Die
Geschichte
der
Kirche
in
Seyda.
1. Teil:
Die ersten
Nachrichten über Burg, Stadt und Kirche.
Gott
sei Dank, der unsere Stadt und unsere Kirchengemeinde bis auf den heutigen Tag
erhalten hat!
Ein Jahrtausend
geht zu Ende, und es war auch ein Jahrtausend der Kirche in Seyda. In Freud und
Leid, in guten und in bösen Tagen ist der Herr bei uns gewesen. Mit diesen
Erfahrungen wollen wir getrost in die Zukunft schauen, denn seine Verheißung
gilt:
„Ich bin bei Euch alle Tage, bis an der Welt
Ende.“
(Mt 28,20)
Vielen
Dank allen, die mich in Seyda freundlich aufgenommen und mir viel über die
Geschichte erzählt haben! So eine Chronik wird nie ganz abgeschlossen sein.
Immer wieder gibt es etwas Neues zu entdecken. Wer noch etwas beitragen will,
sei herzlich dazu ermuntert.
Die weiteren
Abschnitte:
2. Das kursächsische
Amt Seyda und die Reformation
(16.
Jahrhundert).
3. Der erste und
der zweite Brand und der Kirchenneubau (17. und 18. Jahrhundert).
4. Die
Befreiungskriege und ihre Folgen
(Die erste Hälfte
des 19. Jahrhunderts).
5. Die
Kaiserzeit (1871-1918).
6.
Die
Weimarer Republik und das Dritte Reich
(1918-1945).
7. Der Umsturz
und die Wende (1945-2.000)
Natürlich
gab es die Ansiedlung auch schon früher. Der Name „Seyda“ ist wie andere
Ortsnamen der Umgebung slawischen Ursprungs. („Der
Name ist slawischen Ursprungs und zeigt, daß der Ort um 500 von den Wenden
eingenommen wurde. Sydow = grünes Bachfeld - von Zyto = Getreidefeld. Es gibt
noch eine andere Deutung des Namens. Seyda - 1268 Sidowe, 1394 Sidaw, 1500 Sydo.
1605 Seyda. Sid (Personenname), Zavid (Neider), also Seyda Neidersgehöft,
Neidersgut.“ Bärbel
Schiepel, Über das Amtshaus, 2.000; Heimatbuch für den Kreis Jessen, 51: 1270
Sydowe, 1506 Sydaw, 1605 Seyda; Luther: Sidonium).
Der Name kommt
aus dem Slawischen, die Endung „-ow“ könnte auf einen Einzelhof hinweisen,
der erste Teil ist ein Personenname (Sid). Von diesen ganz alten Zeiten erzählen
alte Hügelgräber und manche Scherben, von denen man auch einige im
Heimatmuseum betrachten kann.
(Der
Atlas des Saale- und mittleren Elbegebietes (Mitteldeutscher Heimatatlas), 2.
veränderte und bearbeitete Auflage des Werkes 1959 Leipzig, hrsg. von Otto Schlüter
und Oskar August verzeichnet für unser Gebiet im 4. Jahrhundert vor Christus
als Bewohner „Elbgermanen“ oder „Sueben“, im 1. Jahrhundert vor Christus
den Durchzug der Ostwandalen, im 1. Jahrhundert nach Christus die „Hermunduren“;
um das Jahr 1.000 den slawischen Stamm der „Lusici“. (Karten 5 und 10) Die
Verbreitung der Germanen um 300 zwischen Maas, Rhein und Weichsel/Bug, unser
Land von dem westgermanischen Stamm der Herminonen bewohnt zeigt eine Karte im
„Abriß der Geschichte der deutschen Sprache“ von Joachim Schildt, Seite
233.
Über
viele Jahrhunderte war unser Gebiet sehr umkämpft. Ab dem Jahr 929 wurde das
„Wendenland“ durch Heinrich I. erobert und besetzt. Mit der neuen
politischen Verwaltung hielt auch das Christentum Einzug. Neue Bistümer wurden
gegründet. An der Einmündung der Schwarzen Elster in die Elbe stießen die
drei Bistümer Brandenburg (948 durch Otto I gegründet, bis zum Slawenaufstand
982/83, dann erst wieder im 12. Jahrhundert), Meißen und Magdeburg (seit 968)
aneinander. Seyda gehörte zunächst zu Brandenburg, später zu Magdeburg. Ein
großer Slawenaufstand im Jahr 983 erfaßte unsere Gegend nicht, dennoch waren
befestigte Orte notwendig, um das Gebiet zu halten. Burgwarde wurden eingesetzt,
die auch die Aufgabe hatten, die Gute Nachricht von Christus in das Umland zu
tragen.
Seyda
war der Sitz eines solchen Burgwards. Die Burg befand sich im Bereich der oberen
Bergstraße.
(Vgl.
Brachwitz, Geschichtliche Bilder, 2: „Burgwälle sind festgestellt: „Bei
Zahna der Schloßberg, der Burgwall bei der Geistmühle und einer bei der
Krakauer Mühle. Der „Berg“ in Seyda, die „Burg“ bei Gentha, die
„Schwedenschanzen“ bei Schadewalde, wahrscheinlich auch die Stellen, auf
denen sich die späteren Schlösser zu Schweinitz, Jessen, Kropstädt und Dobien
erhoben.“ und ebenda, 2., 5: „Als solche Burgwarte werden in unserm Gebiet
genannt 1187 Dobin, Wittenberch, Zane, Alstermünde (Elster). 1290 Swinitz (Schweinitz),
Jezzant (Jessen)).
Ein
Burgward war für einen ganzen Bezirk zuständig. Die aus Stein erbaute
Festungsanlage, meistens in der Nähe von schon bestehenden slawischen
Hauptorten angelegt, stand im Zentrum von etwa fünf bis zwanzig Siedlungen. So
wird es auch bei uns gewesen sein, denn nicht nur der Ortsname Seyda, sondern
auch Namen wie „Mellnitz“, „Gadegast“ und „Zemnick“ weisen auf
slawische Gründungen hin.
Die
Burgbesatzungen bestanden meist aus einem Stamm deutscher Ministerialen,
darunter waren schwergerüstete Ritter, aber auch aus der slawischen Bevölkerung
kamen Leichtbewaffnete hinzu, die zu Pferd Dienst taten.
In solch eine
Burg gehörte auch ein Priester, der dort Schutz finden konnte, und die
Burgwardkapellen sind die ältesten Kirchen östlich von Elbe und Saale, die
Burgwardsbezirke die ältesten Pfarrbezirke. (G I, 77f).
