Eins. Zwei. Drei.
„Kommt, wir bauen eine Kapelle!“
Plötzlich sind wir in dem Gebiet mit der höchsten
Kapellenneubaudichte der Welt…
Doch
darauf kommt es nicht an, sondern auf die Liebe. Die Liebe, mit der die Kapellen
gebaut worden sind – und mit der sie genutzt werden. Und vor allem auf die
Liebe, die uns von dort entgegenkommt. Das Aufgehobensein, der Trost, die
Freude. Dafür sind die Kapellen Orte, und zwar niederschwellige Orte – man kann
einfach hineingehen. Man kann Gott finden, sein Wort für das Leben. Dafür sind
sie da. Und natürlich kann man die Gemeinschaft finden. Dass da noch einer da
ist, „zwei oder drei in meinem Namen“. Dass sich da Berge versetzen lassen, der
Resignation, des Leides, des Unfriedens. An dieser Stelle.
10 Jahre
Kapelle Mark Zwuschen:
-
viel Grund, Dank zu sagen!
„Herr, ich habe lieb die Stätte
Deines Hauses
und den Ort, da Deine Ehre wohnt.“
Psalm
26,8
Für
Frau
Dorit Lorenz,
Gründungsmitglied
des Kapellenvereins,
am 5.
Juli 2022,
für
Herrn
Heiko Meißner,
Vorsitzender
des Vereins
„Kapelle
Mark Zwuschen“
am 7.
Juli 2022
und für
alle,
die am
Bau und der Unterhaltung derKapellen
mitgewirkt
haben und mitwirken.
Vor 10 Jahren, am 17. August 2012, wurde die Kapelle
in Mark Zwuschen eingeweiht. Es war in gewisser Weise eine Sensation: Lagen
doch die letzten Kirchenbauten in unserer Gegend mehr als 100 Jahre zurück. Und
war nicht gerade Mark Zwuschen einen deutlich anderen Weg gegangen: Neu
begründet nach 1945, mit dem Bruch auch alter Traditionen?
Nun
sind es – wer hätte das gedacht, nach 10 Jahren schon drei Kapellen: 2016 in
Listerfehrda eine „Kapelle der Begegnung“, 2020 in Seyda die „Kapelle zum Guten
Hirten“ auf dem Diest-Hof.
„Hier kann man noch mit
den Erbauern sprechen!“ – das stellten zuerst Studenten des Valpariso
University Chorale aus der Nähe von Chicago fest, die auf ihren Tourneen in so
vielen großen Kirchen sangen. Der Dirigent, Christopher Cock, war jedes Mal
verzückt über die kleine Kapelle – er stellte fest, dass sie zuhause in einem
der größten Kirchengebäude der USA singen – in seinem „office“ aber hat er
Bilder der Kapelle Mark Zwuschen aufgehängt.
Wie begann es? Die Idee war nicht von mir, bei allen
drei Kapellen nicht. Der Gedanke, in Mark Zwuschen ein Gotteshaus zu bauen, ist
tatsächlich schon älter. Zunächst war es ja schon in der Reformationszeit eine
„wüste Mark“, und dann lange Zeit nur Ort einer Schäferei. Freilich, von großer
Bedeutung für die Superintendentur und später „Oberpfarre“ in Seyda, denn die
ganze Feldmark gehörte der Kirche. Jedoch war es dem Pfarrer zu Beginn des 20.
Jahrhunderts leid, die Pachtverhandlungen zu führen. Die Bauern aus Seyda
beschwerten sich, für den langen Weg hinauf nach Mark Zwuschen auch noch
bezahlen zu sollen. So gab es die große Idee, das Land zu verkaufen und das
Geld in Aktien anzulegen. Dies geschah 1908, für 107.000 Reichsmark –
vielleicht auch deshalb, weil 1907 noch Kohlevorkommen vermutet worden waren –
ein sehr großes Vermögen. So floss das Geld „von alleine“. Aber nicht lange.
1923, in der Zeit der Inflation, war alles verloren. Die Seydaer waren bisher
sehr verwöhnt gewesen: Sie brauchten zur Unterhaltung von Kirche und Pfarrhaus
fast nichts beitragen – durch die großen Pachteinnahmen. Die Seydaer
Pfarrstellen gehörten zu den bestbezahltesten in ganz Mitteldeutschland. Aber
nun wurde das anders. Mark Zwuschen hat damit unmittelbar zu tun.
Das
schöne Gutshaus im Jugendstil wurde durch den neuen Besitzer gebaut – und da
nicht alle etwas von Landwirtschaft verstanden, gab es auch Wechsel. Zum
Schluss war ein Herr Norte Gutsbesitzer, der recht moderne Methoden einführte,
etwa bei der Bewässerung, und der auch im Krieg freundlich mit den
„Fremdarbeitern“ umging. Er dachte deshalb, nicht fliehen zu müssen, und ist
doch in einem sowjetischen Lager 1945 umgekommen.
Mit
der Bodenreform 1946 bekamen in Mark Zwuschen aus dem alten Gutsland viele
Familien, die ihre Heimat durch den Krieg verloren hatten, eigenes Land. Das
Dorf wurde planmäßig gebaut, noch heute kann man die Anlage der Siedlungshäuser
um das alte Gutshaus herum gut nachverfolgen. Und die da kamen, waren zum
großen Teil fromme Leute – obwohl oder vielleicht gerade, weil sie so viel
Schlimmes erlebt hatten. Im Protokoll des Gemeindekirchenrates Morxdorf ist
unter dem 1. Mai 1949 lesen:
„Punkt 1: Gründung der
Kirchengemeinde Neuheim. Der Gemeindekirchenrat nimmt Kenntnis, dass der
bisherige Ortsteil Zwuschen demnächst eine politisch selbständige Gemeinde mit
dem Namen Neuheim wird. Da in Neuheim, das ca. 3 ½ km von Morxdorf entfernt
ist, ca. 30 evangelische Familien wohnen, die ihre kirchliche Treue durch guten
Besuch der Gottesdienste in Morxdorf und hervorragende Ergebnisse bei den
Hauskollekten unter Beweis gestellt haben, besteht der Wunsch, eine selbständige
Kirchengemeinde zu schaffen, um den Gemeindegliedern günstigere Möglichkeiten
für die Pflege ihres Gemeindelebens zu bieten und die 3 ½ km betragende
Entfernung nach Morxdorf auszuschalten. Die Gemeindeglieder Neuheim erklären
sich bereit, der Kirchengemeinde den Baugrund für eine ihren Bedürfnissen
entsprechende Kirche zu überlassen und selbst tatkräftig beim Bau der Kirche
mitzuwirken. Der Gemeindekirchenrat beschließt einstimmig, diesen Antrag zu
genehmigen u. zu unterstützen, zumal zwischen den politischen Gemeinden
Morxdorf u. dem zukünftigen Neuheim eine Einigung über die Baulastenverteilung
an der Oberpfarre Seyda erzielt ist.
v(orgelesen) g(esehen)
u(nterschrieben)
Schlüter, Kapphammel, Hermann Schulz,
August Gresse.
geschl(ossen) Hagendorf“.
Ähnliche
Beschlüsse gibt es vom gleichen Tag aus Mellnitz und 3 Tage später aus Seyda.
Es kam dann alles ganz anders. Ein paar Jahre fehlen
im Protokollbuch… Mark Zwuschen sollte ein sozialistisches Dorf werden. Da war
kein Platz mehr für eine Kirche. Pfarrer Hagendorf hatte Streikführer vom 17.
Juni 1953 aus Bitterfeld versteckt – und war danach inhaftiert worden. Die
Kirche schien auf der Seite der alten Machthaber zu sein.
Max
Priedigkeit war aus Ostpreußen nach Mark Zwuschen gekommen. Er baute 1953 an
einem Pumpenhäuschen. Er erzählte mir, wie plötzlich eine schwarze Limosine
vorfuhr und Männer in schwarzen Lederjacken ausstiegen. „Leg die Kelle weg! Du
baust hier eine Kirche! Das wollen wir nicht.“ Es hat wohl länger gedauert, bis
er die Gäste davon überzeugen konnte, dass er dort keine Kirche bauen wollte.
Licht auf die folgenden Jahrzehnte brachte eine
Versammlung in Mark Zwuschen, wo es um die Gestaltung der Türen der Kapelle
gehen sollte: Welche biblischen Geschichten könnten da dargestellt werden?
Welche sind uns selbst wichtig, und welche wollen wir an die nächsten
Generationen weitergeben? Es gab Entwürfe, und ich fing fröhlich an, zu
erzählen. Doch schon nach der zweiten wurde ich unterbrochen: „Wir kennen doch
die Geschichten. Wir hatten doch Christenlehre!“ Tatsächlich, der alte Diakon
Solbrig aus Seyda, so hörte ich, fuhr zu gern nach Mark Zwuschen. Schon eine
Stunde vor Unterrichtsbeginn bekam er einen großen Teller Schnitten – das war
bei dem schmalen Gehalt, was er hatte, ein guter Grund, früh zu kommen. Und
dann fand die Christenlehre statt – in Mark Zwuschen, im Haus des
„Abschnittsbevollmächtigten“, dem Ortspolizisten, den damals jeder Ort hatte.
