Als der Tag
am heißesten war…
Schlaglichter aus der jüngeren
und älteren Militärgeschichte von Seyda und Umgebung.
Den Soldaten der Bundeswehr, die
im Diest-Hof im Einsatz sind, ihrem Führungsstab und Familie Kramer/Passoth in
Dankbarkeit gewidmet.
Seyda,
5. Januar 2021
Dass ich einmal nachts an das Holzdorfer
Kasernentor klopfen würde, um Hilfe zu erbitten – das habe ich mir nicht
träumen lassen. Fünf Tage später waren sie da: Kampftaucher, allerdings
aus Havelberg, was in Sachsen-Anhalt
liegt, und halfen auf dem Diest-Hof aus. Durch die Pandemie war dort ein
Pflegenotstand eingetreten, und jede Hand wurde gebraucht.
Wer
sich auskennt, weiß, dass „Bundeswehreinsatz im Inneren“ ein heikles Thema ist,
auch „Pflege“ und „Betreuung“ durch Soldaten. Aber wenn die Not groß ist,
finden sich Wege. Nun sind sie da, und für sie sei aus Dankbarkeit dieses
kleine Heftchen geschrieben, zur älteren und jüngeren Militärgeschichte unserer
Orte.
Natürlich kann man ganz früh anfangen. Schon
die ersten Menschen, die unsere Gegend durchstreiften, führten Waffen mit sich.
Manche sind heute noch zu finden in Grabbeilagen von Urnengräbern, etwa bei
Gadegast. Waffen waren notwendig zur Nahrungsbeschaffung – Neandertaler
ernährten sich zu 100% von Fleisch – aber sie wurden auch immer wieder gegen
die eigene Spezies eingesetzt. In der Bibel kann man die kulturgeschichtliche
Entwicklung finden: Von Kain, der seinen Bruder Abel erschlug, und von der
Blutrache des Lamech „sieben mal siebzigmal“ gleich auf den ersten Seiten: Das
Prinzip der Abschreckung. Was für eine Entwicklung war da schon das „Auge um
Auge, Zahn um Zahn“, das Talionsprinzip: Eben nicht: „Kopf um Auge“, sondern
eine angemessene Vergeltung. Auf Rache ganz zu verzichten, sondern sie
abzugeben („Der Herr wird seinem Volk Recht schaffen…“) mutet uns heute
manchmal grausam an, ist aber der Weg hin zu gewaltfreien Lösungen – etwa das
Gewaltmonopol des Staates. Und natürlich kommt man dann auf der „anderen Seite“
an, wo Petrus Jesus fragt: Wieviel mal soll ich denn meinem Bruder vergeben,
und er antwortete: „sieben mal siebzigmal“.
Dieses
Evangelium ist hier zu hören, in unserer Gegend seit 1000 Jahren, wo – in meist
kriegerischen Auseinandersetzungen – die Sachsen über die Elbe kamen und die
Wenden zurückdrängten. Es wurden Burgwarden geschaffen, die Burg Sydow war eine
davon: Eine Burgbesatzung von vier Rittern und auch einem Priester sollte
Schutz schaffen für die sich ansiedelnden Bauern in einer festen Burg. Dass sie
sich nicht nur Schutz von ihren Waffen erhofften, davon künden die Namen der
alten Kirchen an diesen Standorten. Sie heißen „Zum Heiligen Kreuz“, es wurde
also eine Reliquie, ein Stück vom Kreuz Jesu, mitgeführt und verehrt, und diese
geglaubte Gegenwart des Friedensfürsten gab innere Stärke und Zuversicht. Dabei
war schon damals den meisten klar, dass das Stück Holz vielleicht nicht ganz
echt war, bestenfalls neben einem Stück Kreuz gelegen hatte –
„Kontaktheiligung“ nannte man das.
Vielleicht
auch durch die Präsenz dieser Burgen ist das Zusammenleben zwischen den neuen
Bürgern aus dem Westen, den Sachsen, und den Slawen weitgehend friedlich
verlaufen. Noch heute kann man in den Orten manchmal eine Teilung erkennen –
„Kiez“ oder „Kanipp“ – dort wohnten die Slawen, auch die „Buschdörfer“ jenseits
der Heide („Wendisch-Linda“ sagte man vor 100 Jahren) hatten eine slawisch
geprägte Urbevölkerung.