Scherbenfunde
belegen, dass es in Seyda anstelle der Burg schon früher eine slawische
Befestigungsanlage gegeben hat.
„Die Burg entstand
damals auf der erhöhten Stelle inmitten eines Sumpfgebietes und bot
einen geeigneten Ort für eine schützende Burg in der neuerworbenen Mark. Das
untere Geschoß bestand aus festem Mauerwerk; darauf setzte sich ein
Fachwerkbau, den hohe und spitze Dächer krönten. Rings um das Schloß und
seine Nebengebäude wurden feste Bollwerke angelegt, die aus Mauern, Wall,
Graben und einigen Warttürmen bestanden. Tore und Zugbrücken ermöglichten und
sicherten den Eingang. Die Zugbrücke befand sich am südlichen Abhang des
Berges. Ein Tor zwischen dem sogenannten "Amtshaus" und dem ihm nördlich
gegenüberliegenden Gehöft führte auf den Turnierplatz, den jetzigen Amtshof,
wovon der Absatz auf der Strasse zwischen beiden genannten Häusern herrührt.
Um die Burg ließen sich deutsche Ansiedler nieder, und es entstand der Ort
Seyda (ursprünglich Sydow). In dieser Zeit hatte der Ort, wie die meisten
unserer kleinen Städte eher das Ansehen eines Dorfes als das einer Stadt. Er
enthielt meist nur kleine, niedrige Häuser, welche zum größten Teil aus Lehm
oder Holz bestanden und mit Stroh oder Rohr gedeckt
waren. Die engen, teilweise verfallenen Strassen bestanden aus Knüppeldamm
oder waren vollständig ungepflastert. Wann Seyda das Stadtrecht bekam, ließ
sich bisher nicht ermitteln.Das Stadtwappen, wie das des späteren Amtes Sydow,
war zuerst ein Hirsch und ein Baum, wie die Wappenzusammenstellung im Meißener
Schloss noch heute zeigt.“ (Bärbel Schiepel, Über das Amtshaus 2.000).
Der bekannte
Heimatforscher Oskar Brachwitz schreibt über die alte Burg in Seyda:
„Die deutsche Ritterburg wurde natürlich stark
befestigt. Bot das Sumpfgelände im Norden und Westen an und für sich
hinreichend Schutz, so wurde die Burg doch mit doppelten Gräben umgeben. Die Gräben
waren zwölf Meter breit und fünfzehn Meter voneinander entfernt. Von dem äußeren
Graben ist heute noch ein Rest erhalten, er ist als Burggraben allgemein
bekannt. Auf dem inneren Graben stehen die hintersten Mauern der Scheunen von
Schlawig (heute Grundstück Müller) und Kohl (heute Grundstück Seiler). Auch
ein Teich, „Heller“ genannt, lag in der Nähe des Grabens, wahrscheinlich
zur Ansammlung von Wasser.
Die Zugbrücke befand sich am heutigen Aufgang zum
Berg. Rechter Hand erhob sich dicht am inneren Graben der Burgturm, der in
Verbindung mit einem Torhaus den Zugang sicherte. Die Burg war mit einer starken
Mauer aus Feldsteinen umgeben. Innerhalb der Mauern waren Wohn- und Stallgebäude
errichtet, auch eine Burgkapelle muß vorhanden gewesen sein, denn noch um 1500
mußte ein Pfarrer der Stadtkirche auf dem „Schloß“ jeden Freitag eine
Messe lesen, wofür er dort jedesmal eine Mahlzeit erhielt. Früher dürfte
sogar auf der Burg ein Burgkaplan gehalten worden sein, denn die Einkünfte des
Altars auf dem Schloß, die um 1500 genannt werden, sind recht beträchtlich.
Sie sind allerdings um diese Zeit dem Einkommen des Stadtpfarrers
zugeschlagen... Für die Bewachung der Burg wurden wie auch anderswo Adlige
herangezogen. Sie erhielten ein größeres Gut und wurden Burgmannen genannt,
ihre Güter lagen gewöhnlich am Fuße der Burg. In Seyda treffen wir drei
Burgmannengüter, die gleichzeitig mit der Errichtung der Burg angelegt worden
waren. Ich möchte als die ehemaligen adligen Güter die Grundstücke Stockmann
(heute befindet sich auf dem Grundstück die Fleischerei Reinknecht und die Bäckerei
Herrmann), Wahle (das Grundstück Ecke Bergstraße/Haak), Stadteigentum (heute
Stadtverwaltung) ansprechen. Das Leupold-Schulze-Richtersche Grundstück (heute
Grundstück Gebert) scheint zum Vorwerk des Schlosses gehört zu haben.
Die Edelleute mußten gemeinsam mit dem Adligen
Heinrich von Drote zu Oehna in Fehdezeiten Tag und Nacht im Schloß zu Seyda
sein und wachen. Sie erhielten dort während dieser Zeit zu essen und zu
trinken. Damit war auch für die Bewachung der Burg in Kriegszeiten Sorge
getragen. Rund 400 Jahre sind vergangen, daß die alte Burg in Seyda
verschwunden ist, nachdem sie eine ebenso lange Zeit für das Stadtbild der
beherrschende Punkt gewesen ist. Still und ruhig ist es geworden, wo einst das
Horn des Torwächters erklang und das Rasseln der Zugbrücke ertönte, wenn
gewappnete Ritter vor der Burg erschienen und Einlaß begehrten.“ (gekürzt
aus Heimatkalender von 1940).
An
die Zugehörigkeit unserer Gegend zum Erzbistum Magdeburg erinnern bis heute die
alten Farben Rot und Weiß im Stadtwappen. („Das
heutige Stadtwappen: „In Silber auf grünem Boden ein springender roter
Hirsch“, geht wahrscheinlich auf dieses Rittergeschlecht (die Herren von Sydow
im 12. Jahrhundert) zurück.“ (Heimatbuch
für den Kreis Jessen, 51). Um die Ausbreitung des
Christentums bemühte sich in besonderer Weise der Magdeburger Bischof Norbert
(1126 bis 1134). Die auch von ihm ausgesandten Priester und Missionare wollten
natürlich den Menschen hier das Evangelium von der Liebe Gottes bringen, ein
Grund, der sie zu dieser auch gefährlichen Mission bewegte, war aber auch der,
den Lobpreis Gottes über die ganze Welt auszubreiten, also die Zahl der Kirchen
zu vermehren, in denen Gottesdienst gefeiert wurde. (vgl. F 9).