Seine Schwiegermutter war sehr christlich und hatte das durchgesetzt. Und so
wurden aus Mark Zwuschen zwar nur wenige getauft und konfirmiert, aber die
Christenlehre ist doch von vielen besucht worden.
Ein
wichtiger Mosaikstein, dass es nicht einfach Schwarz und Weiß gab und gibt…
Es
ist jedenfalls auch zu beobachten, dass es in den 50iger Jahren noch einmal
Bewegungen gab: Etliche zogen weg, in den Westen – sie hielt hier nicht viel,
hatten sie doch ihre eigentliche Heimat verloren – und andere, die den neuen
Weg mitgehen und gestalten wollten, kamen. Aber auch sie brachten ihre
Traditionen und oft auch ein Stück ihres Glaubens mit. Ich denke an eine Frau,
die bis ins hohe Alter die „Frohe Botschaft“ las, eine fromme Zeitung, die es
auch in DDR-Zeiten gab, in West-Berlin gedruckt – und ihr Mann hielt
gleichzeitig „weltanschauliche“ Vorträge ganz im Sinne der DDR.
Ganz
persönlich habe ich das dann bei Kinderkirchenferientagen, also einem
Zeltlager, was wir 1998 in Mark Zwuschen haben konnten, erlebt. Wir bekamen
alles, was wir brauchten: Im Gutshaus war ein alter Kindergarten gewesen – also
gab es reichlich Waschgelegenheiten, ein altes NVA-Zelt ergänzte den
Raumbedarf, und die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung bei „Dorfspiel“ und
Kuchenbacken – auch für 25 zusätzliche Gäste aus Polen – war groß. Eine
Wanderleitung stand zur Verfügung, wir wanderten nach Gielsdorf, wo wir unter
der sich drehenden Mühle Nudelsuppe bekamen – und unterwegs wurde mir von dem
alten Militärflughafen Mark Zwuschen erzählt. „Ja,“ sagte ich, „irgendwie kommt
mir das bekannt vor – mein Großvater war bei der Luftwaffe, und es könnte sein,
dass er hier auch gelandet ist.“ – „Ja, da haben Sie doch bestimmt noch ein
Papier von damals, wo Mark Zwuschen vorkommt! Das wäre doch interessant für
unser Heimatmuseum!“ – „Ja – aber ob ich das möchte, dass mein Großvater
Meinhof hier auf solche Weise genannt wird…“ – „Ja, es ist nicht einfach mit
der Geschichte…“ Man muss ihr offen begegnen und von der Vergebung wissen, von
der man selbst lebt. Eine wichtige Botschaft, die durch die Kapelle
transportiert werden kann. Es war nicht einfach, gerade für den Petrus, der
immer so vorneweg war – nach Ostern, nach allem, was geschehen war. Jesus geht
auf ihn zu, ganz persönlich – und schenkt ihm den „Schlüssel“, auch anderen das
„Himmelreich“ aufzuschließen. Bei Paulus ist es eine ähnliche Geschichte.
Bei jenem Kinderzeltlager entstand schon mal eine
Kapelle – denn wir brauchten ja eine. Thema war die Arche Noah, und so bauten
wir uns eine „Arche“ wie eine Kirche, mit Wänden aus Bettlaken, Gestühl aus
Bänken, einem Glockengeläut aus einem alten Entsafter – mehrstimmig! – und
einem schön geschmückten Altar. Das Holzkreuz, von Meister Schudde aus Seyda
gebaut, ist heute noch im Gemeinderaum in Seyda zu sehen.
Und dann kam das Jahr 2007. Zum Neujahrsgottesdienst in Seyda hörten
wir die neue „Jahreslosung“: Gott spricht: „Siehe, ich will ein Neues schaffen,
jetzt wächst es auf: Erkennt Ihr es nicht?“ Die Frage war klar: Was ist nun das
Neue? Es war ja nur eine kleine Runde zusammen, am Neujahrsmorgen, nach dem
Gottesdienst stießen wir mit Sekt an, und einer meinte: „Klar. Mark Zwuschen
braucht eine Kapelle. Ich würde ein Stück Land hergeben.“ Das war Frank
Hellner, der mit seiner Familie gerade ein Stück der „alten LPG“ in Mark Zwuschen
erworben hatte und meinte: „Bedingung wäre, dass ich einen Schlüssel bekomme.“
Damit
war der Gedanke in der Welt.
Am
3. Januar las ich in der Zeitung, dass in Ost-Berlin die erste Moschee gebaut
werden sollte. Was war dazu zu sagen? Oder was war zu tun? Ganz klar: Die beste
Antwort war: Selbst eine Kapelle bauen.
Ich
musste später manchmal schmunzeln, wenn jemand fragte: „Wie weit ist es denn
mit Eurer Moschee?“ – weil es überhaupt nicht denkbar war, eine neue Kirche zu
bauen – aber Moscheen entstanden nun überall im Land.
Zum
traditionellen Neujahrsbesuch beim Jessener Bürgermeister wunderte ich mich.
Wusste er Bescheid? Er erzählte mir sehr ausführlich, dass der Feldweg von
Seyda nach Mark Zwuschen demnächst ausgebaut werden solle, die Mittel der Stadt
seien bereits eingestellt…
Am
31. Januar 2007 wurde die Idee im Morxdorfer Gemeindekirchenrat beraten. Mark
Zwuschen gehört zur Kirchengemeinde Morxdorf. Es gab eine positive Resonanz.
Kostenschätzungen sollten eingeholt werden.
Im
Februar 2007 legte Bauingenieur Werner Leonhardt aus Ruhlsdorf, dort
Kirchenratsvorsitzender, einen Entwurf vor: Rechteckig, mit Vorbau. Die erste
Zeichnung! Dazu kamen Kostenangebote von verschiedenen Firmen.
Zum
Geburtstag im April bekam ich einen Entwurf von Zimmermeister Werner aus
Gadegast auf den Tisch. Dazwischen hatte ein Traum gelegen.
Ich hatte Meister Otto Werner gefragt, wie weit denn
ein Balken frei tragen kann – und er hatte von 5 Metern gesprochen. Ich war ein
wenig enttäuscht, denn damit schienen die Möglichkeiten ja sehr begrenzt. 5 mal
5 Meter…
Ich
war zu Besuch bei meinen Eltern in Heiligenstadt – und wachte mitten in der
Nacht um drei Uhr auf: „Das ist es!“ Gleich machte ich das Licht an und
skizierte es: Wenn man einen Kreis von 7 Meter Durchmesser nimmt, dann kann man
die Balken im Quadrat darin 5 Meter herüberlegen… Die Idee für den runden Bau
war geboren.
Nun ging es aber zunächst um die Standortfrage.
Markus Hellner meinte, am Ende der Straße – und damit von weitem sichtbar, das
wäre doch gut. Tatsächlich war da ein schmaler Weg auf der Landkarte
eingezeichnet, den es schon lange nicht mehr gab und der die gerade Wegführung
fortsetzte. Und dieser Weg gehörte der
„Treuhand“, wie man sagte, der „BVVG“, eine Frau Abraham vom Amt bestätigte mir
das. Also ging ich zu Seydaland, mit wenigen Klicks zeigte mir Herr Fromm am
Computer die Flächen. Der Gedanke war, diesen Weg zu erwerben und dann mit
Seydaland zu tauschen – so dass auf der Spitze des Landes die Kapelle stehen
könnte. „Ja, wenn es keine Kathedrale wird.“ meinte er lächelnd.
Im
Mai 2007 war die Bauamtsleitung der Stadt Jessen vor Ort und sicherte
Unterstützung zu, es gab eine Bestätigung über den Standort an der Kreuzung,
also etwa 10 Meter von dem jetzigen entfernt.
Aber
es war doch nicht so einfach, schon mit einem potentiellen Stromkabel über die
Straße…
Schließlich
kam Familie Bozinovski dazu. „Ich weiß, wie man das macht! Wir haben das in
Mazedonien öfter. Jeder muss etwas beitragen, dann wird es! Wir stiften das
Land!“ Wir durften uns sogar die Größe aussuchen… Doch das kam erst später.
Eine Kapelle für Mark Zwuschen – ja, und auch für
die Heide, und für die Radfahrer. Im Oktober 2007 kam ein Projekt zum Abschluss
und wurde gefeiert: Die Radwegverbindung von Elberadweg und FlaemingSkate über
Seyda, der „Seyda-Elbe-Radweg“, war fertig ausgeschildert und damit in der
Folge in die deutschlandweiten Radfahrkarten eingetragen. Wir hatten uns extra
an alle Vorschriften der Standardisierung gehalten, viele solche
Geschichtsheftchen sind dafür geschrieben und verschenkt worden (und eine
entsprechende Spende zurückgekommen, denn es brauchte am Ende 6.000 Euro). Eine
geniale Idee, vom Sproß der alten Müllerfamilie aus Naundorf, dass es eben nur
14 Kilometer sind bis zur Elbe. Wir fuhren in der Folge zur ITB –
„Internationale Tourismus-Börse“ - nach Berlin und warben zwischen Frankreich
und Indien für unseren Radweg und unsere Gegend. Wir kamen in den
entsprechenden Flyer – auch die Kapelle wurde später eingezeichnet – und es ist nun tatsächlich
die kürzeste Radwegverbindung zwischen Berlin und Dresden – wenn sie auch immer
noch nicht befestigt ist!