Da
das Land – auch durch die Auseinandersetzungen – aber recht bevölkerungsarm
war, gab es eine neuerliche gesteuerte Migrationsbewegung aus dem Westen. Wir
haben es einmal in einem Theaterstück zu einem Dorffest in Naundorf gespielt:
Erste
Szene: Eine große Idee!
Wir
sehen: Albrecht, den Bären (mit Krone). Und: Bischof Wichmann (mit
Bischofshut). So um 1150 herum.
Albrecht,
der Bär: Also, Bruder Bischof, ist ja ganz schön leer hier bei uns. Nirgends eine
Menschenseele. Früher war hier mal richtig viel los.
Bischof:
Ist ja kein Wunder! Als die Wenden hier alleine waren, ging´s ja wohl noch.
Aber dann, als die Unsrigen über die Elbe kamen! Das war ein Hauen und Stechen.
Wäre doch eigentlich genug Platz für alle gewesen. Aber nein. Jeder wollte
alles haben.
Albrecht,
der Bär: Und nun ist eben kaum noch einer da. Was machen wir bloß? Ich wünsche
mir so lebendige Dörfer und bebaute Felder, und ein bisschen Raum zwischen dem
vielen Wald hier, und vernünftige Straßen! Ein paar Leute, für die es sich
lohnt, König zu sein.
Bischof
Wichmann: Ich hätte da so eine Idee.
Albrecht
der Bär: So? Wo wollen Hochwürden denn so schnell Leute hierher bringen?
Bischof
Wichmann: Es ist doch ein herrliches Land. Und ich habe Kontakte über die ganze
Welt. Da, am großen Wasser, wo die Flamen wohnen, da gibt es schon viele Leute.
Albrecht
der Bär: Schön weit weg im Westen. Und: was hilft uns das?
Bischof
Wichmann: Denen geht es gar nicht so gut, hat mir mein Kollege gesagt. Da kommen
immer die Sturmfluten und zerstören die Ernten und nehmen das Vieh. Es ist ein
schweres Leben dort. Wir könnten denen doch anbieten, herzukommen.
Albrecht
der Bär: So weit?
Bischof
Wichmann: Man müsste es ihnen richtig schmackhaft machen. Ein paar Leute
hinschicken und sie werben. Mit den Wagen vorfahren. Und sagen, dass es hier
ein herrliches Land ist, wo Milch und Honig fließt, wenn sie Kühe und Bienen
mitbringen.
Albrecht
der Bär: Klasse Idee! Dann bin ich endlich wieder König über viele Leute!
Bischof
Wichmann: Ja. Mal langsam. Ein wenig Freiheit müsste man ihnen auch einräumen.
Dass sie erst mal keine Abgaben leisten brauchen.
Albrecht
der Bär: Keine Abgaben?
Bischof
Wichmann: Dass sie sich das Leben einrichten können, wie sie wollen.
Albrecht
der Bär: Noch was? Da haben wir ja lauter Könige hier!
Bischof
Wichmann: Was ist: Wollen wir hier blühende Landschaften haben oder nicht?
Albrecht
der Bär: Lasst es uns versuchen!
Zweite
Szene: Der Fläming wird besiedelt.
Man
sieht: Ein Treck, Wagen, Trachten, eine Familie, Frau, 3 Männer, Kinder,
Großmutter.
Kommen
müde an.
Erster
Mann: Was für ein herrliches Land! Hier bleiben wir!
Zweiter
Mann: Endlich! Nach vier Wochen kriegt mich keiner mehr weiter!
Dritter
Mann: Womit fangen wir an?
Erster
Mann: Wie es Bischof Wichmann gesagt hat: Jeder bekommt gleich viel Land für
ein Haus, und für einen Hof und den Garten. Und das andere außenherum haben wir
alle zusammen.
Zweiter
Mann: Alle zusammen? Also, wem gehört das dann? Ich will doch ein Stück Acker
haben für mich!
Erster
Mann: Ja, es wird jedes Jahr neu gelost. Und das Bearbeiten machen wir bei den
großen Dingen gemeinsam, Da können wir den großen Pflug gemeinsam nutzen, und
die Pferde, und uns helfen. Lasst uns hier neu anfangen, mit dem Bauen, aber
auch mit der Gemeinschaft.
Alle:
Ja!
Dritter
Mann: Wir halten zusammen!
Kind:
Und wie heißt der Ort hier?