Einen
neuen Schub erhielten diese Bemühungen durch Menschen, die schon Christen waren
und sich hier neu ansiedelten. Weil das ohnehin schon wenig bewohnte Land durch
viele Kämpfe weiter entvölkert worden war, rief der Askanierfürst Albrecht
der Bär, der ein Freund des Magdeburger Erzbischofs Wichmann von Seeburg war,
um 1150 Siedler aus Rheinfranken und insbesondere aus Flamen. Angelockt wurden
sie durch Versprechen für niedrige Abgaben, weitgehende Befreiung von
Frondiensten und der Freiheit, über eigenen Besitz selbst zu verfügen, sowie
natürlich aus der Not, in der Heimat schlecht bleiben zu können. Davon
berichtet eine zeitgenössische Chronik: „Weil
aber das Land menschenleer war, sandte der Graf Boten aus in alle Welt, nämlich
nach Flandern und Holland, nach Utrecht, Westfalen und Friesland, auf daß alle,
die von der Landnot bedrückt wurden, mit ihren Hausgenossen kämen, um schönsten
Boden, weiten Raum, reich an Früchten und Fleisch, zu empfangen... Und es erhob
sich eine große Menge aus verschiedenen Stämmen, nahmen ihr Gesinde mit und
ihre Habe und kamen ins Land...“ Diese Bemerkungen beziehen sich zwar auf
Holstein, aber sie vollzog sich im ganzen Gebiet längs der Elbe. (Hempel,
9). „Der
Markgraf, die Bischöfe und kleinere mit grundherrlichem Besitz belehnte Adlige
beauftragten sogenannte Lokatoren, Gründungsunternehmer, sowohl bäuerlichen
als auch ritterlichen Standes, die Siedler zu werben, die Dörfer wie Städte
anzulegen hatten... Der oft frappierend regelmäßige Abstand zwischen Orten,
die wie an einer Kette an einem Verkehrsweg... aufgereiht sind, dürfte das
Ergebnis derartiger Planung sein.“
(F 11). Direkt für
unsere Gegend berichtet eine Magdeburger Schöppenchronik: „Dieser
Bischof Wichmann bezwang das Land zu Jüterbog und setzte da Bauern an und
machte das Land diesem Gotteshause zinspflichtig.“ (Hempel 9) Diesen Zug
des Bischofs Wichmann kann man sogar auf einige Tage genau datieren: zwischen
dem 11. und dem 23. Juni 1157 war er in Jüterbog. Eine Urkunde aus dem Jahre
1161 sagt, daß Jüterbog und Umgebung so gut wie christianisiert sei. (Hempel
15)
Die angeworbenen
Siedler vom Niederrhein, aus Flandern und Holland kultivierten große
landwirtschaftliche Flächen durch ihre Erfahrung mit der Be- und Entwässerung
und brachten neue Arbeitsmethoden und Rechtsvorschriften mit. Sie kamen in
langen Trecks, mit ihren Familien, mit Vieh und Ackergerät, auf einfachen
Ochsenkarren. Bischof Wichmann hatte Werber in ihre Heimat geschickt, das waren
die Führer auf dem Weg und dann die „Lokatoren“, die die Dorfstätte
festlegten sowie die einzelnen Hofstellen und die Anteile an der Feldmark. Sie
waren also die ersten Bürgermeister der neu gegründeten Ortschaften, ihr Amt
war erblich und erhielt später die Bezeichnung „Erb- und Lehnrichter“. (Hempel
17). Das
Zisterzienserkloster Zinna, gegründet 1171, entwickelt sich zur „kolonisatorischen
Beratungsstelle“, besonders für Landwirtschaft und Gartenbau. „Der
eiserne Pflug kommt erst durch sie hierher; die Wenden hatten bisher mit ihrem hölzernen
Hakenpflug nur dürftig den Boden aufgerissen; lange Zeit noch ist „dat Isen“
die Bezeichnung für Pflug. Sie kennen weiter aus ihrer Heimat die Anlage von
Brunnen, den Bau von Windmühlen usw.“ (Hempel
15f).
Die Siedler können
ihr altes flämisches Recht behalten, was im Grundsatz die persönliche Freiheit
des Einzelnen garantiert. „Die Eheleute
leben in Gütergemeinschaft. Nach dem Tode eines Ehegatten fällt die Hälfte
des Besitzes dem überlebenden Teil zu, die andere Hälfte den Kindern. Dieses
Erbrecht bleibt, wie die vielen erhaltenen Erbverträge zeigen, durch die
Jahrhunderte unangetastet.“ (Hempel
17)
An diese
Ostkolonisation erinnert der Name „Fläming“, dazu eine ganze Reihe von
Ortsnamen, die Sprache, Trachten und handwerkliche Traditionen. (Spuren
der niederländischen Ansiedlungen: HG 14,2; Karte im Mitteldeutschen
Heimatatlas, Nr. 26/Ia! zur Ausweitung des Fläming; Karte Nr. 53 zur
Sprachgrenze). Dass die alte Sprachgrenze zwischen
Platt- und Mitteldeutschem bis heute durch unser Gebiet verläuft, ist auf diese
Besiedlung zurückzuführen. Deutlich zu merken bis in unsere Zeit ist die
Grenze zwischen „ik“ und „ich“, die seit 1500 quer durch Deutschland führt,
südlich von Seyda sagt man „ich“. (vgl:
Schildt, Joachim: Abriß der Geschichte der deutschen Sprache, Karte Seite 237).
„Als Kolonistendörfer können wahrscheinlich
angesprochen werden: Gölsdorf (1195 Golisdorf), Kurz-Lipsdorf (1331 Lubesdorf),
Blönsdorf (1447 Blodenstorf), Mellnsdorf (1356 Melmstorp), Zalmsdorf (1459
Salmerstorp), Eckmannsdorf (1354 Ekberstorp), Schmögelsdorf, Rahnsdorf,
Woltersdorf (1354 Wolterstorp), Nudersdorf, Braunsdorf, Reinsdorf,
Dietrichsdorf, Gielsdorf, Ruhlsdorf, Arnsdorf.“ (Brachwitz,
Geschichtliche Bilder, 2., 6).
Es
gibt bis heute eine eigene, „Seyd´sche“ Sprache, die kaum ein Außenstehender
versteht. „Du bist wohl kiesete?“ wird man gefragt, wenn man nicht alles
essen will („Du bist wohl mäkelig?“, wohl von dem alten deutschen Wort
„erkiesen“, „auswählen“, abgeleitet).
Weitere typische
Ausdrücke, die aber aus dem Wendisch/Slawischen kommen, sind: Moch (Moos);
Kuscheln (Wald, wo die Bäume noch nicht groß sind; von „kusy“ =
„kurz“), Limpe (Messerklinge); mummeln (mühsam kauen, z.B.