Im
Kalender des Pfarrbereichs für 2008 erschien dann schon einmal ein Bild des
Entwurfes, im Dezember 2007 wurde ein Antrag auf Vorbescheid beim Landkreis
gestellt. Es gab eine längere Verhandlungsphase. Ich lernte, dass Kirchen nur
in Dorfmittelpunkten gebaut werden dürften. „Und wie ist es in katholischen
Gegenden, da stehen doch Kapellen auch mitten im Wald!“ – „Ja, aber wir sind
hier keine katholische Gegend…“ – Als ich nun zum wiederholten Male da war,
rief die Mitarbeiterin ein Luftbild auf und fragte: „Also wohin, sagen Sie doch
noch einmal…“ Auf dem Bild waren noch Dächer auf den Scheunen, offensichtlich
schon etwas älter… „Also, wenn sie noch 5 Meter herübergehen, da könnte man ja
sagen, es ist wenigstens angrenzend zur Bebauung…“ – So bekamen wir den „grünen
Stempel“, und nicht nur hier hatte ich den Eindruck, dass die Leute dachten:
Das schaffen die sowieso nicht, da eine Kapelle zu bauen… - da können wir ja
zusagen.
Und
so sagten viele im Vorfeld zu, die alten Gleichnisse vom „Hören“ und vom „Tun“
kamen dann wieder zum Vorschein; mancher, der erst zögerlich war, tat dann viel
mehr als die anderen.
Im Juli 2008 gab es eine denkwürdige Versammlung auf
der Wiese, wo jetzt die Kapelle steht. Bierzeltgarnituren waren im Kreis
aufgestellt, und es gab sechs verschiedene Entwürfe – und eine einmütige
Entscheidung für den einen.
Das
Baubüro Eule wurde mit der Entwurfsplanung und der Kostenschätzung gemäß des Gemeindekirchenratsbeschlusses
aus Morxdorf beauftragt. Im September 2008 gab es eine ausführliche Vorstellung
im Gemeindekirchenrat Seyda – wie damals, 1949 – mit dem Beschluss, die Kapelle
als „Gemeindeprojekt“ zu unterstützen. Eine Vorstellung in Morxdorf führte zu
dem Vorschlag, es doch der Kirchengemeinde Seyda zu übertragen. Im Oktober
beschloss der Seydaer Kirchenrat dann, das GemeindeAufbauProjekt anzunehmen und
zu starten. Entsprechend wurden wie auch sonst bei Baudingen üblich ein Antrag
an den Kirchenkreis gestellt und eine Baugenehmigung beim Landkreis beantragt.
Es
gab dann kontroverse Diskussionen, auch in einer gemeinsamen Sitzung der
Gemeindekirchenräte des Pfarrbereichs. Es war durchaus etwas Neues,
Ungewöhnliches, Noch-Nicht-Dagewesenes – und der Druck, den der Kirchenkreis
hat mit „Baulasten“ und sehr vielen, zum Teil baufälligen Kirchen, stand
dahinter. Ausgerechnet in Mark Zwuschen eine Kirche? Ist das nicht wie „Fisch
fährt Fahrrad“?
Noch
eine Baulast? Noch eine Predigtstelle? Das schien aus dieser Sicht überhaupt
nicht vernünftig zu sein.
Es ging um die Frage: Was wollen wir? Und es kam
heraus, dass es am Ende nicht um die Steine geht, sondern um die Gemeinschaft.
Das Evangelium wagen, ihm die Zukunft zu glauben, dass wir diesen Ruf nach
Frieden, nach Vergebung, nach Liebe brauchen – und auch unsere Mitmenschen
hier.
„Lohnt
sich das?“ Oder: „Hat sich das gelohnt?“ – kann man nach 10 Jahren fragen, und
natürlich manche Feier, manche Taufe aufzählen. Denken muss ich dann an den
Grafen Zinzendorf, der seine Bauern losschickte zur Mission an die Enden der
Erde, gerade dahin, wo die anderen nicht hingingen, zum Beispiel nach Grönland
oder Madagaskar. Und der ihnen auf die Reise – die ja oft eine Reise ohne
Wiederkehr war – mitgab: „Wenn Ihr nur einen für Christus gewinnt, dann hat es
sich gelohnt!“ Das ist tatsächlich so. Wie will man das aufwiegen, wenn jemand
diesen Trost, diese Hoffnung für sein
Leben hat? Das ist unbezahlbar.
Erinnern
kann man sich auch an den Bau der Kirche in Gentha: Nach einer alten Erzählung
hat die Kurfürstin Hedwig den vier nach großen Kämpfen verbliebenen Einwohnern
– zwei Witwen und zwei Witwer – Ackergerät und Vieh gegeben zum Neubeginn – und
eine Kirche, zum Trost und zur Hoffnung. Das hat sich gelohnt.
Nun, die Antragstellung für die Kapelle in Mark
Zwuschen ging in den Kreiskirchenrat und wurde intensiv geprüft und beraten; es
kam der Vorschlag, die Kapelle doch mehr in den Ortsmittelpunkt zu bauen, damit
sie gut erreichbar wäre – und eine große Versammlung einzuberufen. Ich war mir
nicht sicher, ob das zarte Pflänzchen so eine harte Diskussion vertragen hätte
– die Argumente der Resignation – also die „Zeichen zurückzusetzen“, Kirchen zu
schließen – waren stark, und natürlich auch viele Menschen dafür empfänglich.
Und wie hätte eine Entscheidung ausgesehen – hätte die Mehrheit dieser
Versammlung entschieden, oder wer? Es war klar, dass der Kirchenkreis solch ein
Experiment aufgrund großer „Baulöcher“ nicht angehen konnte.
So
wurde der Verein „Kapelle Mark Zwuschen“ gegründet, der die Sache nun in die
Hand nahm. Damit war der Kirchenkreis „befreit“ – und auch entsprechende
Genehmigungen musste es nicht mehr geben. 10 Menschen fanden sich, aus Mark
Zwuschen und aus Seyda, die mit ihrem Namen dafür einstanden, die Kapelle zu
bauen. Aus ganz verschiedenen Hintergründen, mit unterschiedlichen
Überzeugungen, aber doch mit diesem einen Ziel verbunden.
Doch
es war noch ein weiter Weg.
55.000 Euro hatte das Baubüro berechnet, würde ein
Bau kosten – aber es war uns klar, dass wir es ja in Eigenleistung schaffen
wollten. Es ging ja um die Beteiligung vieler – nur das ist in dieser Sache
nachhaltig.
Und
55.000 Euro – woher? Ein Förderantrag wurde gestellt, wie viele damals – und er
wurde abgelehnt. In der Zeitung stand das groß – aber auch, dass trotzdem
weitergemacht wird!
Manchmal
waren wir schon so weit, zu sagen: Dann machen wir einfach ein Kreuz auf einen
Hügel. Das ist ja auch ein Anfang. Aber mir war klar: Wenn wir alle Kräfte
bündeln und jeden Tag ein Stück dafür tun, dann kann es etwas werden.
Schließlich
kam mit der Dienstpost eins von vielen Schreiben, eine Initiative „Andere
Zeiten“ aus Hamburg, die sich für das Kirchenjahr einsetzt – und Projekte
unterstützt. Dort schrieb ich hin – und bekam Antwort. 25.000 Euro! Nun konnte
es losgehen. Schritt für Schritt.
Ein
langer Weg! Am Ende sind es tatsächlich – trotz aller Eigenleistung – 55.000
Euro geworden. Und wie froh war ich, dass wir kurz darauf die Morxdorfer Kirche
für 110.000 Euro – also genau das Doppelte – sanieren konnten – übrigens auch
wieder mit Unterstützung von „Andere Zeiten“! Es war also völlig klar, dass die
alten Kirchen (sie wurden alle saniert) auch reichlich abbekamen.
Es
war am Ende wie bei der Speisung der 5000, die mit den fünf Broten und den zwei
Fischen beginnt, die ein Kind bringt – und dann bleiben 12 Körbe Brocken übrig,
nachdem alle satt sind.
Der
blaue Bus zum Beispiel, seit Jahren eine große Hilfe in unserem Pfarrbereich
und darüber hinaus: Den haben wir wirklich der Kapelle zu verdanken. Da war mal
eine Frau da von jenem Verein aus Hamburg, zu schauen, was geworden ist. Und
sie wurde gefragt: „Was unterstützen Sie denn sonst so?“ „Ja, da ist so ein
Pfarrer in Mecklenburg, der hat an zwei Orten Christenlehre, der brauchte
dringend einen Bus.“ Das klang mir in den Ohren… Christenlehre haben wir ja
auch… Kurz vor Weihnachten ging mein 22 Jahre alter Bus kaputt. Was tun? Ich
bat „Andere Zeiten“. Und wir bekamen ein großes Weihnachtsgeschenk!
Aber zunächst wurde die Kapelle gebaut.
Meister
Sommer kam und maß aus, ein Kreuz aus Bindfaden markierte den Mittelpunkt. Dann
wurde gemauert, kreisrund. Da gibt es ein schönes Bild, mit Herrn Käßner und
Herrn Meißner und unter der Überschrift „Komm, wir bauen eine Kapelle!“ Das war
eine Aufbruchstimmung!