Erster
Mann: Mmh. Wir fangen neu an miteinander. Neu – Neuendorf.
Ist
das gut?
Frau:
Da werden wir immer dran erinnert: An die Hoffnung, die uns hergeführt hat. An
den neuen Geist der Gemeinschaft.
Erster
Mann: In die Mitte bauen wir eine Kirche, anders als die Holzhäuser, aus
Feldsteinen. Da können wir uns verstecken, wenn Räuber kommen oder ein
Unwetter.
Zweiter
Mann: Alle müssen hineinpassen!
Großmutter:
Gott sei Dank, wir sind da!
Die Flamen kamen also, weshalb es „Fläming“
heißt. Sie bauten die Feldsteinkirchen zur Erinnerung: Jesus Christus ist doch
hier in unserer Mitte, auch in dieser noch unwirtlichen, manchmal feindlichen
Umgebung. Und diese Kirchen waren eben nicht nur geistlicher, sondern auch ganz
praktischer Zufluchtsort, nicht nur bei Unwettern als zunächst einziger Bau aus
Stein, sondern auch, wenn etwa Raubritter kamen. Dann passte die ganze
Dorfgemeinschaft, notfalls mit Schafen, Hühnern und Ziegen, in die Kirche, die
nur ganz kleine Fenster hatte, welche zu verschließen waren. Das war eine feste
Burg – bis es Kanonen gab.
1495 kam der „Allgemeine Landfrieden“. Der
Kaiser verfügte, dass nun nicht mehr das Recht des Stärkeren galt. Bis dahin konnte
etwa ein Ritter zum Bauern sagen: „Gib mir Deine Kuh! Wir kämpfen!“ Und da er
besser ausgerüstet war, wechselte die Kuh meist den Besitzer. Das sollte nun
Geschichte sein, und wurde groß gefeiert. Für Naundorf etwa goss man extra eine
Friedensglocke, 1496.
Die Raubritter aber wurden nun „klamm“. In
Seyda waren die berüchtigsten Raubritter der Mark Brandenburg zuhause, die von
Quitzows. Sie wussten, was dicke Mauern wert sind, Burggraben und Zugbrücke.
Aber nun hatten sie keine Einnahmequelle
mehr. Sie verkauften die Burg Sydow an den sächsischen Kurfürsten für 20.000
Meißner Gulden – und ein Stück Heide an ein Kloster in Jüterbog, weshalb es
eine „Nonnenheide“ bei Gentha gibt und einen „Roten-Kreuz-Weg“ schon damals,
weil diese Nonnen als Kennzeichnung rote Kreuze an ihrer „Uniform“ hatten.
1501 entstand das Amt Seyda mit den 15 Orten
ringsherum, direkt dem Kurfürsten unterstellt. Er sagte den Bewohnern seinen
Schutz zu – dafür mussten sie Abgaben leisten. Zunächst – das dauerte fünf
Jahre – ließ er ein Amtsbuch anfertigen, um festzustellen, wer wo wohnte und
wie viel er besaß – um dann entsprechende „Steuern“ festzulegen. Bemerkenswert
bleibt, dass die Pachtpreise etwa dann über 300 Jahre gleich blieben. Sie
wurden in Naturalien geleistet und sind deshalb – anders als verschiedene
Währungen – exakt vergleichbar.
Da
können wir uns nun über die Amtsrechnungen ein recht genaues Bild von der
Burgbesatzung machen – erst nach und nach wurde die Burg abgetragen und das
Amtshaus gebaut, was heute noch steht, gebaut 1605.
Natürlich
gab es eine kleine Schutztruppe mit einem Hauptmann, die vor allem polizeiliche
Aufgaben zu erledigen hatte. Bis auf die „Halsgerichtsbarkeit“ konnte in den
flämisch geprägten Orten auch vieles innerhalb des Ortes durch den „Richter“
oder „Schulzen“ erledigt werden – weshalb diese Namen so zahlreich vorkommen.
Bemerkenswert ist das „Weihnachtsgeld“, was es schon damals für die
Bediensteten gab. Und eine „Finke“ hat sich bis in unsere Tage erhalten, es ist
der Fachwerkbau auf dem „Berg“ und diente als Gefängnis. Aus mehr als ein paar
Mann bestand die Schutztruppe nie, weshalb es auch einen Fluchtgang gab, falls
es „heiß“ wurde: Im Keller des Amtshauses ist sein Beginn noch zu finden, und
man kann einen rechten Schrecken bekommen, wenn plötzlich einer dort
herauskommt – eine Lehrerin aus Seyda hat das im Repertoire ihres
Geschichtsunterrichts.
