir dürfen ein Herz haben und behalten – auch in diesen Zeiten.

Gottes Wort hat uns tatsächlich als Gemeinden und darüber hinaus angestoßen, über den Tellerrand  zu schauen. Wie geht es denen in der Ferne – zum Beispiel in Simbabwe, wo 2020 der Weltgebetstag herkam  und wo wir einmal Besuch hatten, schon 2013, von einem Pastor dort. Er berichtete schlimme Dinge: Von Hunger, hervorgerufen durch den harten Lockdown, der die Verdienstmöglichkeiten abschnitt, denn die meisten dort (80%) sind „Tagelöhner“, die also darauf angewiesen sind, hinauszugehen; und auch die Lehrer:innen bekamen in der langen Zeit der Schulschließung kein Gehalt. Das ist auch sonst nicht hoch: 25 Dollar im Monat. In der Festschrift 2020 war dann ein Aufruf zum Helfen zu lesen, und viele halfen, so dass wir der kleinen Gemeinde in Zverenje mit 31 Familien über dieses Jahr helfen konnten – nun war mit unseren Mitteln sogar zu erreichen, dass alle, die das dort wollten (90 Menschen, ab 16 Jahren) geimpft wurden. Die erste globale Pandemie – aber Christen waren und sind die ersten „global player“, und sind verbunden. Ein fröhlicher Tanz vom Kindergottesdienst in Simbabwe brachte uns viel Freude – auf der Startseite von www.seyda.de ist er noch zu sehen.

Die Christvesper kam diesmal über das Netz und wurde real an ganz verschiedenen Stellen gehalten – auf dem Markt, in der Neuen Straße, vor dem Schützenhaus, in Schadewalde und auf anderen zentralen Orten in den Dörfern, mit Krippenspiel -  und der Weihnachtspredigt über das „exponentielle Wachstum“, was wir nun ja alle kennengelernt hatten, was aber eben nicht nur für ein Virus, sondern noch viel mehr für die Freude und die Liebe gilt, die sich von der Christgeburt her ausbreitet, und wo wir selbst ein Teil davon sein können.

Zu Ostern war der vorgeschriebene Predigttext auch recht passend: Der Durchzug durch das Schilfmeer – das entscheidene Ereignis in der Geschichte des alten Gottesvolkes: Sie waren der Sklaverei in Ägypten entkommen, aber der Pharao hatte es sich anders überlegt und stürmte mit seinen Soldaten hinter ihnen her: Sie sahen sie kommen, aber sie konnten nicht weiter: Vor ihnen das Wasser, kein Weg. Sie knöpften sich den Mose vor („Gab es nicht genug Friedhöfe in Ägypten?“). Genau diese „Vorknöpfen“ der Verantwortlichen, Schuldzuweisungen geschah in diesen Tagen ganz zahlreich – und das brachte doch nicht viel. Schließlich betet Mose und hält seinen Stab (in der Seydaer Kirche ist das zu sehen!) über das Wasser, und es teilt sich – wunderbarerweise. Sie haben keine große Zeit zu überlegen, warum und wieso oder wie das geht: Sie ziehen einfach los, hindurch! Rechts und links das Wasser: Nur hindurch! In dieser Situation waren wir.

Und dann, auf der anderen Seite angekommen, holt Mirijam, die Schwester des Mose, die Pauke heraus, und es wird gefeiert: Hindurchgekommen! Das Wasser ging wieder zusammen, die Ägypter waren keine Bedrohung mehr: Sie waren frei! Dieser Jubel – bei manchen ist er jetzt schon da -  „zweimal geimpft“.

An den Sonntagen nach Ostern kam diese Geschichte dann immer wieder vor – das war neu zu entdecken! – und zwar in den Psalmen.

Da hieß es am Sonntag Jubilate: „Er verwandelte das Meer in trockenes Land, sie gingen zu Fuß durch den Strom; dort wollen wir uns seiner freuen.“ – Ja! Dort! Also schon mitten im Strom, wo man noch die Füße im Wasser hat, beim Hindurch-Kommen und Weiter-Gehen: Weil wir gewiss wissen können: Gott fängt uns auf auf der anderen Seite. Jesus ist selbst stärker als der Tod – auch hier wird er uns helfen. Da wollen wir uns seiner freuen! Schon da! Wo wir auf dem Weg sind.

Und am letzten Sonntag – Rogate -, da stand im Psalm: „Sein ist das Meer, und er hat´s gemacht,  und seine Hände haben das Trockene bereitet.“ (Ps 95)

Solche Katastrophen haben in der Geschichte immer zwei große Fragen hervorgebracht. Die eine „Warum kann Gott das zulassen?“ habe ich diesmal kaum gehört – jedenfalls hat uns die Pandemie „auf den Boden“ geholt, dass wir verletzlich sind und nicht allmächtig, und schon so ein kleines Virus, was wir gar nicht sehen können, all unsere Pläne durchkreuzt.

Das andere ist die große Dankbarkeit, eben hindurchgekommen zu sein. Viele Stiftungen selbst in unseren Kirchen erinnern daran. Wird die Dankbarkeit schnell zugedeckt von unserem ständigen Klagen und Noch-Mehr-Haben-Wollen? Die ersten, die ich als Geimpfte traf, waren nicht fröhlich, sondern eher skeptisch und unzufrieden. Das neu geschenkte Leben, Heilung und Gemeinschaft sind keine Selbstverständlichkeit.

Auf der Osterkarte 2021 stand ein Liedvers, nach dem Wort des Paulus: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgend ein anderes Geschöpf uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm  Herrn.“ (Röm 8,38f).

 

 

P.S.:

Ein Erlebnis war auch der Predigttext vom 4. Advent: „Als der Tag am heißesten war“. Dazu gibt es ein ganzes kleines Heftchen unter diesem Titel – denn da, an diesem 4. Advent – war es ganz „heiß“ – richtig große Not – und es kam (wie in Gen 18) unerwartet Hilfe, die aber unsere Gastfreundschaft brauchte – wie Abraham, der sich in der Mittagshitze für die Gäste in Bewegung setzte, haben wir das ähnlich getan – und eben große Hilfe aus völlig unerwarteter Richtung erhalten – so ist dieses Heft eine Militärgeschichte…

Vgl. www.seyda.de/militaergeschichte.htm