Faustball in Seyda.
Eine Urkunde von 1928 ist aufgetaucht.
„Faustball“ war der Vorläufer des Volleyball,
auf dem Bild kann man deutlich sehen, dass 2 gegen 2 über ein Netz spielen. Als
Sieger auf der Urkunde werden freilich 5 Personen genannt: J. Schulze,
Jackenholz, Götze, Möbius, Bergemann; anlässlich des 1. Stiftungsfestes der
Deutschen Jugendgemeinschaft „Am Pflug“; Seyda, den 15. Juli 1928.“ Freilich
sind die Nachrichten aus dieser Zeit rar – aber man kann etwas finden:
„Seyda. Wie uns mitgeteilt wird, findet am Sonntag, den
15.d.Mts. in der Landw. Lehranstalt ein Sportfest statt. Der in der Anstalt
bestehende Sportverein „Deutsche Jugendgemeinschaft am Pflug“ feiert sein
erstes Stiftungsfest. Am Vormittag sollen leichtathletische Kämpfe stattfinden,
während Faustball- und Fußballkampf
am Nachmittag ausgetragen werden. Besonders zu begrüßen ist die Teilnahme des
hiesigen Turnvereins „Frisch Auf“ an den Kämpfen, aus welchen beide Vereinigungen
weiteren Ansporn und neue Anregung empfangen werden. Abends sollen bei freiem
Eintritt Vorführungen im Schützenhaus stattfinden, wozu, wie bisher, Freunde
der Anstalt herzlich willkommen sind.“ (Seydaer Stadt- und Landbote, 12. Juli
1928). Die „Landwirtschaftliche Lehranstalt“ befand sich auf dem Gelände der
alten Arbeiterkolonie, dem heutigen Diest-Hof.
„Seyda, 16. Juli. (E.-B.) Zu dem am Sonntag, den 15. ds.
Mts. stattgefundenen Stiftungsfest der Jugendgemeinschaft „Am Pflug“ an der
hiesigen Landwirtschaftlichen Lehranstalt erhalten wir folgenden Bericht eines
Teilnehmers: Wer in den letzten Wochen seine Schritte zur Heide lenkte und
dabei am Sportplatze der Landwirtschaftlichen Lehranstalt vorüber schritt,
musste feststellen, dass hier in Kürze etwas Besonderes vor sich gehen werde.
Überall wurde geschaufelt und gehämmert; allerlei neue Spielgeräte aufgestellt
und eine Anzahl Sitzgelegenheiten geschaffen. – Nun war der große Tag gekommen.
Etwas zweifelnd schaute wohl manch einer in früher Morgenstunde zum Himmel und
bat den Wettergott, dass er auch diesen Sonntag zu einem Sonnentage werden
lasse. Gegen 10 Uhr wurden dann die sportlichen Wettkämpfe mit einer kurzen
Ansprache eingeleitet. Danach zogen etwa 80 Jungmannen, die bereits am
Frühgottesdienst in Morxdorf teilgenommen hatten, bei strahlendem Sonnenschein
zum Sportplatz. Es war eine Freude, auch für Unbeteiligte, dem fröhlichen
Treiben zuzusehen. Manch kräftig gebauter, gut durchgebildete
Körper zeigte den Erfolg einer dauernden Betätigung auf dem Gebiete der
Leibesübungen. Das sollten sich vor allen Dingen auch unsere Jüngsten merken,
welche heute alles hergaben, um ja den gestellten Anforderungen zu genügen. Sie
waren voller Begeisterung. Freude und Kampfeseifer strahlte aus allen Augen. Lasst
es kein Strohfeuer sein, ihr Jungen, sondern benutzt eure Freizeit zur
regelmäßigen Pflege der Leibesübungen. Sie sind für jeden und besonders für den
in der Entwicklung stehenden Menschen von größter Bedeutung. Eine besondere
Note bekam das Fest der Jugendgemeinschaft durch die Teilnahme des hiesigen
Turnvereins „Frisch Auf“. Mit Recht kann man sagen, dass beide Teile ihr Bestes
hergaben. Erinnern möchte ich nur an die 4mal 100 m Staffel, sowie an den 1000
m Lauf. Mit nur ganz geringem Vorsprung gelang es der Jugendgemeinschaft, in
beiden Läufen den Sieg an ihre Fahne zu heften, sodass man wohl von
gleichwertigen Gegnern sprechen kann. Eine weitere Bereicherung fand das
Stiftungsfest durch die Zusage des Fußballvereins Wartenburg, welcher mit zwei
Mannschaften heranrückte, von welchen die 2. Mannschaft mit dem Kranze
heimkehren konnte. Der Kampf ist beendet. Tiefe Stille herrscht jetzt auf dem
noch vor wenigen Stunden so belebten Sportplatze. Der Tag geht zur Neige.
