Von Frau Stadtchronistin Bärbel Schiepel aus Seyda, März 2.000.
Wenn Besucher nach Seyda kommen, so wird ihr Blick ganz besonders auf ein Gebäude gerichtet, das alle übrigen Häuser überragt und sich grundlegend von den anderen unterscheidet: das Amtshaus. Es ist der markanteste, schönste und älteste Bau, auf den wir Seydaer gern und voller Stolz als eine der wenigen Sehenswürdigkeiten weisen. 1605 wurde das Amtshaus erbaut, hat also in seinen jungen Jahren die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges mit erlebt. Eng verknüpft mit der Geschichte des über 400 Jahre alten Amtshauses ist die der ehemaligen Burg Sydow. Deshalb soll ganz kurz auch von ihr etwas berichtet werden.
Seyda, früher Sydow genannt, ist eine der ältesten Städte unseres Kreises. Der
Name ist slawischen Ursprungs und zeigt, daß der Ort um 500 von den Wenden eingenommen wurde. Sydow = grünes Bachfeld - von Zyto =
Getreidefeld. Es gibt noch eine andere Deutung des Namens. Seyda - 1268 Sidowe, 1394
Sidaw, 1500 Sydo. 1605 Seyda. Sid (Personenname), Zavid (Neider), also
Seyda Neidersgehöft, Neidersgut. Luther nannte den Ort Sidoniow. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts nahmen auch in unserer Heimat die deutschen
Feudalherren den Kampf gegen die Slawen auf, um die von den slawischen Stämmen besiedelten Gebiete zu erobern. Zu dieser Zeit wurde die Burg
Sydow in der heutigen Bergstrasse errichtet. Sie entstand damals auf der erhöhten Stelle inmitten eines Sumpfgebietes und bot einen
geeigneten Ort für eine schützende Burg in der neuerworbenen Mark. Das untere Geschoß bestand aus festem Mauerwerk; darauf setzte sich ein
Fachwerkbau, den hohe und spitze Dächer krönten. Rings um das Schloß und seine Nebengebäude wurden feste Bollwerke angelegt, die aus Mauern, Wall, Graben und einigen Warttürmen bestanden. Tore und Zugbrücken
ermöglichten und sicherten den Eingang. Die Zugbrücke befand sich am südlichen Abhang des Berges. Ein Tor zwischen dem sogenannten "Amtshaus"
und dem ihm nördlich gegenüberliegenden Gehöft führte auf den Turnierplatz, den jetzigen Amtshof, wovon der Absatz auf der Strasse
zwischen beiden genannten Häusern herrührt. Um die Burg ließen sich deutsche Ansiedler nieder, und es entstand der Ort Seyda (ursprünglich
Sydow). In dieser Zeit hatte der Ort, wie die meisten unserer kleinen Städte eher das Ansehen eines Dorfes als das einer Stadt. Er enthielt meist nur kleine, niedrige Häuser, welche zum größten Teil aus Lehm oder
Holz bestanden und mit Stroh oder Rohr gedeckt waren. Die engen, teilweise verfallenen Strassen bestanden aus Knüppeldamm oder waren
vollständig ungepflastert. Wann Seyda das Stadtrecht bekam, ließ sich bisher nicht ermitteln.Das Stadtwappen, wie das des späteren Amtes
Sydow, war zuerst ein Hirsch und ein Baum, wie die Wappenzusammenstellung im Meißener Schloss noch heute zeigt. Als die ersten Herrscher auf der Burg wird das Rittergeschlecht derer
von Sydow genannt.Nachdem die Herren von Sydow ausgestorben waren, kam Schloß und Ort Seyda zur Markgrafenschaft Meißen zur Zeit Otto´s des
Reichen (1156-1190). Der Hirsch im Wappen läßt erkennen, daß später - vielleicht zu Anfang des 13. Jahrhunderts (1255?) - die Grafen von
Brehna die Herrschaft Seyda in Besitz nahmen. In kirchlicher Beziehung gehörte Seyda mit dem dazu gehörigen Ortschaften
Naundorf, Mellnitz, Gentha u.a. zuerst zu den Bistümern Brandenburg und Meißen, zu Ende des
13. Jahrhunderts aber zu Propstei Wittenberg. Im 13. Jahrhundert kam die Herrschaft als Heiratsgut an Hermann von Werthere
(Weterder) und dadurch entstand eine besondere Linie dieses Geschlechts, nämlich die von
Zahna.
Im Jahre 1366 fiel die Herrschaft Seyda an den Kurfürsten Rudolf II. , und kurze Zeit danach wurde sie an die Herren von Landsberg verliehen.
Es werden in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts als Besitzer des Schlosses und Ortes genannt: Hans Schenk und Friedrich Schenk von Sidau.