„Mummelgreis“); pimpeln (sehr zärtlich tun, zimperlich sein); kretschen
(schreiten); padauz (von „pad“, „padati“ hinfallen); pietschen
(„Pijece“, trinken); pomäle (gemütlich tun); futsch („fuc“, weg,
fort); Puje (Kinderwiege); Ssibbe (Mutterschaf); Plauze (Lunge); Hile (Gans,
Ente); Pilisch (Gänschen); Mutsche (Kuh); Kaluppe (altes Haus); Halunke
(Heidebewohner)... (Brachwitz,
Geschichtliche Bilder, 1. Spuren der wendischen Bevölkerung in unserer Heimat,
9).
Die
ursprüngliche wendische Bevölkerung wurde verdrängt - sie wohnte dann außerhalb
auf dem Kiez (von
wendisch „Chyzu“, „Fischerhütte; Brachwitz, Geschichtliche Bilder, 1.
Spuren der wendischen Bevölkerung in unserer Heimat, 2) oder dem
Kanipp, wie wir es noch in Seehausen und Mellnitz als Ortsbezeichnung vorfinden,
bisweilen gibt es auch größere Wendendörfer (zum Beispiel
„Wendisch-Linda“). Später sondern sie sich in den sogenannten „Buschdörfern“
ab (Hempel 17). Die Wenden waren bei der Ankunft
der „Fläminger“ noch keine Ackerbauern; sie ernährten sich von der Jagd
und vom Fischfang, und sie schienen im Grunde auch nicht besonders kriegerisch
zu sein: Zeitgenössische Schriftstellern schildern sie als durchaus
sympathisch, anspruchslos, gastfreundschaftlich und mit heiterem Lebenssinn
begabt. (Hempel, 10). Die
Kolonisierung erfolgte weitgehend friedlich. (Hempel
16).
Nach und nach
gingen sie in der Gesamtbevölkerung auf. Bis zum Jahre 1620 werden im Jessener
Kirchenbuch drei wendischsprachige Einwohner verzeichnet (Brachwitz, Geschichtliche Bilder, 1. Spuren der
wendischen Bevölkerung in unserer Heimat, 1), und die
Reformatoren fanden das Vater Unser bei uns auch in wendischer Sprache vor: Wotce
nas, kis syw njebjesach / swjec so Twoje mjeno / princ knam Twoje kralestwo /
stain so Twoja wola / kaz na njebju tak na zemi / wsedny chleb nas daj / nam
dzens a wodaj nam nase winy / jako my tez wodawamy swojim / winikam a njewjedz
nas do spytowanja / ale wumoz nas wot zleho / amen.
„Bei einer Sterbeeintragung im Kirchenbuch von Oehna
aus dem Jahre 1690 ist dem Namen des Verstorbenen hinzugefügt: „ein Wend“.
Unser Gebiet ist lange Zeit geradezu zweisprachig gewesen, denn noch in den
Protokollen der Kirchenvisitationen des 16. Jahrhunderts werden Dörfer angeführt,
in denen nur wendisch gesprochen wird, z.B. Puschkuhnsdorf (d.h. Kuhnsdorf in
dem Busch). Auch die „Fläminger“ sind sich dieser Scheidung bewußt
geblieben: bis vor wenigen Jahrzehnten hat in Gölsdorf nicht eine Heirat von
und zu einem Buschdorf stattgefunden.“ (Hempel 28) In Linda, früher
Wendisch-Linda, ist eine Familie „Wendt“ noch heute zuhause.
An
diese Ansiedlung der Flamen erinnern die alten Dorfkirchen rings um Seyda in
Gadegast, Mellnitz und Morxdorf, die aus jener Zeit stammen, also ungefähr 850
Jahre alt sind. Insbesondere ist dies an dem „Baukastensystem“
(„Isodomie“) zu sehen: die großen behauenen Feldsteine sind in Reihen übereinander
gelegt, weil noch kein starker Mörtel zur Verfügung stand. Man baute im
romanischen Stil mit Priesterpforte und Gemeindepforte im Süden. Die Fenster
waren klein, nicht nur, weil kein Glas zur Verfügung stand, sondern auch, damit
die Kirchen ausreichend Zuflucht vor Unwetter und vor Feinden bieten konnten. In
Gadegast kann man sogar gut die Abteilung eines Chorraumes und den Triumphbogen
in der Mitte der Kirche erkennen: das Zeichen des Siegers Jesus Christus.
Von
der Ansiedlung der Fläminger erzählt ein schönes Gedicht: „Ein Fläminglied“
von Wilhelm Schröter:
„Von Wittenberg bis Jüterbog,
von Belzig bis nach Seyde,
im Ländchen ohne Bach und Berg,
da wohnen gute Leute.
Das ist der alte Flämingstamm
Die Wüstenei zu bessern,
rief ihn Fürst Albrecht einst beisamm,
auch dürres Land zu wässern.
Sie kamen aus der Ferne her
ins Land des Sands, der Fichten
vom großen und gefräßgen Meer,
das Kreuz hier aufzurichten.
Noch stehn die alten Kirchen fest,
von Findlingsstein gefüget,
zum Zeichen, daß der Christengott
den „Jutrebog“ besieget...“
Neben
der Kapelle auf der Burg wird Seyda anfangs auch solch eine Kirche gehabt haben.
Auch das alte Patrozinium „Zum Heiligen Kreuz“ erinnert an früheste Zeit:
so heißt auch die an die tausend Jahre alte Kirche in Klöden, und so hieß
auch die Kirche in Schweinitz einmal. Das könnte auf die Orte für die ersten
Kirchen hier hinweisen.
Die Grundmauern
der Kirche zeigen ein hohes Alter an, und auch ein alter, wohl mindestens aus
dem 12. Jahrhundert stammender Grabstein, der ein Mädchen mit Zöpfen und Rock
zeigt. Er dient heute als Türschwelle vom Vorraum der Kirche in die Kirche
hinein. Durch die kleinen Fenster, wie man noch eins im Original in Mellnitz
sehen kann, fiel wenig Licht. Nur am Altar brannten die Kerzen hell. Mehr Licht
war auch nicht nötig, denn man sang vor der Reformation wenig und wenn, dann
auswendig.
Die
Siedlung Seyda ist mehr zufällig als planmäßig neben der kleinen Burg
entstanden, abseits großer Straßen. Darauf weist ihr recht unregelmäßiger
Grundriß hin: Doppelstraßen werden durch Gassen verbunden. Die Stadt beschränkte
sich auf ein kleines Gebiet: Die Neue Straße, die heute mitten in der Stadt
liegt, stellte die Stadtgrenze dar und wurde erst später, im 19. Jahrhundert,
eben „neu“ dazugebaut.