Nochmals erlebe ich die ganzen Wettkämpfe. Unsre Losung heißt nun: Weiter üben,
nicht stehen bleiben! Stillstand wäre Rückschritt. Nicht Höchstleistungen eines
Einzelnen wollen wir erzielen, sondern wir sind uns bewusst, dass es darauf
ankommt, durch die Pflege von Leibesübungen jedem Einzelnen und somit auch
unserem Volke zu dienen.“ (Seydaer Stadt- und Landbote 17.7.28).
Dass der Turnverein „Frisch Auf“ beim Faustball gewann,
kann man also aus der Urkunde herauslesen („T.-V. Seyda“), da die Namen alle in
Seyda bekannt sind. Es war ein recht reger Verein. In den Einladungen zu den Turnstunden heißt es „Das Erscheinen
aller Turner ist Pflicht.“ Im August 1928 wurde des Turnvaters Jahn gedacht,
der Lehrer Schmalz hielt dazu eine Rede und stimmte mehrere Lieder an. Im
September gab es Pokalspiele mit Mannschaften der umliegenden Orte und die
„Reichsjugendwettkämpfe“ mit den Schulkindern der umliegenden Dörfer. „Am
Vormittag werden Faustballwettkämpfe stattfinden.“ Beim „Vereinswettturnen“ gab
es folgende Disziplinen: Gerätesechskampf.
Schlagballweitwurf (da tauchen die Namen der Urkunde wieder auf:
„Vereinsmeister“ ist Erich Götze mit 60,30 m, 1. Sieger Erich Schulze mit 58 m,
2. Sieger Erich Bergemann mit 56 m.). 100 m Lauf („Vereinsmeister“ Erich
Schulze 12,1 Sek., 1. Sieger Otto Jackenholz 13 Sekunden, 2. Sieger: Gerhard
Schulze 14 Sek., Richard Möbius 14 Sek., Erich Bergemann 14 Sek.). Weitsprung
(„Vereinsmeister“ Erich Schulze 5,40 m, 1. Sieger Gerhard Schulze 5,10 m, 2.
Sieger Erich Bergemann 5 m, 3. Sieger Otto Jackenholz 4,90 m, 4. Sieger Richard
Möbius 4,70 m). Und so geht es weiter beim Hochsprung („Vereinsmeister“ Gerhard
Schulze und Otto Jackenholz 1,30, 1. Sieger Erich Schulze 1,25 und Erich
Bergemann 1,25); beim Kugelstoßen („Vereinsmeister“ Erich Schulze 9,20 m, 1.
Sieger Gerhard Schulze 9,20 m, 2. Sieger Otto Jackenholz 8,10, 3. Sieger
Richard Möbius 8 m); dem Gerätesechskampf der Jugend (1. Sieger Richard Möbius,
2. Sieger Erich Bergemann, 3. Sieger Otto Jackenholz, 6. Sieger Erich Götze)
sowie beim Volkstümlichen Dreikampf (bestehend aus Hochsprung, Kugelstoßen und
100 m Lauf („Vereinsmeister“ Erich Schulze, 2. Sieger Otto Jackenholz, 3.
Sieger Richard Möbius, 4. Sieger Erich Bergemann, 6. Sieger Erich Götze).
Auf der Urkunde sind also tatsächlich die größten
„Sportskanonen“ Seydas dieser Tage festgehalten.
„Nachmittags 2 Uhr fand dann der Auszug nach dem
Sportplatze statt, der gemeinsam mit dem Auszug der Schulkinder anläßlich der
diesjährigen Reichsjugendwettkämpfe durchgeführt wurde. Der Nachmittag war mit
Turnen und Spielen voll ausgefüllt, abends fand der gemeinsame Einzug gegen 6 ½
Uhr nach dem Marktplatz statt. Die Mitglieder des Turnvereins vereinigte abends
dann noch im Schützenhaussaale ein äußerst gemütlicher Vereinsball.“
1936 wurde auf Betreiben des Arztes Dr. Kaatz, von Erich
Schulze –Sportler und bei der Stadt tätig – und von Paul Lück, dem Kämmerer,
ein Volleyballfeld mit einer 2 bis 3 Meter hohen Umzäunung angelegt, auf dem
alten Sportplatz in der Jüterboger Straße. Nur ein einzeln stehender alter Baum
auf dem Feld erinnert noch an den Ort der alten Sportstätte.
Sport hat in Seyda also lange Tradition. Und in gleicher
Disziplin hat der CVJM Seyda 3 x hintereinander ein
Mitternachtsvolleyballturnier für Sachsen Anhalt gewonnen, 2014, 2015 und 2016.
Die Pokale stehen im Gemeinderaum.
Frau Gerlinde Möschl-Elster, deren Mutter Marianne eine
geb. Sauermann war, hat Seydaer Wurzeln und diese Urkunde dem Heimatverein
geschenkt.
Aus dem „Seydaer Stadt- und
Landbote“, Juli bis September 1928. Vielen Dank an Frau Birgit Weiß für das
Öffnen des Heimatmuseums für diese Recherche!