Im Jahre 1501 kaufte Friedrich der Weise die Herrschaft Seyda für 20.000 Meißner Gulden von den Schenken von Landsberg. Seyda wurde
kursächsisches Amt mit einem Vorwerk. Die Verwaltung und Gerichtsbarkeit war dem "Amtsschösser" übertragen,
der gleichzeitig die Steuern eintreiben mußte. Neben der Wohnung des Schössers enthielt die Burg damals noch einige Räume für Fürstenbesuche.
In der Folge wurde es eines der 3 Witwensitze, der Kurfürstin Anna von Sachsen, die in der Lichtenburg wohnte. Im Anfang des 16. Jahrhunderts
verfiel das alte Schloß mehr und mehr. So fand ein Teil der Steine für
den Bau des Jagdhauses in Glücksburg (jetzige Oberförsterei) in den Jahren 1576-1580 Verwendung.
1604 erhielt der damalige Amtsschösser Rudolf von Schelinsky, Stallmeister des Kurfürsten, das Vorwerk als Lehen. Da die
Wohnverhältnisse auf der Burg immer ungünstiger geworden waren, erbat er vom Kurfürsten Christian II. die Genehmigung, sich ein geeignetes
Wohnhaus bauen zu dürfen, das gleichzeitig Verwaltungsräume für das Amt haben sollte So entstand im Jahre 1605 das Amtshaus. Die Steine dazu
lieferten zum Teil die Reste der Burg, das Holz die Glücksburger Heide.Ein Blick in den Dachstuhl zeigt, daß an Holz nicht gespart wurde. Viele
Frohndienste höriger Bauern und verarmter Bürger unserer Stadt waren notwendig, um einmal die Stämme zu fällen, dann in die Stadt zu fahren
und schließlich bis oben hinaufzutransportieren.
Der Entstehungszeit entsprechend, ist das Amtshaus ein Fachwerkbau. Zwei Fachwerkgiebel schauen weit über alle anderen Häuser in Richtung Osten. Der Nordseite ist ein Erker angebaut. Das Erdgeschoß besitzt etwa 1 m starke Wände aus Feldsteinen. Sehr harmonisch fügt sich in die Vorderfront das Renaissance-Portal ein mit den seitlichen Nieschen und Steinsitzen, durch Muschelschmuck verziert. Ursprünglich waren alle Fenster des Erdgeschosses vergittert. Die Tür krönt ein Bogen mit ausgebildetem Zahnschnitt und Eierstab.
Im Aufbau sind zwei Wappen angebracht. Davon weist vermutlich das eine mit 3 Hufeisen auf den Bauherren, den Stallmeister des Kurfürsten, hin. Den Abschluß bildet ein flaches Dreieck, aus dem ein Männerkopf als merkwürdige Verziehrung herausschaut. Er erreicht nicht ganz die Größe eines natürlichen Kopfes, ist mit einem Ritterhelm bedeckt, den in der Mitte eine wallende Feder schmückt. Eigenartig wirken die seelenlosen Augen und der leicht geöffnete Mund. Nach Meinung der Bevölkerung soll hier Rudolf von Schelinsky selbst dargestellt werden. Aber nach Ansicht des bekannten verstorbenen Heimatforschers, Herrn Oskar Brachwitz, handelt es sich um einen "Neidkopf", der nach altem Volksglauben durch seinen starren Blick für die Bewohner des Hauses alle übelgesinnten Luftgeister und Kobolde bannen sollte. Teilweise ist das Amtshaus von einer festen Steinmauer umgeben. Der Flur im Innern des Amtshauses ist mit Steinplatten ausgelegt. Die getäfelte Holzdecke blieb in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Steinerne Treppen führen bis in die erste Etage. In zwei unteren Zimmern ist die Decke mit Kreuzgewölben versehen.Zuerst diente es einem höheren kurfürstlich-sächsischen Beamten, der mit der Verwaltung des Amtes betraut war als Amtswohnung. Im Erdgeschoß befanden sich die Verwaltungsräume. Dort herrschte reges Kommen und Gehen, besonders an den Tagen, an denen Abgaben fällig waren. Namentlich die Bauern Seydas und der zum Amt gehörigen Dörfer waren stark belastet mit Ablieferungen von Naturalien und Geld. Da mußten beispielsweise Ostern Eier, Michaelis Korn, Martini Gänse, Neujahr Brot und Bratwurst aufs Amt gebracht werden. Dazu kamen noch die vielen Hand- und Spanndienste für die Herrschaft, so dass ihnen oft für persönliche Beschäftigung nicht viel übrig blieb.