Zu
Zeiten Friedrich des Weisen gab es zwar Soldaten – aber Sachsen führte keinen
Krieg. Überliefert ist, dass er Probleme mit der aufmüpfigen Stadt Erfurt
hatte, und Berater ihm empfahlen, doch militärisch einzugreifen. „Wieviel Tote
wird es geben?“ fragte er. „Höchstens vier.“ war die Antwort. „Vier sind vier
zu viel.“ sagte er. Doch Friedrich der Weise starb 1525.
Recht genau kennen wir die Namen der
Einwohner der Umgebung dann durch die „Türkensteuer“: Die Türken standen vor
Wien, 1529. Das war eine Bedrohung des Reiches – und so musste jeder, auch im
kleinsten Dorf, seinen Verteidigungsbeitrag leisten – mit Abgaben und
Ausrüstungen für Soldaten, wenn die Bauern nicht selber kämpfen wollten.
Gleich
nach Luthers Tod wurde im Schmalkaldischen Krieg ganz in unserer Nähe die
Schlacht bei Mühlberg geschlagen. Um die Söldner zu finanzieren, waren sogar
die Vasa Sacra, die Abendmahlsgeräte und das Taufgeschirr, abzugeben – weshalb
es hier nichts ganz Altes mehr gibt. Aber dennoch wurde der Krieg verloren, der
Kurfürst musste abdanken, ein neuer, kaisertreuer, kam an die Macht: Ein
Verwandter, ein Sachse. Die Reformation aber, um die es vordergründig ging,
konnte nicht mehr aufgehalten werden, zu tief war sie schon in den Gemeinden
verwurzelt.
Es
ist Luthers Land – er war ja selbst hier und hat die Errichtung einer Schule
und eines Hospitals angeregt. Und mit der Reformation gab es auch das „landesherrliche Kirchenregiment“,
der Kurfürst, später König und Kaiser waren „summus episcopus“, höchster
Bischof, die Pfarrer staatlich angestellt. Das führte dann etwa dazu, dass nach
dem – für Sachsen verlorenen – Befreiungskrieg 1815 von der Kanzel aus die
Verfügung des nun preußischen Königs verkündet werden musste: „§1 Es gab schon
immer und wird immer Frieden sein zwischen Sachsen und Preußen. §2 Aus großer
Dankbarkeit Preußen gegenüber gibt Sachsen diese Gebiete hier ab.“ Die Provinz Sachsen entstand, die bis 1944
Bestand hatte, als Kirchenprovinz bis 2008.
Doch darf hier nicht der „Große Krieg“
vergessen werden, der Schlimmstes über das ganze Land brachte: Viele Orte
verschwanden damals ganz. Der Dreißigjährige Krieg! Schon 1625 zog Wallenstein
durch unser Gebiet, und besonders in den 30iger Jahren gab es durch schwedische
und kaiserliche Heerhaufen schwere Verwüstungen
und Zerstörungen. In der Turmkugel von Mellnitz wird daran erinnert:
„Was sich nicht in unwegsame
Sümpfe und Wälder flüchten konnte, das ging verloren; und was von der Geisel
des Krieges und den wilden Lüsten entmenschter Kriegshorden verschont geblieben
war, das fiel der Hungersnot und der Pest zum Opfer.
In den Jahren 1635 und 1636
müssen die Kriegsnöte nach den Schilderungen eines Augenzeugen, des damaligen
Superintendenten Mühlig, die furchtbarste Höhe erreicht haben. Heerhaufen um
Heerhaufen zogen kreuz und quer von Ort zu Ort, und jeder stellte seine unerfüllbaren
Forderungen. Die Leute, die doch nichts mehr hatten und herbeischaffen konnten,
wurden gemisshandelt und zu Tode gequält und gefoltert. Frauenschändung war an
der Tagesordnung. Keine wurde geschont, der man habhaft werden konnte, auch
Kinder und Greisinnen nicht. Den Männern reichte man den Schwedentrunk und
füllte ihnen Mistjauche ein, bis sie starben, nur weil die Menschen kein Geld
mehr hatten und keine Lebensmittel und Vieh, das man von ihnen haben wollte.