Die
Leute aber wunderten sich: Die mauern und mauern, aber keine Tür und kein
Fenster…
Nun,
die Kapelle sollte ja auf einem kleinen Hügel stehen. Ein Berg gewissermaßen.
Wichtige Dinge in der Bibel fanden ja auf einem Berg statt. Und man geht hinauf
– und ist „aufgehoben“ bei Gott, und
dann geht man wieder herunter. Das hat etwas. Wir wollten gern so einen Berg.
Außerdem würde man so die Kapelle weiter sehen können…
Aber
es ist gar nicht so leicht mit dem „Berge versetzen“. Das frisch Gemauerte
musste also zugeschüttet werden. Womit? Ich rief Bürgermeister Rauhut an, aus
Niedergörsdorf. Einer der ersten, der Unterstützung zugesagt hatte. Im Rahmen
der Interessengemeinschaft „Elbe-Seyda-Radweg“ lernten wir uns kennen, und ihm
war klar, dass es für „seine“ Orte Ausstrahlung haben würde, wenn wir zum Ziel
kommen. Ich rief also an, von Mark Zwuschen aus. Und tatsächlich, nach ganz
kurzer Zeit – ich denke, es war nur eine Dreiviertelstunde – kamen große
Sattelschlepper und kippten so etwas wie Steinmehl ab. Da war gerade eine
Entsorgung gelaufen. Und wir bekamen das alles – geschenkt.
Doch
nun war es an die richtige Stelle zu bringen. Herr Hans-Karl Heepe hat
mitgeholfen, zu schippen. Viele, viele Stunden, bei Tag und in der Nacht. Wir
bekamen Respekt vor dem „Berge versetzen“. Überhaupt vor den Menschen, die vor
vielen Jahrhunderten ohne all unsere Technik Kapellen bauten – viel größer, als
unsere, und sie stehen!
Nach
langer Zeit war der Hügel geschafft. Er musste dann noch ein wenig kleiner
werden, nicht 1 Meter, sondern nur 80 cm. Weil da plötzlich eine Vorschrift
auftauchte für die Höhe der Türen. Da brauchte es noch 20 cm…
Und
dann ging, nach Ostern, Meister Sommer ans Werk. Das sah dann schon nach etwas aus.
So rund, und mit den kreisrunden Fensteröffnungen. Er hatte eine Schablone mit,
eine alte – später erkannte ich die kreisrunden Scheiben in Jessen am alten
„Drushba“-Kulturhaus, heute Dänisches Bettenlager, wieder! Immerhin, aus der
Gegend – so ähnlich werden sie das früher auch gemacht haben.
Kreisrund,
und mit diesen 12 Fenster für die Jünger und dem Christusfenster nach Osten.
Das war nun schon zu sehen, und es sollte stehen für die verschiedenen
Menschen, Temperamente, Konfessionen, Überzeugungen: Wie es bei den Jüngern
auch war. Und doch miteinander verbunden!
Es
gibt tatsächlich antike Vorbilder! Aber die fand ich erst später. Als die
Baugenehmigung endlich abgegeben war, eine dicke Mappe, vorn hatte ich in Farbe
mit Tusche die Kapelle gemalt in bunten Farben, im Hintergrund ein Zeltlager –
als ich diese Genehmigung abgegeben hatte, lehnte ich mich zurück und schlug
die Zeitung auf - und erstarrte. Da
stand sie, auf dem Bild deutlich zu sehen! Unsere Kapelle! Auf einem grünen
Hügel in einem wunderschönen Park! Was war das? War es mir zu Kopfe gestiegen?
– Ich schaute genauer hin… Es war die Synagoge im Wörlitzer Park. Sie sieht
ganz ähnlich aus. Und ich las dann von den Römern, die auch schon einen
ähnlichen Tempel hatten.
Nein,
wir haben nicht dort abgeschaut. Ich hatte ja meinen Traum gehabt… Das Dach
sollte das „Behütet-Sein“ ausdrücken.
Und
die Türen, die großen Türen, sollen für Glaube, Liebe und Hoffnung stehen. Die
drei Dinge, die immer bleiben, wie Paulus schreibt. Aber natürlich kann man auch
daran denken, dass man in die Kirche eintreten kann – und austreten. Aber dann
auch wieder eintreten!
Die
Türen sind natürlich dazu gedacht, dass es manchmal eine größere Feier werden
kann. Dann kann man sie öffnen und alle sind dabei.
Am Anfang machten wir uns viele Gedanken um das
Verschließen. Eine Automatik war im Gespräch, wir hatten auch einen
Spezialisten dafür, Jakob Biber. Um das tägliche Auf- und Zuschließen zu
vereinfachen, sollte dies automatisch geschehen. Aber: Es durfte ja keine
Mausefalle werden! Am Ende hat sich das wunderbar geklärt. Es wurden zwar 10
Schlüssel angeschafft, für jedes Mitglied einen. Aber gebraucht werden sie
selten. Die Kapelle ist Tag und Nacht geöffnet. Und das ist wahrscheinlich der
beste Schutz.
Wunderbar, der Rohbau. Jetzt war etwas zu sehen!
Menschen reisten von weit her an. Und Meister Werner konstruierte einen
„Kaiserstuhl“. Also nicht ein Quadrat im Kreis, sondern noch viel kunstvoller.
Ein rechtes Meisterstück! Sein Sohn Andreas führte es aus. Zum Staunen!
Das
Richtfest kam, zu Pfingsten. Und mit ihm ein großer, sehr futuristisch
anzusehender Bus voller amerikanischer Studentinnen und Studenten. Über 50! Der
Valparaiso University Chorale von der größten lutherischen Universität der USA.
„Wir haben hier so viele Chöre, könnt Ihr nicht mal einen nehmen?“ wurde ich
angerufen. Ja! Haben wir gemacht. Und dann zeigte es sich, was das für ein Chor
war! Inzwischen hat er eine Partnerschaft mit den Thomanern und hat zum
Staatsakt der Bundesregierung am 31. Oktober 2017 in der Schlosskirche
gesungen. Aber zuerst – zuerst wollte er auf seinen Tourneen immer nach Mark
Zwuschen und Seyda kommen! Wegen dieses eindrücklichen Richtfestes. Der große
Bus hatte wohl noch nie so einen Feldweg gesehen, die Gesichter waren gespannt,
wo das noch hingehen sollte - und dann
war das Erstaunen groß: So eine kleine Kapelle! Aber es war sehr fröhlich, und
der Funke, auch durch die Gastfreundschaft der Mark Zwuschener, ist
übergesprungen. Meister Werner sprach den Richtspruch vom Gerüst, der Chor
sang, der Kuchen schmeckte: Ein wunderbarer Tag, 2010. Und das Ganze haben wir
sogar im Luftbild festgehalten. Ein mutiger Mann, Otto Henze aus Naundorf, flog
mit einem Propellerflugzeug über allem – und filmte.
In
jenem Sommer kamen dann auch schon die Kinder der Kinderkirchenferientage aus
Seyda vorbei in Mark Zwuschen – und da waren schon mal 50 Kinder in der kleinen
Kapelle – und wir staunten, wie viele doch hineinpassen.
Langsam
ging es voran. Alles in Eigenleistung! Ganz ließ es sich nicht durchhalten.
Aber die Firmen trugen viel dazu bei. Firma Schwarzer aus Morxdorf legte über
4000 Ziegeln auf – und sie mussten alle angeschnitten werden. Ein Meisterwerk,
auch dies!
Torsten
Kässner aus Seyda, Vereinsmitglied, mauerte den Altar – mit von der Firma
Rietdorf aus Gadegast gestifteten Steinen. Eine Botschaft an die Nachkommen
wurde eingelegt. Firma Clemens aus Gadegast pflasterte den Fußboden. Metallbau
Schulze, ebenfalls aus Gadegast, konstruierte die runden Türen, und Thomas
Schudde belegte sie mit Holz. Das alles brauchte seine Zeit…
Doch
es nahm Gestalt an.
Inzwischen
konnte man in der Kapelle schon Andachten feiern – auf Zementsäcken sitzend
etwa, und mit Teelichtern auf dem angefangenen Altar. Günter Thiele aus
Ruhlsdorf war kreativ und brachte über eine Autobatterie den ersten
Adventsstern zum Leuchten! Da war schon wieder Winter.
Nun
die Altarplatte. David Oppermann aus Seyda, bester Steinmetzlehrling
Sachsen-Anhalts, hatte zugesagt, den Altar
zu gestalten. So fuhren wir gemeinsam zu seinem Meister nach Dessau,
Herrn Wotzlaff. „Wir brauchen einen Stein.“ „Wozu denn?“ – „Eine Kapelle? Dann
schenke ich ihn. Ich bin katholisch!“ So bekamen wir diesen großen schönen
Marmorstein, die Altarplatte, geschenkt. David bearbeitete ihn. Und ich sehe noch,
wie er zentimeterweise vom Auto in die Kapelle transportiert wurde, an
Seilzügen und Dreiböcken. Schwer? Nein! Sehr schwer!