Als dann 1815 nach den Befreiungskriegen das Amt und die Stadt Seyda an Preußen fiel, wurde es Dienstgebäude eines Königlich Preußischen Gerichts. 1815 - Der Wiener Kongreß trennt unsere Heimat von Sachsen ab; sie wurde preußisch. (Preußen erhält den größten Teil Sachsens und außerdem die Rheinprovinzen und Westfalen. Es ist dadurch wirtschaftlich und konfessionell in unterschiedliche Teile gespalten.) Das Amt wurde aufgelöst. Kurze Zeit später ging das Amtshaus in Privatbesitz über. (1912 Besitzer des Amtshauses Frau Rentiere Globig, geb. Lüdecke. Nach ihrem Tod 1939 ging der Besitz in eine Erbengemeinschaft über. Verwalter war Max Lückecke , später Rudolf Letz.
Natürlich fehlen auch allerlei Sagen um das Amtshaus nicht. So heißt es, dass mit dem Neidkopf über der Tür, das Wohl und Wehe desAmtshauses zusammenhängt. Wehe, wenn der Kopf entfernt würde! Dann
könnte es vor Spuken, Poltern, Rasseln und Heulen keiner mehr im Hause aushalten. Auch eine weiße Frau geistert um Mitternacht durch das
Gebäude, und wer sie erblickt, dem kündet sie Unheil an. Selbstverständlich darf ein geheimer Gang nicht fehlen. Meistens wird
berichtet, er münde auf dem Weinberge. Zuweilen bestehen aber auch die Ansichten, er hätte bis Glücksburg bzw. Kloster Zinna geführt.
Aufgefunden hat man ihn bisher nicht. Wohl aber wurde im Keller ein geheimer Raum entdeckt, der nur durch eine
Falltür in der Decke erreichbar war. Mündlichen Berichten zufolge sollen
im 30jährigen Krieg mißbillige schwedische Offiziere, nachdem sie trunken gemacht worden waren, dort hinabgestürzt worden sein. Der
seitliche Eingang vom Keller her in die Geheimkammer wurde erst später durchbrochen.
Wahrscheinlich diente dieser Raum als Versteck für Wertsachen in unruhigen Zeiten. Eine Reihe von Jahren war in den unteren
Räumen das Amtsgericht Seyda untergebracht. Nachdem dieses nach Jessen
verlegt wurde, diente das Amtshaus vorwiegend Wohnzwecken. Von 1912 bis zum Anfang der 70er Jahre hatte das Heimatmuseum darin
einen würdigen Platz gefunden.
Nach Angaben von Herrn Horst Hirsch hat das Bauunternehmen Dietz aus
Seyda etwa 1934 das Haus abgeputzt.Von 1940 bis 1976 war kein Dachdecker auf dem Dach. In den Jahren zuvor
hatte Dachdeckermeister Meusel (Henze) aus Morxdorf das Dach jährlich gewartet.
1976 wurde das Amtshaus in monatelanger Arbeit wie es damals hieß "instand gesetzt".
Nach entsprechenden Verhandlungen hat der Rat der Stadt finanzielle Mittel und Baukapazität für die Generalüberholung bekommen.
Tischlermeister Hirsch hat in unermüdlicher Kleinarbeit die verfallenen Fenster in den beiden oberen Geschossen vollständig und in den beiden
unteren Geschossen teilweise wieder naturgetreu hergestellt. Die Schornsteine mußten abgetragen und mit Kalksandsteinen wieder
aufgebaut werden. Die Stakhölzer des Fachwerkes, die mit Stroh und Lehm bewickelt waren, wurden herausgenommen und die Zwischenräume teilweise
neu ausgemauert. Aufgrund des akuten Holzmangels in der DDR wurden die Außenbalken mit
40 Millimeter starken Bohlen verkleidet. Früher stand der Putz den Balken vor. Nach der Instandsetzung gaben Putz
und Fachwerk eine Fläche. In den 80er Jahren (bis zur Wende) befand sich in den Räumen der unteren Etage die "Nähstube " des VEB
Dienstleistungen.
Seit 1993 steht das Haus vollkommen leer. Im Januar 1994 wurde im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme die Kellersohle tiefer gelegt.
Zwischenwände und Decken wurden herausgenommen, Nebengebäude abgetragen. Seitdem nagt der Zahn der Zeit an dem alten Amtshaus, das uns wohl noch
viel mehr erzählen könnte.
Bärbel Schiepel, 25. März 2.000
Quellen: Das Amtshaus in Seyda von Lena Schmalz, Heimatkalender 1955;
Aus der Vergangenheit der Stadt Seyda von E. Unger, Fürstenwalde; Lausitzer Rundschau v. 15.1.1977 Das Amtshaus ist wieder instand gesetzt
worden, Erich Schulze; Lausitzer Rundschau v. 2.5.1983 Städte und ihre Wappen von Klaus Adam; Lausitzer Rundschau v. 28.1.1994; Chronik der
Deutschen.