Seyda war immer
eine „offene“ Stadt - ohne Stadtmauer. Bei Gefahr flüchtete man sich in die
Burg oder in die umliegenden Sümpfe, zum Beispiel die „Nachthainigte“
zwischen Schadewalde und Gadegast, oder in die Heide.
Die
Herren der Burg waren lange die Schenken von Landsberg. Sie erwarben die Burg
mit der Ansiedlung erstmals im Jahre 1235. Von ihnen gelangte die Herrschaft
kurz darauf an die Schenken von Sydow (Syden), die 1235 auf dem Würzburger
Turnier, 1254 auf dem zu Regensburg und 1414 auf dem Konstanzer Konzilium
erschienen und hier ebenfalls Hof hielten.
Im 13.
Jahrhundert kam die Herrschaft als Heiratsgut an Hermann von Werthere
(Weterder), und dadurch entstand eine besondere Linie des Geschlechts, nämlich
die von Zahna.
(Etwas
anders das Heimatbuch, 51: „Nachdem die Herren von Sydow ausgestorben waren,
kam der Besitz unter Otto dem Reichen zur Markgrafschaft Meißen. Im Jahre 1366
fiel er an den Kurfürsten Rudolf II., und kurze Zeit darauf wurde die zum Amt
erhobene Herrschaft den Herren von Landsberg verliehen.“ Vgl. auch Bärbel
Schiepel, Über das Amtshaus: „Als die
ersten Herrscher auf der Burg wird das Rittergeschlecht derer von Sydow
genannt.Nachdem die Herren von Sydow ausgestorben waren, kam Schloß und Ort
Seyda zur Markgrafenschaft Meißen zur Zeit Otto´s des Reichen (1156-1190). Der Hirsch im Wappen läßt erkennen, daß
später - vielleicht zu Anfang des 13. Jahrhunderts (1255?) - die Grafen von
Brehna die Herrschaft Seyda in Besitz nahmen. In kirchlicher Beziehung gehörte
Seyda mit dem dazu gehörigen Ortschaften Naundorf, Mellnitz, Gentha u.a. zuerst
zu den Bistümern Brandenburg und Meißen, zu Ende des 13. Jahrhunderts aber zu
Propstei Wittenberg. Im 13. Jahrhundert kam die Herrschaft als Heiratsgut an
Hermann von Werthere (Weterder) und dadurch entstand eine besondere Linie dieses
Geschlechts, nämlich die von Zahna. Im Jahre 1366 fiel die Herrschaft Seyda an
den Kurfürsten Rudolf II. , und kurze Zeit danach wurde sie an die Herren von
Landsberg verliehen. Es werden in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts als
Besitzer des Schlosses und Ortes genannt: Hans Schenk und Friedrich Schenk von
Sidau.“).
Bei ihr blieb
Seyda bis zum 9. Juni 1366, wo sie ausstarb, worauf diese Herrschaft an den
Lehnsherrn, Kurfürst Rudolph II. fiel. Später wurde sie, einer Urkunde nach,
worin im Jahre 1361 ein Schenk von Landsberg von Sydow genannt wird, an die
Schenken von Landsberg verliehen, demnach dieses Geschlecht schon früher einmal
in Besitz derselben gewesen sein muß. „In
der Kreuzkirche liegen viele Herren von Sydow, ehemalige Besitzer hiesiger
Pflege, begraben.“ und „In der Stadtkirche zum heil. Kreuz findet man noch Grabschriften von
ihnen.“ vermerkt die alte Chronik. (HG
14,4). Das war üblich: Lebende und Tote gehören
bei Gott zusammen, deshalb fanden Bestattungen in der und um die Kirche herum
statt. Auf dem Weg zur Kirche wurde man so auch an die Begrenztheit des eigenen
Lebens erinnert.
Nach
der Neuinbesitznahme der Burg Seyda nannte sich die Familie der Schenken von
Landsberg auch die „Schenken von Syden“. Auf manchem Turnier sind sie
aufgetaucht, jedoch konnte bislang niemand eine entsprechende Urkunde erbringen,
weshalb das Jahr 1268 als erste urkundliche Erwähnung gilt.
Eine
Episode aus der frühen Kirchengeschichte von Seyda ist uns aus dem Jahre 1350
überliefert. Die Herren von Seyda, die Schenken von Landsberg, hatten im
Brandenburgischen die Herrschaft Teupitz hinzuerworben. Sie nannten sich dann
„Schenken zu Landsberg, Herrn zu Sydow und Teupitz“. In Seyda war der Herzog
von Sachsen ihr Landesherr, in Teupitz dagegen der Markgraf von Brandenburg. Der
Markgraf von Brandenburg überwarf sich mit dem Papst, so dass dieser im Jahre
1350 ihn und alle seine Verbündeten mit dem Kirchenbann belegte.
„Der päpstliche Abgesandte hatte verlangt, daß alle Gemeinschaft mit dem
Markgrafen von Brandenburg aufhöre, und daß die Gebannten jeder Christgläubige
desto sorgfältiger vermeiden müsse. Dies solle an jedem Sonntage bei
angeschlagenen Glocken und ausgelöschten Lichtern in den Kirchen bekannt
gemacht werden. Die Fürsten, Grafen und Herren sollen dem Markgrafen den
Gehorsam verweigern, desgleichen die Geistlichen, ebenso alle Bürger in den Städten
und alle Bauern auf den Dörfern. Die
im Bann Verstorbenen sind wieder auszugraben und außerhalb der Kirchen und
Kirchhöfe zu legen. Während des Interdikts darf überhaupt keine Beerdigung
stattfinden. Es darf niemand den Gebannten weder Speise noch Trank reichen. Es
darf auch niemand mit ihnen reden, nichts von ihnen kaufen, ihnen nichts
verkaufen, sie nicht als Gäste aufnehmen und jeden Umgang mit ihnen vermeiden.
Das ist überall zu veröffentlichen und jeden Sonntag bekannt zu machen.“
(Brachwitz,
Geschichtliche Bilder, 3. Im Banne des Papstes, 9; nach Worbs, Inv. dipl. Lus.