Alles, was noch fliehen konnte, floh.“
Der
Seydaer Pfarrer floh auch, nach Wittenberg, von vielen Orten blieben nur noch
einzelne bewohnte Gehöfte übrig, so in Naundorf eines, in Gadegast zwei, in
Mellnitz lagen 1671 von acht Höfen sechs wüst, in Gentha überlebten nur zwei
Witwen und zwei Witwer, deren Neuanfang von der Kurfürstin Hedwig mit
Ackergerät und Vieh unterstützt wurden – wie auch mit dem Bau und der
Unterhaltung der Kirche, zum Trost und zur Hoffnung.
Die
acht heute nachts leuchtenden Windräder nordwestlich von Seyda erinnern an
Rogösen, einen im Dreißigjährigen Krieg verschwundenen Ort – die Gadegaster
Bauern teilten die Ackerflächen unter sich – das hat sich jetzt besonders
ausgezahlt.
Teilweise
waren selbst die Kirchen über 80 Jahre lang Ruinen: So wird in Morxdorf
anlässlich einer Trauung 1720 berichtet, dass diese Feier zum ersten Mal wieder
im Gotteshaus stattfinden konnte.
Ganz
langsam erholten sich die Orte, in speziellen Hausgeschichten konnte die
Entstehung der Dörfer in ihrer jetzigen Gestalt – Haus für Haus – erforscht
werden. Was in kurzer Zeit zerstört wurde, brauchte über 100 Jahre, um – meist
auch nicht so groß wie vorher – wieder zu erstehen. Elster zum Beispiel wurde
vom „Stedtlein“, wovon noch ein Grabstein in der Kirche wie auch der „Markt“
zeugen, zu einem kleineren Ort, der erst viel später durch die Eisenbahn wieder
zu neuer Blüte kam.
In
der Kirche in Seyda wird an die Männer erinnert, die den strukturellen
Wiederaufbau schafften, schon im 18.
Jahrhundert: Das Grabmal eines Amtsmannes, worauf man – auf Latein – lesen
kann: „Ich war zehn Jahrfünfte hier tätig – mach mir das mal nach, dann reden
wir drüber!“ und das Ölbild des Superintendenten Zacharias Hilliger, der in 45
Jahren beharrlicher Arbeit Unterricht und Gemeindeleben wieder in Gang setzte.
Eine militärische Schutztruppe des Kurfürsten
war seit 1701 für genau 50 Jahre in der Heide eingesetzt, mit besonderem
Auftrag: Dort standen die Brennöfen einer Glashütte – noch heute kann man ihre
Standorte erkennen, sie haben jetzt etwa die Größe mächtiger Ameisenhaufen,
auch Glasreste einer sehr feinen, kunstvollen Produktion sind heute noch zu
finden – die Abfälle hier; die feinen, geschliffenen Gläser beispielsweise auf
Schloss Moritzburg bei Dresden. Sie zierten die festlichen Tafeln August des
Starken und seiner Nachfolger, und es war eine große Kunst. Deshalb brauchte es
diese Schutztruppe, damit es nicht zu „Industriespionage“ oder gar zum Raub der Fachleute kam – nicht umsonst
wurde Böttcher, der das „weiße Gold“ erfunden hatte, in Festungshaft gehalten.
Kunkel, der als Alchimist hier die Glasherstellung erfand, hatte auch den
Auftrag, „Gold zu machen“. Als er sich wegen geringen Gehalts beschwerte, kam
prompt die Antwort aus Dresden: „Kann Kunkel Gold machen, bedarf er meines
nicht. Kann Kunkel kein Gold machen, scher er sich zum Teufel.“ Kunkel gelang –
trotz Schutztruppe – dann die Flucht gen Brandenburg, wo er mit offenen Armen
empfangen wurde.
Die Grenze zu Preußen war nahe, so ist auch
der Siebenjährige Krieg nicht spurlos an unserer Gegend vorbeigegangen. „Soldatenwitwen“
sind in den Seydaer Kirchenbüchern nur zwischen 1773 und 1791 vermerkt, sechs
an der Zahl. Und 1781 heißt es zweimal bei Taufen: Vater war ein preußischer
(!) Soldat und ein preußischer Offizier. Von Kämpfen hier ist aber nichts
überliefert. Geschossen wurde mehr bei
den Jagden in der Heide…
1795 fand die letzte Hinrichtung in Seyda statt.