Tatkräftige Unterstützung bekamen wir vom Verein
Mitteldeutsche Kirchenstraße. Im März 2016 erklärte der Vereins die Kapelle zur
„Kirche des Monats“, das feine Schaubild mit Relief ist noch in der Kapelle zu
sehen.
Vorher
wurden Hinweisschilder gesponsert, und Peter Werner aus Schweinitz filmte
insbesondere die Bauphase und machte viele Bilder, die dann auch auf der
Homepage des Vereins zu sehen waren und viele Menschen auf uns aufmerksam
machten.
Plötzlich kam ein Anruf aus dem Westen! Tief aus dem
Westen, von der holländischen Grenze. „Wir haben gehört, Ihr baut eine Kapelle.
Eine runde Kapelle. Wir wollen das auch. Aber das geht doch gar nicht! Wie
macht Ihr das mit den Türen?“ Nun, ich schickte die Baupläne nach Müschen – und
dort wurde nach einem knappen halben Jahr Bauzeit tatsächlich zum Richtfest
eingeladen! Eine ganze Tankfüllung war es, bis da hin. Ich durfte auf einem
Planwagen mitfahren im Umzug zur Kapelle, und in der Zeit, wo die Läuteanlage
montiert wurde – da gab mir der katholische Pfarrer Gelegenheit, zu sprechen:
Und ich erzählte von Mark Zwuschen und übergab ein selbstgehauenes Relief mit
Anker, Herz und Kreuz für Glaube, Liebe und Hoffnung. Das hatte ich eigentlich
für den Altar in Mark Zwuschen angefertigt, aber es wurde dann dort bei einer
Zusammenkunft abgelehnt – und so hat es einen guten Zweck erfüllt. Der Kontakt war herzlich – wir
waren dann im folgenden Sommer noch einmal da. Bei den Kinderkirchenferientagen
gab es viele fleißige Helferinnen und Helfer, Larissa aus Mark Zwuschen war
auch dabei – und ich hatte danach ein paar Tage frei, so fuhren wir als
„Jugendfahrt“ nach Amsterdam – und vorher nach Müschen, wo wir herzlich
aufgenommen wurden, im Pfarrheim geschlafen haben und kostenlos das Schwimmbad
benutzen konnten. Die Kapelle dort ist auch rund, allerdings doch ein wenig wie
eine Schnecke gebaut.
Sie
waren viel schneller fertig als wir – mit Geld geht es eben fixer. Aber wir
wollten ja viele ganz praktisch beteiligen.
Eine
große Sorge war der Vandalismus: Was würde geschehen, wenn die Kapelle da so
abseits steht? Ich lud mir alle verfügbaren Jugendlichen ein, und wir sammelten
Feldsteine, bis der (alte) Bus fast „in die Knie“ ging. Wer das gemacht hat,
schmeisst dann keine Steine, dachte ich mir. Und es war fröhlich! Der alte Herr
Henzel half mit, aus Morxdorf, und am meisten Torsten Käßner, die Kapelle von
außen mit Feldsteinen zu verblenden – damit man schon von weitem erkennt, dass
sie eine „Verwandte“ der alten Feldsteinkirchen ist.
Die Türen bekamen viele kleine Fenster – eigentlich
deshalb, weil wir ja von geschlossenen Türen ausgegangen waren – damit man
hineinschauen konnte. Pfarrer Dr. Schollmeyer zählte alle Fensterchen und kam
auf erstaunliche Zahlenspiele, die er in einem Gedicht verarbeitete:
Dass nicht im Chaos der Zeit
das Leben nutzlos verkomme
bauten sie eine Kirche
mitten im Feld der sandigen Mark.
Sie wölbten die Mauer kreisförmig
rund wie die Laufbahn der Sonne
so wie die Sterne auch alle
schon immer den Weg ewig wandeln.
Dann fügten sie kunstfertig ein
zwölf Öffnungen, Fenster
und eines ist größer –
das dreizehnte dort im Osten.
Christus mit seinen Schülern
scheint so im Lichte zu schweben
außen mit innen verbindend
ist er zur Sonne geworden.
Auch das Geheimnis des Mondes
bauten sie ein. Zum Wahrzeichen
schuf man im Westen und Norden
und Süden gewaltige Tore.
Die laden ein zum Betreten
und glitzern mit jeweils neun
Fensterchen.
Kunstvoll verschloss sie der Glaser.
Dreimal neun – siebenundzwanzig.
So viele Tage benötigt der Mond
die Stelle wieder zu finden,
von der er die Kreisbahn betrat.
Siebenundzwanzig mit dreizehn…
…ergeben genau vierzig Tage.
Solange fastete der Meister,
Noah bangt und das Volk in der Wüste
nährt vierzig Jahre das Wunder.
Ihren Gott zu verehren
entzünden sie manchmal zwei Kerzen
dort auf dem Altar der Kirche.
Brennendes Wachs und
Mondsonnenlichter:
Zweiundvierzigfach leuchtet der
Schein.
Das ist die Zahl der Geschlechter,
die Matthäus uns herzählt –
von Abram auf Christus! Erzählt er.
Der Geist hat den Leuten beim Werk
geholfen.
Aus Freude schenkte er Schönheit:
Den kreisrunden Tempel im Feld
der öden und sandigen Mark!
Für die runden Fenster wurden mir große Preise
genannt. Doch wir bekamen die Glasscheiben von OEWI aus Mark Zwuschen – und
Thomas Schudde aus Seyda schnitt sie uns kreisrund. Dann brachte ich sie zur
Berufsschule nach Wittenberg, wo Klaus Bernhardt aus Mark Zwuschen, der
Lebensgefährte von Frau Stecher, eine
Tischlerklasse anleitete, runde Fenster zu gestalten. So entstanden unsere
schönen runden Fenster. Und Herr Bernhardt zeigte, dass er auch das Metallfach
versteht, mit einem kleinen Leuchter, der auf dem Altar seinen Platz hat.
„Was macht denn Elisabeth
jetzt?“ fragte ich eine Mutter auf der Straße. „O, sie lernt Holzschnitzerei in
Oberammergau!“ – „Wann kommt sie nach Hause?“ – „Zu Ostern.“ Ich besuchte sie
also mit der Frage, ob sie nicht die biblischen Geschichten, die an die Türen
sollten, schnitzen könnten – und dachte an ihre ganze Klasse. Elisabeth meinte,
das würde zu individuell werden – lauter Künstler, lauter verschiedene
Gestaltungsformen. Und sie bot sich an – ehrenamtlich – all die biblischen
Geschichten zu schnitzen. Meine Mutter,
eine ehemalige Katechetin, malte sie vor, und in der alten Tischlerwerkstatt
von Meister Hirsch in Seyda konnte Elisabeth nun einen ganzen Sommer lang schnitzen,
177 Stunden lang. Ich projezierte mit dem Beamer die Entwürfe auf die
Holzplatten, und sie malte sie mit Bleistift nach. Das Eichenholz besorgte und
fertigte uns Herr Kuhrmann aus Jessen an, die Rahmen Thomas Schudde.
4
Bilder zum Thema Glaube: Abraham, Jakob, die Stillung des Sturms und der Gute
Hirte.
4
Bilder zum Thema Liebe: Die Schöpfung, der Verlorene Sohn, der Barmherzige
Samariter – und Jesus am Kreuz.
4
Bilder zum Thema Hoffnung: Die Arche Noah, das große Abendmahl, die Speisung der
5000, die Ostergeschichte.
Die
geschnitzten Bilder von Elisabeth Kratz sind inzwischen das verbindende Glied
aller drei Kapellen geworden.
Das Geld war immer knapp oder alle – oder
andersherum, es war immer gerade so viel da, wie wir brauchten – jedenfalls kam
sogar noch eine professionelle Spitze auf die Kapelle, von einer Firma aus
Freiberg. Am Anfang hatten wir noch gedacht, selbst eine zu schnitzen. Aber so
wurde es richtig fein, mit Wetterfahne – der Jagdpächter Wielage hatte daran
Interesse und gab etwas dazu. Ganz oben natürlich das Kreuz des Jesus Christus,
und darunter: Das wehende Grabtuch mit der Aufschrift „Vivit!“. „Er lebt!“ Das
ist die Osterbotschaft, und das steht auch in der Lutherrose, wie auch in
Wittenberg bei den Darstellungen des Gekreuzigten aus der Reformationszeit
immer das wehende Tuch zu sehen ist. Petrus und Johannes machten einen Wettlauf
zum leeren Grab – und sie fanden darin eben nur das Grabtuch, Zeichen der
Auferstehung. 2011 wurde die „Bekrönung“ aufgesetzt – da war die Kapelle noch
nicht eingeweiht. Noch ein Winter kam. Und mit ihm ein Leuchter. Die
Männerschola St. Marien aus Heiligenstadt fertigte selbst aus einer alten Achse
einen großen Leuchter. Unten steht ein Liedanfang: „Wo werd ich sein“ – wenn
die Posaune erschallt. Also am Ende der Zeit – wo werde ich dann sein? Ein
alter Gospel ist das, und die
Männerschola – also ein kleiner Chor – sang uns das bei der Übergabe des
Leuchters zu Lichtmess, also am 2. Februar. „Kapelle zum Jüngsten Tag“ – das
war mal eine Idee für einen Namen...