1834. Riedel, Cod. dipl. Brand. B. II).
Die
Tochter des Albrecht Schenk von Landsberg und Herr zu Sydow Elisabeth von
Quitzow zog im Jahre 1414 mit ihren beiden Söhnen Dietrich und Johannes auf das
Schloß Sydow. Sie war verheiratet mit Dietrich von Quitzow, dem gefürchteten
Raubritter der Mark Brandenburg. (HK
1924, Otto Brachwitz). So ist das Geschlecht der Schenken
von Landsberg nicht ganz unbekannt. Im Märkischen gibt es um Teupitz ein
„Schenkenländchen“. Die Schenken mußten zwischenzeitlich einmal die
Herrschaft über Seyda an die Herren von Wederden auf Zahna abgeben, wurden aber
dann wieder durch den sächsischen Fürsten mit Burg und der Herrschaft über
mehrere Dörfer belehnt.
Die
Jahrhunderte vor der Reformation sind also auch in unserem Gebiet mit einem
schnellen Wechsel verschiedener Herren verbunden, das Land ist zersplittert in
zahllose kleine Fürstentümer und Ländereien. Die Fehden zwischen den Mächtigen
zerstören immer wieder die Früchte der Arbeit, zumal es den Besitzern der
Burgen bei ihren kriegerischen Auseinandersetzungen immer weniger darum ging,
die Burg des Gegners zu schleifen, sondern ihn durch die Vernichtung seiner
wirtschaftlichen Grundlagen zu besiegen: Felder abzubrennen, Feldfrüchte zu
zerstören und bäuerliche Höfe niederzubrennen. (G I, 156)
Wollte man eine
andere Herrschaft angreifen, so schrieb man einen Fehdebrief, wie zum Beispiel
im Jahre 1440. Heinrich Schenk von Landsberg, Herr zu Teupitz und Sydow, kündigte
(mit anderen Verbündeten) den Herzögen von Sachsen den Krieg an: „Wisset,
erleuchtete und hochgeborene Fürsten und Herren, Herr Friedrich und Herr
Wilhelm, Herzöge zu Sachsen, Markgrafen zu Meißen und Landgrafen zu Thüringen!
So denn der hochgeborene Fürst und Herr, Herr Friedrich, Markgraf zu
Brandenburg und Burggraf zu Nürnberg, mein gnädiger Herr, mit Euch in Fehde
gekommen ist, so bin ich dem Genannten, meinem Herrn, dem Markgrafen, so
zugetan, daß ich ihm gern nach Willen beistehen will. Und will deswegen mit
meinen Helfern und Knechten Euer Gnaden Lande und Leute feind sein durch des
genannten meines Herrn, des Markgrafen, Willen. Und will mich deswegen mit den
Genannten, den Meinen, vor den Eurigen, auch Land und Leuten, beschützen. Und
begebe mich deshalb mit allen den Meinen in meines gnädigen Herrn, des
Markgrafen, Frieden und Unfrieden.
Gegeben zu Brisene, den nächsten Sonntag nach Sankt Katharinentag (27. Nov.)
1440. Heinrich Schenke von Landsberg, Balzer Kyncz, Hans von der Nichel. Jurge
Crieper, Henricus Semelwicz und andere meine Helfer und Knechte.“
In diesem Falle
schlossen die beiden Landesherren vierzehn Tage später einen Waffenstillstand,
so dass unsere Stadt von Kriegsunruhen in diesem Zusammenhang verschont blieb. (Brachwitz,
Geschichtliche Bilder, 4. Ein Fehdebrief, 10; nach Riedel, Codex dipl. Brandenb.
Bd. IV).
Ein
kleiner Lichtblick in dieser Zeit dürfte der „Sachsenspiegel“ gewesen sein,
der zwischen 1220 und 1235 entstand und einige Ordnung in das gesellschaftliche
Leben bringen konnte. Er enthält unter anderem eine Dorfsatzung mit
Bauvorschriften für die Bauernhöfe, Bestimmungen über die Einfriedung, den
Abstand von Abort oder Schweinekoben vom Zaun und sogar Regelungen, wie mit überhängenden
Zweigen zu verfahren ist. Übrigens ist darin auch eine der ersten Straßenverkehrsordnungen
der Welt enthalten: So alt ist das Rechtsfahrgebot auf unseren Straßen. Ein
leerer Wagen sollte einem beladenen, ein leichter einem schwereren ausweichen.
(G 136)
Die oberen
Landesherren versuchten auch in Bündnissen, der Raubritter Herr zu werden, so
im Jahre 1358: „Wir, Rudolf, von Gottes
Gnaden, Herzog zu Sachsen, Westfalen und Engern, Graf zu Brehna und Erzmarschall
des heiligen Römischen Reiches, bekennen öffentlich mit diesem Briefe, daß
wir mit vorgedachtem Mute mit allen unsern Städten gemeinschaftlich in unserm
Lande zu Wittenberg, Aken, Herzberg, Prettin, Jessen, Kemberg, Schmiedeberg,
Belzig, Niemeck, um den Raub und Schaden, der geschehen ist und noch geschieht,
in unserm vorbenannten Lande in solche Weise Einhalt tun würden, daß unsere Bürger
hindern sollen die Räuber, sobald dieselben betreten und ankommen mögen, die
da rauben in unserm Lande oder aus unserm Lande. Oder die da rauben in andern
Landen und den Raub in unser Land bringen. Auch sollen sie hindern alle die, die
die Räuber hausen und hegen oder
speisen gleicherweise, wie die Räuber selber. Wäre es auch, daß jemand um
Raub würde verklagt und ihm das zu wissen gebracht wurde, der soll sich des
Raubens in vierzehn Tagen entschuldigen, wie es das Raubrecht verlangt. Täte er
das nicht, so soll er von Stunde an sein in unserer und unserer Mannen und Städte
Acht. Wäre es, daß einige Städte einen Räuber oder mehr anzeigten, so sollen
ihnen dabei unsere Vögte und Mannen behilflich sein. Täten sie das nicht und
verwehrten sie das, so würden sie unsere Befehle mißachten und Strafe gewärtig
sein. Welche Stadt jemand angriffe und
darüber leicht verdächtig werden möchte, so sollen die Verdächtigungen uns
und alle unsere Städte insgemein treffen und sie nicht allein. Auch sollen alle
unsere Richter und Krüger, die unserem Landes gesessen sind, schwören auf
diesen Brief, alle diese vorgeschriebenen Stücke gänzlich und treulich zu
halten gleich unsern Bürgern und Städten. Täten sie das nicht, so sollen sie
uns und unsern Städten Anlaß gegeben haben zur Bestrafung. Auch geben wir
diesen vorgeschriebenen Bürgern und Städten Gewalt, zu richten über die Räuber,
sobald wir selber nicht gegenwärtig
sein können, und was sie daran tun, sollen sie von uns Freiheit haben. Daß wir
alle diese vorgeschriebene Rede treu und ganz halten wollen, das geloben wir und
unsere getreuen Wittenberg, Aken, Herzberg, Prettin, Jessen, Kemberg,
Schmiedeberg, Belzig, Niemegk. Zu einem treuen Bekenntnis haben wir, Herzog
Rudolf und all unsere vorgenannten Städte diesen Brief besiegelt mit unsern
angehangenen Insiegeln, der gegeben ist nach Gottes Geburt dreizehnhundert Jahr
in dem achtundfünfzigsten Jahre des ersten Sonntages nach Sankt Gallen Tag.“
(Brachwitz,
Geschichtliche Bilder, 5. Ein Bündnis gegen die Raubritter, 11f; nach dem
Bericht der deutschen Gesellschaft zu Erforschung vaterländischer Sprache und
Alterthümer in Leipzig, 1845).