Ein pensionierter Soldat, der mit seinem ausgezahlten Sold auf der Heimreise
war und davon im Wirtshaus erzählt hatte, wurde in der Heide erschlagen und
beraubt. Der Täter, ein Schmied, floh. Durch einen Soldaten, der im
Lothringischen unterwegs war, wurde er erkannt – heimgeholt und bestraft.
Richtig nahe kamen Kriegshandlungen dann
wieder mit Napoleon. Schon 1807 heißt es in einem Taufeintrag: „Vater ein
französischer Soldat“. Sachsen verbündete sich mit Frankreich und wurde dadurch
zum „Königreich“, hatte dafür aber dann einen hohen Preis zu bezahlen. Die
„Befreiungslinde“ auf dem Kirchplatz erinnert daran. Sie wurde von den Preußen
gepflanzt, die das Gebiet einnahmen, und die in Waffenbrüderschaft mit den
Russen standen. So ist es eine kaukasische Linde, man sieht es deutlich, wenn
man die Blätter in näheren Augenschein nimmt – und tatsächlich – so hat ein
dendrologisches Gutachten ergeben, ist sie über 200 Jahre alt.
In
Dennewitz ganz in der Nähe war am 6. September 1813 eine große Schlacht vor der
entscheidenden „Völkerschlacht“ bei Leipzig am 18. Oktober. Es kämpften hier
110.000 Soldaten, und 33.000 fielen an einem einzigen Tag. Alle fünf Jahre
werden diese Kämpfe durch Theatergruppen und Traditionsvereine nachgestellt,
und rings um Dennewitz gibt es viele Denkmale, die an dieses große militärische
Ereignis erinnern. Zum Beispiel wird an der Mühle in Gölsdorf an eine
Friederike gedacht, die – verkleidet als Mann – mitkämpfte, um die Heimat zu
befreien, in Dennewitz selbst steht ein Denkmal von Blücher mit der
Unterschrift: „Die Freiheit und das Himmelreich erkämpfen keine Halben!“
In
Gadegast bei Seyda fand einen Tag vorher, am 5. September, eine kleinere
militärische Auseinandersetzung statt, auf die das Denkmal vor der Kirche, mit
Preußenadler und Kanonenkugeln, hinweist. Es wurde 1913 errichtet.
Bei
dem „Treffen bei Gadegast“ fielen 300 Soldaten und 15 Offiziere – und nur eine
Zivilperson kam ums Leben, eine 84jährige Frau, die nicht mit in die Sümpfe
floh, weil sie dachte: „Mir kann ja nichts passieren.“ Sie erhielt einen
Streifschuss und kam so ums Leben. Ein Haus brannte ab, ausgerechnet das, wo
die Kirchenkasse aufbewahrt wurde, so dass in der ansonsten lückenlosen
Rechnungsführung dieses Jahr fehlt.
Die
Folgen für die Zivilbevölkerung zeigten sich erst drei Monate später an
ausbrechenden Seuchen, 10% der Bevölkerung starb, ganze Familien waren
betroffen, so dass etliche Wirtschaften – auch durch starke
Bevölkerungswanderungen – ihre Besitzer wechselten. Der Hopfenanbau in und um Seyda
fand ein Ende, weil die durchziehenden Truppen die Stangen zum Heizen
nutzten; ein neuer, schmucker großer Kirchturm – derselbe wie in
Schönewalde – war geplant und wurde
wegen des Regierungswechsels nun nicht umgesetzt, erst 1854 erhielt Seyda einen
schlichten, eben in preußischer Art. Noch 30 Jahre später war die Sehnsucht
nach dem alten Sachsen – so Zeugnisse in der Turmkugel – zu spüren.
Graf
Bernadotte residierte als Befehlshaber von wohl 6.000 Mann, die in Seyda und
Umgebung einquartiert waren, im Amtshaus, und soll den Gottesdienst besucht
haben – die Franzosen machten also nicht immer Pferdeställe aus den Kirchen.
Ein schwedischer Professor, Nachfahre von ihm,
hat dies berichtet.
Auch
aus Naundorf wird eine Anekdote aus dieser Zeit überliefert, die in dem
Theaterstück zu einer Szene führte:
Vierte
Szene: Der alte Tisch.
Zwei
Leute.
Erster:
Was hast denn du da?
Zweiter:
Einen Tisch.
Erster:
Schon ein bisschen angegangen, wie?
Zweiter:
Na, weißt Du, wer hier schon gesessen hat?