Zu Ostern 2012 kamen schon einmal ein paar
Motorradfahrer aus Braunschweig und Berlin, Big Scooter –und sie hielten uns
dann auch die Treue, als es zur Einweihung kam, und fuhren im Festumzug mit.
Doch
bis dahin war es immer noch ein Weg.
Stühle
mussten her – an Angeboten mangelte es freilich nicht, jedoch waren die Preise
sehr hoch. Wir nahmen dann die Klappstühle, die heute noch in der Kapelle
stehen und den praktischen Vorteil
haben, dass man entsprechend welche wegstellen und dazustellen kann. Sie
kamen einmal aus dem Münsterland nach Seyda – 33, in einem Skoda, zusammen noch
mit acht Trompeten und Posaunen und einem Mädchen, was ich dann geheiratet
habe… und sie standen dann im Gemeinderaum in der Winterkirche. Aber Herr
Bozinovski stiftete uns dafür Stühle – und so waren diese frei – für die
Kapelle.
Der Tag der Einweihung kam heran.
Ein
Festumzug mit dem Jessener Spielmannszug, der sein Kommen lange vorher zugesagt
hatte, führte vom alten Gutshaus bis zur Kapelle. Viele, viele waren gekommen.
Alle Türen waren geöffnet. Kantor Michael Weigert musizierte, mit Musikern aus
Indien, mit Orgel und Trompeten. Als Evangeliumstext wurde von den fünf Broten
und den zwei Fischen gelesen, die dann so viele satt machten – wir konnten
sagen, das hatten wir erlebt.
Zurück
im Festzelt gab es noch einen Vortrag über die Entstehungsgeschichte. Ein
langer Weg!
Und nun begann der Alltag an der Kapelle. Zur
Einweihung wurde – aus Krina – ein Gästebuch geschenkt. Inzwischen sind es
schon zwei, mit Einträgen von vielen aus der Nähe und aus der Ferne: Auch aus
Afrika, Amerika und Australien.
Bernd-Fritz Schmidt, der mit geschachtet und viel
geholfen hatte, fragte: „Und was ist mit mir?“ Er war noch nicht getauft. Und
so feierten wir Taufe, an der Kapelle, mit ihm, der mit seinem Rauschebart wie
Karl Marx aussah und schon 60 Jahre alt war. „Er zog seine Straße fröhlich.“
Das war der Text, Apostelgeschichte 8.
Kurz vor der Einweihung besuchte mich der
Superintendent und kündigte mir an, dass ich Elster mit übernehmen würde. Eine
große Sache! Und wie das nun machen, mit den Gottesdiensten? So kam es zu der
Zeit, sonntags vierzehntäglich um 15.15 Uhr – ein bisschen außergewöhnlich.
Aber machbar. Und jeden Freitag früh um 8 Uhr eine Morgenandacht. Als Start in
das Wochenende gewissermaßen.
Es
ist eine Freude, die Kapelle in den verschiedenen Jahreszeiten zu erleben. Die
Lichtspiele durch die Fenster. Die Natur außen herum.
Aus der Baugenehmigung ergab sich noch die Auflage,
für die versiegelte Fläche Sträucher anzupflanzen. Das geschah. Lauter
verschiedene Pflanzensorten sind es gewesen, ganz bunt blüht es – und unter der fachkundigen Anleitung von Herrn
Lorenz ist es wunderbar angewachsen, auch der Rasen auf der Fläche und am Berg.
Ein
Wasserhahn kam dazu!
Herr Petermann aus Mellnitz – wer kennt ihn nicht,
den Weltreisenden? - hat Stühle und Tische gestiftet, so dass man gut
picknicken kann. Ein Schaukasten wurde aufgebaut, ein Fahrradständer. Zuletzt
ein Glöckchen.
Das ist eine längere Geschichte. Die Glocke stammt
aus Prag von einem Mittelalter-Stand auf dem Alten Markt und hat 1.000 Kronen
gekostet. Ein kleines Glöckchen. Eigentlich sollte es ja eine größere Glocke
werden. Eine ganz große, nämlich die aus Seyda, die dort ausgebaut wurde, um
einer ganz neuen Glocke 2017 Platz zu machen, aber zum Handläuten wohl noch gut
gegangen wäre. Freilich ist es eine Riesenglocke im Vergleich zur Kapelle, und
es braucht einen stabilen Glockenturm dazu. Nun gibt es tüchtige Zimmerleute bei uns, aber ein Glockenturm –
das ist statisch etwas Besonderes!
Eine
Möglichkeit schien sich zu ergeben, weil die methodistische Kirche in Abtsdorf
geschlossen werden sollte. Dort stand ein Glockenturm – sogar mit Glocke. Die
Glocke wurde geborgen, der Glockenturm sollte nachfolgen – doch da gab es
Komplikationen. Das Grundstück war dann verkauft, und der neue Besitzer nicht
bereit, den Rest des Glockenturms herzugeben. So etwas gibt es auch! Nicht für
Geld und gute Worte. So hatten wir nun
zwei große Glocken. Der Platz für den Glockenturm war schon abgesteckt –
aber daraus wurde nichts. So wurde es das Glöckchen. Metallbaumeister Schulze
aus Gadegast baute die große Stange. Und nun kann jeder gefahrlos läuten – soll
dann aber auch ein Gebet sagen, denn: Glocken rufen zum Gebet.
Viele verschiedene Feiern hat die Kapelle nun schon
erlebt.
Taufen,
wo es ganz voll war, dass man sich kaum noch drehen konnte, an der Taufe, die
uns der Holzschnitzer Kuhrmann aus Jessen gestaltet hat. Eine Konfirmation von
einem Jugendlichen aus Mark Zwuschen, wo seine Mitkonfirmanden in einer Band
musizierten.
Silberne
und Goldene Hochzeit. Martinstage.
Osternächte. Bibelwochen. Und viele Andachten und Gottesdienste.
Inzwischen
gibt es zwei Instrumente.
Das
eine, ganz große, ist aus Paris. Vielleicht eine Kriegsbeute von 1870/71?
Jedenfalls aus einer der ersten Harmoniumfabriken. Das Instrument hat den
großen Vorteil, dass man es nur sehr schwer wegtragen kann – weil es so schwer
ist. Und dass es mit Muskelkraft, also nicht mit Strom, betrieben werden kann.
Herr Jürgen Schmidt aus Gadegast hat es gestiftet – und wohl in dem Haus
vorgefunden, was er sich ausgebaut hat.
Weil
es doch nicht mehr so leicht spielbar ist, haben wir auch die Spende von Herrn
Quinque aus Jessen angenommen, für ein zweites Harmonium. Es hat den Vorteil,
dass man im Winter als Harmoniumspieler keine kalten Füße bekommt: Denn man
muss sie ja schnell hin und her bewegen.
Etliche Musiken konnten wir in der Kapelle erleben,
im Anschluss auch oft mit einem Feuer. Panflötenspieler, Saxophonisten,
Blechbläser, Gitarrenspieler… Eine besondere Sache war die Sternenbetrachtung
mit Astronomielehrer Thomas Felber – Vereinsmitglied! - . Das war spannend, und
ein weiterer Vorteil der Kapelle zeigte sich: Nur ganz wenig „Streulicht!“.
Erst vor kurzem wurde die Namenstafel eingeweiht,
mit all denen, die mitgewirkt haben. Einfach mit einem Gebet und einem
Saxophonstück – denn es war mitten in „Corona“.
Mit
einer Kirche ist man verbunden, weil man selbst
und die Vorfahren dort waren, die alten Kirchenbücher erinnern an die
Feiern des Lebens – in den alten Bauerndörfern kann man das über viele
Generationen zurückverfolgen.
Die
Kapelle ist nun dagegen sehr jung. Aber die Namen derer, die mitgebaut haben,
kennt man doch – oder ist mit ihnen verwandt oder befreundet. So wird hier, vor
Gott, an sie alle gedacht. Wie viele doch – nach zehn Jahren – schon
heimgegangen sind! Wie kurz ist unsere Lebenszeit! Gottes Wort aber bleibt in
Ewigkeit und hält uns. Die Kapelle erinnert daran.
Und nun hat die Kapelle also „Kinder“ bekommen. Wer
hätte das gedacht! Zuerst 2016 in Listerfehrda. Es ist wie Mark Zwuschen ein
Ort, der keine Kirche hatte. Und in den 50iger Jahren, da gab es einen
Bürgermeister, der hatte einen Kirchenbau geplant. Fix und fertig. Aber der Gemeinderat
zögerte. Und plötzlich ging er – der Kommunist – in den Westen – und die Pläne
verschwanden in der Schublade – für immer. Herr Karschunke, lange Zeit
Ortsbürgermeister, erinnerte an diese alte Geschichte immer wieder mit dem
Punkt: Wenn etwas möglich ist, muss man es auch tun: Sonst kann die Gelegenheit
schnell vorbei sein.