Nach
1420 büßten die Burgen jedoch
ihre Bedeutung durch das Aufkommen von Feuerwaffen ein. Der Kampf gegen die
Raubritter bekam höchste Priorität. 1495 konnte schließlich ein
„Allgemeiner Landfrieden“ geschlossen werden, der es verbot, sich einfach
das Gut des anderen aneignen zu können.
Slawen und
Deutsche lebten nun recht friedlich neben- und miteinander, die Ansiedlung von
Sachsen, Rheinfranken und Flamen brachte auch besseres Recht für die Ortsansässigen.
Bauern konnten nicht mehr als „Zubehör zum Boden“ verkauft werden.
Diebe
und Räuber gab es zu allen Zeiten. Manche aber haben sich in unserer Gegend
einen unrühmlichen Namen gemacht.
Im „Fehmbuch
der Stadt Zerbst“ ist 1480 als Grund einer Verurteilung vermerkt: „Hans Decker und Kaspar Tynemann um einen begangenen Mord und Straßenraub,
so sie in der Sydowschen (Seydaer) Heide einen von Leipzig, Czarmer genannt,
einen Fuhrmann, der Hecht geladen hatte, gemordet und ihm dazu seine Ware und
Habe genommen und diese nach Wittenberg geführt und dort feil gehalten und
etliche verkauft haben, und sofort hierher gekommen und an St. Katharinentag frühmorgens
auch feil gehalten. Sind sie von des genannten Czarmern Jungen, so sie den bei
sich hatten, gemeldet und angezeigt und ins Gefängnis gebracht
und dann von zwei Geschworenen, die vom Rat zu Leipzig geschickt waren,
gefordert, verhört und auf ihr Bekenntnis vor den Geschworenen des Rates zu
Leipzig und in Zerbst vor den geschworenen Fehmgrafen, vor denen sie alles
solches offenbar bekannt haben, mit Teer darum gestraft, ausgeschleift und mit
dem Rade gestochen, so ihr Verdienst geheischt hat.“ (Brachwitz,
Geschichtliche Bilder, 7., 14, aus Heine, Fehmbuch der Stadt Zerbst, 1912).
Ein gefürchteter
Pferdedieb, Räuber und Landplacker, der im Jahre 1492 auch in Zerbst
festgenommen werden konnte, war „Elstermann“. Lang ist die Liste seiner
Diebereien, darin auch verzeichnet ist: „Bei
Sydow (Seyda) hat er einer Frau 3 Schock genommen.“ 1 Schock waren 60
Groschen, 1 Taler zählte 24 Groschen. (Brachwitz,
Geschichtliche Bilder, 7. Pferdediebe, Landplacker und Kirchenräuber, 13).
Aus
dieser alten Zeit könnte auch der einen dreiviertel Meter hohe Staupestein
stammen, der zur Bestrafung kleinerer Vergehen vor der Stadt an der Straße nach
Jüterbog stand. Die überführten Täter sollten
darauf durch Stockhiebe büßen, sie wurden „gestäubt“, also
verhauen. Der Stein wurde beim Ausbau der Vorstadt immer wieder einmal verlagert
und zuletzt durch den Heimatverein auf den Markplatz gestellt. (Abbildung
in Brachwitz, Geschichtliche Bilder, 17). Er hatte seinen Platz ursprünglich auf
dem Felde, dann am Straßenrand an der Jüterboger Straße „gegenüber von Höhnes
Mühle“ (Brachwitz,
Heimatgrüße September 1917).
Später stand er (bis 1998) auf der Nordseite der Straße versteckt zwischen
Zaun und Hecke der ehemaligen Kinderkrippe.
Der Staupestein
soll einmal zur Erinnerung an eine furchtbare Bluttat aufgestellt worden sein:
Ein Bruder erschlug seinen Bruder, weil dieser das Mädchen bekommen sollte, was
nichts von ihm wissen wollte. (Ebenda.)
Seyda
war Sitz des Burgwards, das bedeutete, dass die Dörfer im Umkreis von diesem
Ort sowohl wirtschaftlich als auch kirchlich abhängig waren. Sie sollten hier
Schutz und Zuflucht in Notzeiten finden, hatten aber auch ihre Abgaben zu
leisten. Üblich war auch bei uns der „Kirchenzehnte“, also die Abgabe eines
Zehntels des Bodenertrages, des Viehs und des Handelsgewinns an die Kirche. Der
„Zehnte“ kommt schon in der Bibel vor.
(Hempel
bringt eine Kirchenzehntquittung aus Gölsdorf, was damals auch zu Seyda gehörte).
Schwere
Plagen waren nicht nur die Raubritter, sondern auch richtige Kriege, wie im 15.
Jahrhundert die Hussitenkriege, wo 1429 viele Dörfer verheert wurden. Aus dem
Jahre 1449 ist berichtet, daß Brandenburger die Dörfer verwüstet haben. Auch
Unwetter traf damals die Bevölkerung in viel stärkerem Maße als heute.
Für die Heereszüge
ihrer Herren hatten die Dörfer „Heerfahrtwagen“ zu stellen. So sahen sie
aus: „Die hintere Hälfte dieser Wagen
ist mit Leinwand überdeckt. Jeder von ihnen soll ausgerüstet sein mit zwei
guten Flechtkörben, zwei eisernen Schaufeln, zwei Radehauen, zwei Spaten, zwei
Aexten, zwei eisernen Ketten, zwei Sicheln, einer Sense, 16 Hufeisen, einem
Beschlagzeug mit einer Anzahl Hufnägel, einem Dreschflegel, drei anhängendem
Brett, einem Stäbiger und vier Pfählen, oben mit einem eisernen Pfahl
befestigt. An Proviant: drei Schock kleine Brote, ein „boschgen“ Butter,
eine halbe Tonne Käse, eine halbe Seite Speck, zwei Seiten Eßfleisch, ein
halbes Schock Stockfische und Flundern, ein Viertel Erbsen und eine Metze
Salz.“ (Brachwitz,
Geschichtliche Bilder, 15. Die Heerfahrtwagen der Dörfer in den Ämtern Zahna
und Seyda 1500, 24f; nach Bölke, Die Geschichte eines Flämingdorfes.)