Die
Flut war gekommen, und mit ihr auch eine Welle der Hilfsbereitschaft. Die
Caritas setzte sich sehr ein – und da kam auch die Idee auf, für Listerfehrda
und am Elberadweg eine Kapelle zu bauen. Als ich aus dem Urlaub kam, las ich es
in der Zeitung und konnte meinen Augen kaum trauen: „Stadtrat stimmt
Kapellenbau zu.“ Ich wurde dann gefragt, und sagte: „Zuerst muss man die
Listerfehrdaer fragen!“ Ja, so sollte ich also die Listerfehrdaer befragen –
und die ich fragte, waren beigeistert. Na klar! Endlich! Wollten wir doch schon
immer…
Diesmal
schien es nicht so ein langer Weg zu werden. Aber dann doch.
Denn
es drehte sich nun herum. Die Listerfehrdaer fragten mich: Was wird denn jetzt
mit der Kapelle? Und ich fragte die Caritas. Aber die Caritas hatte längst
einen Anruf bekommen, dass der Bau von neuen Kapellen für den Kirchenkreis aus
bekannten Gründen inakzeptabel sei. Der Mann von der Caritas sagte: Deshalb ist
nun kein Geld mehr da. Gar keins? Fragte ich. Na, höchstens noch ein bisschen…
Also
fingen wir mit dem an, was da war: Dieses Geld, unsere Kräfte – und die
Möglichkeiten. Einen kleinen Treffpunkt gab es schon, einen Pavillion. Er ließ
sich umbauen. Mit der Zimmererfirma Frenzel berieten wir alles ganz genau,
unter Beteiligung der Listerfehrdaer. Gewissermaßen bis auf den letzten Cent.
Aber dann – sollte es doch kein Geld von der Caritas geben.
Nun,
das hatte den Vorteil, dass wir selbst etwas beschafften. Meine Jungs spielten
Trompete, solange es der Ansatz hergab, von einer Ecke Listerfehrdas zur anderen – und am nächsten Tag dann noch
einmal. Und wir hatten dann so viel Geld zusammen, dass wir anfangen konnten.
Das
heißt, ich hatte persönlich gespart für eine Christusstatue in Mellnitz – aber
nun brauchte ich das Geld eben hier. Ich schrieb an „Andere Zeiten“
und stellte ihnen meine Not dar. So eine Kapelle hat ja etwas mit
„Kirchenjahr“, dem Thema des Vereins, zu tun, sogar sehr viel… Wenige Tage
später bekam ich Antwort: Das Geld, was fehlte, und die Statue dazu…
So
wurde also im Herbst 2016 die „Kapelle der Begegnung“ in Listerfehrda
eingeweiht. Rechtzeitig vor dem großen Lutherjubiläum sollten die Radfahrer
hier mit der Lutherrose begrüßt werden. Meine Mutter hatte sie mit Weinranken
gestaltet, Elisbaeth Kratz sie geschnitzt -
und das Kreuz im Herz der Lutherrose diente nun als Altarkreuz. Rechts
und links, außen und innen, sind biblische Geschichten von Begegnungen zu
sehen: Maria begegnet Elisabeth („Ave Maria!“), die Emmausjünger begegnen Jesus
(Ostern), Gott begegnet Mose am brenndenen Dornbusch – und Jesus Petrus bei
seinem Fischzug.
Und
wann nun hier Gottesdienst halten? Nun, immer mal wieder gab es einen
„Ausflugsgottesdienst“ der umliegenden Gemeinden. Aber eine ganz sichere Sache
war die Morgenandacht am Donnerstag um 9 Uhr. Eine sehr schöne Gemeinschaft,
oft bis auf den letzten Platz besetzt! Mit Sitzkissen und Tee. Die Zeit war
ungewöhnlich – aber am Sonntag war nichts mehr möglich, und abends wäre es auch
ungünstig, weil es dort keinen Strom gibt. Um 9 Uhr ist es immer ausreichend
hell. Und wieder ist das Erlebnis der Jahreszeiten etwas ganz Großes, und dort direkt Gott zu loben und sein Wort
zu hören für den Tag, miteinander. Wie die Kapelle angenommen wurde, zeigte
sich – wie auch in Mark Zwuschen – bald daran, dass viele schöne Blumen zu
sehen waren.
Und
dann, wieder vier Jahre später, 2020 – konnte am 31. Januar die „Kapelle zum
Guten Hirten“ auf dem Diest-Hof eingeweiht werden. Wieder schnitzte Elisabeth
Kratz das Bild. Diesmal wurde mit europäischen Fördermitteln gebaut. Es war der
Tag des „Brexit“ – also diese Kapelle, die haben auch die Briten noch
mitfinanziert. Ein schöner Ort, für die Diest-Hof Bewohner und alle Besucher –
die Kapelle soll – nach Corona – für alle auch zugänglich sein. Und:
Plötzlich
sind wir in dem Gebiet mit der höchsten Kapellenneubaudichte der Welt…
Doch
darauf kommt es nicht an, sondern auf die Liebe. Die Liebe, mit der die
Kapellen gebaut worden sind – und mit der sie genutzt werden. Und vor allem auf
die Liebe, die uns von dort entgegenkommt. Das Aufgehobensein, der Trost, die
Freude. Dafür sind die Kapellen Orte, und zwar niederschwellige Orte – man kann
einfach hineingehen. Man kann Gott finden, sein Wort für das Leben. Dafür sind
sie da. Und natürlich kann man die Gemeinschaft finden. Dass da noch einer da
ist, „zwei oder drei in meinem Namen“. Dass sich da Berge versetzen lassen, der
Resignation, des Leides, des Unfriedens. An dieser Stelle.
Es ist immer ein Erlebnis, wie die Texte gerade aus
dem Neuen Testament in Mark Zwuschen ganz neu klingen. Da ist so oft die Rede
von denen, die immer schon da waren, und von denen, die dazukommen. Viele
Gleichnisse gibt es dazu. Viele Aussagen von Paulus. Es war sein Thema! „Ihr
seid nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und
Gottes Hausgenossen!“ Das klingt da ganz neu. Man merkt die Lebendigkeit des
Evangeliums.
„Danket dem Herrn,
denn er ist
freundlich,
und seine Güte währet
ewiglich.
Ps 106,1
Am Bau der Kapelle haben
mitgewirkt:
Dusan Bozinovski, Mark
Zwuschen
Markus Clemens, Mark Zwuschen
Thomas Felber, Mark Zwuschen
Ingrid Ferch, Mark Zwuschen
Frank Hellner, Seyda
Torsten Käßner, Seyda
Dorit Lorenz, Mark Zwuschen
Thomas Meinhof, Seyda
Heiko Meißner, Mark Zwuschen
Elke Naujokat, Mark Zwuschen
AFB Blönsdorf
Alpha Buchhandlung Wittenberg
Andere Zeiten Hamburg e.V.
René Arndt, Seyda
Steve Arndt, Wolfswinkel
Heinz Berger +, Jessen
Doris Bergholz, Seyda
Klaus Bernhardt, Mark
Zwuschen
Reinhard Bernhardt,
Schadewalde
Berufsschule Wittenberg
Jakob Biber, Seyda
Big Scooters Berlin
Bläserchor der KPS
Heinz-Theo Brinkmann,
Wittenberg
Landwirtschaftsbetrieb Egon
Clemens
CVJM Seyda e.V
Birgit Cech, Schadewalde
Dietmar Cech, Schadewalde
Karsten Clemens, Gadegast
Sven Dehne, Morxdorf
Sylvia Dehne, Morxdorf
Dessauer Steinmetzwerkstätten
Diest-Hof Seyda
Familie U. Eisenblätter, Jessen
Ingenieurbüro Eule, Jessen
Peter Eule +, Jessen
Ein Kreis der Evangelischen
Auferstehungsgemeinde Mainz
Evangelische Kirchengemeinde
Oberseemen
Evangelische Kirchengemeinde
Seyda
Ezel Bau GmbH Torgau
Matthias Fassian, Leuna
Christina Fassian, Leuna
Irene Faust, Mark Zwuschen
Claudia Felber, Mark Zwuschen
Freiwillige Feuerwehr Mark
Zwuschen
Buchhandlung Steffen Fischer,
Jessen
Hans-Ulrich Freyer, Seyda
Alrik Fritzsche, Seyda
Ämilia Fritzsche, Seyda
André Fritzsche, Seyda
Andrea Fritzsche, Seyda
Fa. Göhlert, Freital
Selma Golombek, Mark Zwuschen
Eckhard Gräbitz, Seyda
Tim Gräbitz, Seyda
Volkmar Graf, Mark Zwuschen
David Grossmann, Mark
Zwuschen
Gustav-Adolf-Werk
Martha Hähner +, Seyda
Hans-Karl Heepe, Seyda
Heimatverein Glücksburger
Heide e.V.
Vernado Hein, Seyda
Gerlinde Hellner, Seyda
Markus Hellner, Hettstedt
Walter Henzel, Morxdorf
Martina Hilse, Seyda
Fa. Elektro-Hintersdorf,
Mellnitz
Horst Hirsch, Seyda
Fa. Höhne Bau, Mellnsdorf
Fa. Elektro-Hoffmann,
Naundorf
Gerald Hoffmann, Naundorf
Interessenkreis
Elbe-Seyda-Radweg
Sylke Iversen, Jessen
Dorothea Jakob,
Ralf Jakob,
Jessener Spielmannszug e.V.
Andreas Jühlich, Dresden
Kapellenverein Müschen e.V.