Dass
in Seyda eine der ersten Pfarrstellen war, kann man auch an dem Kirchenland
sehen. Ludwig der Fromme, Sohn Karls des Großen, hatte verfügt, dass in seinem
ganzen Herrschaftsbereich Pfarreien eingerichtet werden. Weil er nun aber deren
Einrichtung und Bezahlung nicht aus seiner eignen Kasse auf Dauer sicherstellen
konnte, bestimmte er, dass zu jeder Pfarrstelle vier Hufen Land gehören
sollten. Das sind ca. 32 Hektar, die der Amtsinhaber entweder selber
bewirtschaften konnte (wie in unsere Zeit hinein geschehen, bis 1954) oder
verpachtete und aus den Einnahmen lebte.
Da das
Kirchenland zu keiner Zeit verkauft wurde, weil es ja allen Generationen zugute
kommen soll, die in Seyda leben und leben werden, kann man diese Flächen bis
heute in Gadegast und in Seyda nachweisen.
Außerdem gibt
es Land, dessen Einkünfte für die Erhaltung der Kirche bestimmt ist. Besonders
zu erwähnen ist das sogenannte „Petershölzchen“ am Mittelbusch. Davon
wurde der Altardienst an dem dem Heiligen Petrus geweihten Altar finanziert.
Ebenso gab es einen Altar, der der Jungfrau Maria geweiht war. Eine alte
Marienstatue gehörte zum Inventar des alten Seydaer Heimatmuseums, was 1960
aufgelöst wurde. Sie hat sich bisher nicht wieder angefunden.
„In
der Stadtkirche hatten die Jungfrau Maria und St. Petrus besondere Altarlehen,
wovon noch ein Stück Holz (das Petershölzchen) oder der sog. Mittelbusch herrührt.“
(HG 14,4).
Zur
Volksfrömmigkeit vor der Reformation gehörten auch in unserem Gebiet die
Wallfahrten. Man machte sich auf zu einem besonderen Ort, um dort das Heil für
Leib und Seele zu suchen. So zum Beispiel zum „Wallberg“ bei Dobien oder zum
„Bollensberg“ bei Apollensdorf. Vom Golmberg bei Stülpe ist uns darüber
ein Bericht zugänglich. Dort hatte das Kloster Zinna im Jahre 1435 eine
Marienkapelle erbaut, worin viele Reliquien ausgestellt waren. Pfarrer Dionysius
(1552-1626) schreibt darüber, wenn auch mit zeitlichem Abstand und in
polemischer Absicht: „Bei diesem Ablaß
auf diesem Golmberg (wie ich von meiner lieben Großmutter, welche persönlich
dabei gewesen, gehöret) ist sonderlich ein Markttag gehalten worden, dahin
allerlei Krämer gekommen sind aus den umliegenden Ortschaften und allerlei
Waren zu kaufen gebracht. Man hat auch da hinauf Bier ums Geld sowohl auch
Wasser für die Armen zu verkaufen gebracht, da man gesprungen, guter Dinge
gewesen, besonders die Kappenbrüder
(Mönche, T.M.).
Wenn sie ihre Messen ausgehöret und ihre
Säcke mit den Opfern gefüllet, sich auch nicht faul erzeiget und oft wohl
vielleicht mit den Bauerweiblein und Mägden hinter den grünen Büschen, wie es
denn die Gelegenheit des Ortes daselbst fein gibt, zusammen gesungen haben
werden. Einmal hat sich bei solchem Ablaß zugetragen, da sie auf diesem Berg fröhlich
und guter Dinge gewesen sind und vielleicht aus Andacht um das Kalb Moses
weidlich getanzt, ist ein großes Ungewitter heraufgezogen und hat das Wetter
unter diese Tänzer weidlich geschlagen,
da es dann einem Kerl die Schuhe von den Füßen geschlagen, aber ihn weiter
nicht verletzt noch Schaden getan, welche Schuhe hernach als ein großes Zeichen
und Wunderwerk aufgehoben worden
sind.“ (Brachwitz, Geschichtliche Bilder, 18. Wallfahrtskapellen, 28f;
nach Bölke, Die Geschichte eines Flämingdorfes, Zahna 1912, und Hoppe, Kloster
Zinna, München und Leipzig 1914).
Ein
Beispiel für den Ablaßhandel, wie er auch in Seyda üblich gewesen sein dürfte,
gibt es aus der Kirche in Schweinitz von 1502: „Jeden Donnerstag wird in Schweinitz zu Ehren des Leichnams des Herrn
eine Prozession abgehalten. Dabei darf die Monstranz, in welcher sich die Hostie
befindet, öffentlich und ohne Vorhang sowohl in der Kirche als auch außerhalb
derselben und um dieselbe herum unter Läuten der Glocken und mit Gefolge, auch
brennenden Kerzen, herum getragen werden. Alle, die ordentlich dabei ihre
Andacht haben und mit geweihtem Licht in der Hand der Monstranz folgen, sich
auch gegen die Kirche freigebig zeigen, erhalten hundert Tage Ablaß.“ (Brachwitz,
Geschichtliche Bilder, 19. Ablaß in der Kirche zu Schweinitz 1502, 29; nach
Thorschmidt, des Chur-Kreyßes Kirchen-Alterthümer 1733).
Dahinter steht die Vorstellung, dass man für seine Sünden nach dem Tod im
Fegefeuer büßen muß, je nach Größe der Sünde eine bestimmte Zeit. Durch
den „Schatz der Kirche“, den die Heiligen, die also besonders gut gelebt
haben, konnte diese einen „Ablaß“ gewähren. In diesem Falle haben die
Pilger also durch Gebet und Gabe einhundert Tage Ablaß vom Fegefeuer erhalten.
Diese und andere Mißstände in der Kirche riefen nach einer Reformation.
Abkürzungen:
F: Pfeifer, Viola: Feldsteinkirchen im Fläming. Ein kunsthistorischer Führer, Berlin 1997.
G: Geschichte Sachsen-Anhalts, Band I.
Hempel: Hempel, Fritz: Geschichte von Gölsdorf, Jüterbog 1954.
HG: Heimatgrüße, Evangelisches Monatsblatt im Kirchenkreis Zahna.
HK: Heimatkalender.