Erik Käßner, Seyda
Torsten Kessler, Radio SAW,
Magdeburg
Mitteldeutsche Kirchenstraße
e.V.
Andrea Klein, Ruhlsdorf
Beate Klipp, Seyda
Lydia Koprowski, Mark
Zwuschen
Elisabeth Kratz, Seyda
Maria Kratz, Seyda
Sebastian Krüger, Naundorf
Heinz Kühnast, Schadewalde
Klaus Kuhrmann, Jessen
Hans Dieter Kunze, Seyda
Landimpuls Mark Zwuschen e.V.
Gerda Lehmann, Seyda
Jens Lehmann, Seyda
Otto Lehmann, Seyda
Gertraude Lenz, Seyda
Gisa Letz, Lüttchenseyda
Kurt Lieder, Mellnitz
Herr Liese, Seyda
Jörg Lindemann, Seyda
Frank Löbnitz, Gadegast
Dietmar Lorenz, Mark Zwuschen
Lothar Lorenz, Mark Zwuschen
Männerschola St. Marien
Heiligenstadt
Gisela Maasch, Mark Zwuschen
Carl Meinhof, Seyda
Eva Meinhof, Heiligenstadt
Franz Meinhof, Seyda
Friederike Meinhof, Seyda
Friedrich Meinhof,
Heiligenstadt
Hans Meinhof, Seyda
Sandra Meinhof, Seyda
Ernst Meißner, Zallmsdorf
Jacqueline Meißner, Mark
Zwuschen
Larissa Meißner, Mark
Zwuschen
Martina Müller, Seehausen
Reiner Müller, Seehausen
Wolfgang Köhn, Mark Zwuschen
Bernhard Naumann alias Martin
Luther, Wittenberg
Renate Niendorf, Gölsdorf
Gisela und Bettina Nitzschke,
Mark Friedersdorf
Öko-Tour-Sanierungsgesellschaft
Seyda
OEWI-Fensterbau Mark Zwuschen
Marcel Opitz, Naundorf
Matthias Opitz, Naundorf
Christiane Oppermann, Seyda
David Oppermann, Seyda
Paul Petermann, Mellnitz
Frank Post, Gadegast
Armin Pra, Reinsdorf-Dobien
Profil Gerbisbach GmbH
Frank Pulz, Linda
Dieter Quinque, Jessen
Bürgermeister Rauhut,
Niedergörsdorf
Heinz Richter, Seyda
Karin Richter, Naundorf
Kathrin Richter, Jessen
Frank Riemer, Seyda
Fa. Axel Rietdorf, Gadegast
Thomas Rülicke, Seehausen
Heimatverein Ruhlsdorf e.V.
Anna-Sophia Sackwitz, Jessen
Conny Sackwitz, Seyda
Eva-Maria Sackwitz, Seyda
Troy Sackwitz, Seyda
Sabine Schaefer-Kehnert,
Hamburg
Bärbel Schiepel, Seyda
Erika Schindler, Mark
Zwuschen
Günther Schlauraff, Naumburg
Erhard Schlüter jun.,
Naundorf
Bernd-Fritz Schmidt, Seyda
Dieter Schmidt, Mark Zwuschen
Gisela Schmidt, Mark Zwuschen
Frank Schmiedel, Dresden
Dr. Matthias Schollmeyer,
Blönsdorf
Herr Schubert, Mark Zwuschen
Detlef Schudde, Seyda
Thomas Schudde, Seyda
Markus Schulz, Dresden
Gabriele Schulze, Gadegast
Matthias Schulze, Gadegast
Fa. Metallbau Schulze,
Gadegast
Dirk Schütze, Naundorf
Fa. Schwarzer, Morxdorf
Gerhard Schwarzer, Morxdorf
Hildegard Schwarzer +, Mark
Zwuschen
Steffen Schwarzer, Morxdorf
Seydaland Vereinigte
Agrarbetriebe
Fa. Sommer, Schadewalde
Günter Sommer, Schadewalde
Uwe Sommer, Mellnitz
Sparkasse Wittenberg
Werner Srugies, Seyda
Michael Staab, Mark Zwuschen
Michael Stecher, Mark
Zwuschen
Manfred Storost, Seyda
Volker Strehlke, Mark
Zwuschen
Guntram Tennstedt, Hilders
Julia Tennstedt, Hilders
Günter Teubner, Mark Zwuschen
Heidemarie Teubner, Mark
Zwuschen
Norbert Teubner, Nauen
Günther Thiele, Ruhlsdorf
Volkswandertag Seyda
Ingrid Wallmann, Magdeburg
Andreas Werner, Gadegast
Otto Werner, Gadegast
Peter Werner, Schweinitz
Bernd Wielage, Mark Zwuschen
Valpariso University Choir,
USA
Michael Winkler, Eichenberg
Volker Wotzlaff, Dessau
Michael Zwiersch, Jessen
Und viele andere!
Das Ende aller Dinge
Wort
zum Sonntag von Pfarrer Thomas Meinhof aus Seyda. (Mitteldeutsche Zeitung,
19.7.2008)
In
der nächsten Woche soll darüber beraten werden, ob in einem kleinen Ort bei
Seyda, der noch keine Kirche hat, eine kleine Kapelle gebaut wird. Es gibt
sechs Entwürfe, und ich bin gespannt, wie sich das entwickeln wird. Einen
Namensvorschlag habe ich auch schon: „Kapelle zum Jüngsten Tag“. Nicht, dass
ich etwa von einer Weltuntergangsstimmung erfasst wäre – nein! Es geht mir
vielmehr um diese Zielorientierung für mich und andere, die ich oft für das
Leben vermisse. An vielen Stellen ist sie selbstverständlich: Einer geht zur
Schule – und das Ziel ist der Schulabschluss. Einer baut ein Haus – und das
Ziel ist, dass es fertig wird. Einer liegt im Krankenhaus – und das Ziel ist,
dass er wieder gesund wird. Von dem Ziel her definiert sich das Leben. Wo will
ich einmal ankommen? „Wo werde ich sein, wenn die Posaune erschallt?“ hat vor
einiger Zeit einmal sehr eindrücklich ein Männerchor in unserer Kirche
gesungen. Wann dieses Ende sein wird: nah oder fern, das halte ich
hierbei nicht für so wichtig. (Heute hatte ich freilich mit dem Auto zwei
kritische Situationen auf der Straße, wo ich dachte: Da hätte es zu Ende sein
können.) – Wichtiger finde ich diese Zielorientierung, die Wesentliches von
Unwesentlichem unterscheiden lässt; die die Bereitschaft zur Versöhnung bewirkt;
die zum Frieden mit Gott und den Mitmenschen drängt. Jesus hat gesagt, dass er
am Ende jeden von uns fragen wird: „Was hast Du aus Deinem Leben gemacht? Hast
Du Durstigen zu trinken gegeben, Hungrigen zu essen gegeben, Kranke und
Gefangene besucht, Bedürftige gekleidet, Fremde aufgenommen?“ Und Jesus hat als
Zielpunkt für alle, die zu ihm gehören, jenes Reich Gottes markiert, in dem die
Tränen getrocknet werden und in dem Friede sein wird. Im Nachdenken darüber
kann ich zu einer guten Orientierung für diesen Tag kommen: in diese Richtung
unterwegs zu sein und möglichst viele mitzunehmen. So geschieht es auch in dem
Text, über den an diesem Sonntag in den Kirchen nachgedacht wird. Da heißt es:
„Seid besonnen zum Gebet, und habt vor allem untereinander beständige Liebe.“
---
Die
Mitteldeutsche Zeitung forderte mich auf, zum folgenden Zitat Luthers einen
Artikel zu schreiben, 2017:
„Man
tut besser daran, wenn man dem Nächsten einen Pfennig gibt, als wenn man Petrus
eine goldene Kirche baut.“
Da
triffst Du mich, Luther! In den letzten fünf Jahren haben wir im Pfarrbereich
zwei neue Kapellen eingeweiht – das ist heutzutage sehr viel unüblicher als zur
Lutherzeit! „Wozu brauchen wir das? Überhaupt: Eine Kirche?“ Nun: In ihnen kann
man Gottes Wort hören. Und so sind diese Orte wie Brunnen, aus denen immer
wieder frisches Wasser auf die Mühle der Nächstenliebe fließt. Ich kann dort
von Gottes Liebe hören – und tanke auf. Dafür sind Kirchen da. Da kann ich dann
fröhlich losgehen und dem Nächsten Gutes tun. Was hält mich sonst dazu an oder
fordert mich dazu heraus?
Luther
hat auch Kirchen eingeweiht, vor allem aber hat er in ihnen gewirkt und immer
dazu eingeladen, sie zu besuchen: Um Gottes Wort zu hören. Hier wendet er sich
dagegen, weit weg (in Rom) eine goldene
Kirche zu bauen – und dabei den Nächsten zu vergessen. Da schreibt er mit Recht
(in der Fortsetzung des Zitats) “…denn das ist von Gott geboten, jenes nicht.“
Ich wünsche mir, dass überall sichtbar wird: Aus der Kirche kommen verwandelte
Menschen, die ein Herz haben für den Nächsten. Das wäre ganz in Luthers Sinne.