Erster:
Der Kaiser von China. (Grimasse)
Zweiter:
Nein! – Aber Napoleon.
Erster
und Zweiter: stecken Hand an die Seite.
Erster:
Echt?
Zweiter:
Naja. Jedenfalls einer von seinen Leuten. Ein französischer Offizier. Nr 1 in
Naundorf hat er gewohnt, und hier dran gesessen.
Erster:
Ach so.
(Hand
wieder von der Seite weg.)
Zweiter:
Und dann, dann haben sie hier jemandem etwas abgehauen.
Erster
(schreckt zurück): So? – Was denn?
Zweiter:
Eine Hand!
(Erster:
steckt schnell die Hand wieder in die Seite, zweiter auch.)
Dass die Franzosen damals sehr rabiat mit
ihren eigenen Leuten umgingen, berichten auch heute noch alte Leute: Nach der
verlorenen Schlacht bei Dennewitz wurden 13 Offiziere erschossen, zu ihrem
Gedächtnis stehen in der Nähe von Naundorf Bäume in einem Hain.
Dazu
gibt es immer auch Berichte von Menschlichkeit in schlimmen Zeiten: Fahrende
Juden brachten einen im Russlandfeldzug Verwundeten zurück in die Heimat – bis
nach Lüttchenseyda!
Es war das letzte Mal, dass – bis 1945 – in
Seyda direkt Kriegshandlungen stattfanden. Aber natürlich hieß es – besonders
in Preußen – für viele junge Männer, Soldat zu werden.
Einer,
in den 30iger Jahren des 19. Jahrhunderts in Lothringen stationiert, kehrte
glücklich wieder heim – und ein paar Monate später kam ein junges Mädchen von
dort gelaufen, öffnete das Hoftor voller Freude und rief: „Da ist ja mein
Kowak!“ Das war offensichtlich ein Kosewort, und wenig später wurde ein
gemeinsamer Sohn geboren, der der noch heute in Seyda bekannten Familie zu
ihrem besonderen Namen verhalf: Man sagt „Schulze-Kowak“ oder – wegen des
Talentes des Urahnen – „Mützen-Schulze“, um die vielen Schulzes in Seyda
auseinander zu halten.
Die
Kirchenbücher berichten auch von Unfällen während der Militärzeit, auch im
Frieden. Ein 19jähriger stirbt 1893 im Militärlazarett in Magdeburg, ein
„Militärinvalide“ heiratet im gleichen Jahr mit 23 Jahren, ein anderer bringt
1911 bis 1921 immerhin 6 Kinder zur Taufe, und ein 26jähriger fällt beim
Militär vom Feld und stirbt (1860).
Die
allseits bekannte Seydaer Blasmusik hat ihren Ursprung bei Julius Schulze
(1851-1945), der zuerst Militärmusiker war.
Der Krieg von 1870 brachte die Reichseinigung
und der Sieg über Frankreich viel Geld ins Land, auch nach Seyda: Eine neue
Schule wurde 1881 gebaut, im gleichen Jahr eine große Orgel von dem bekannten
Orgelbaumeister Geissler aus Eilenburg, und
1883 der Diest-Hof als Arbeiterkolonie begründet. Das war dann schon in
den Zeiten der Depression, dem
„Gründerkrach“, der auf den Aufschwung folgte.
Kaiser
Wilhelm bekam – in Uniform und mit Pferd – ein Denkmal am Markt mit der
Aufschrift: „Sei getreu bis in den Tod!“, und auch sonst war die Begeisterung
für das Militärische groß – mit Jubel zog man in den Ersten Weltkrieg.
Im benachbarten Jüterbog waren große kaiserliche
Kasernen errichtet worden, sie mussten mit Lebensmitteln versorgt werden: Das
brachte viel Geld – viele Neubauten auf den alten Bauernwirtschaften waren
möglich in diesen Jahren des Kaiserreiches – doch nun kam die große
Ernüchterung: Die Not des Krieges.
Pastor
Voigt aus Gadegast schrieb seinen ehemaligen Konfirmanden an die Fronten und
schickte ihnen das Gemeindeblatt, die „Heimatgrüße“. Er bekam Antworten von
allen Fronten. Da ist der Enthusiasmus der ersten Tage zu spüren – und die
große Wende, als es dann zu erster „Feindberührung“ und traumatischen
Erlebnissen kam. Der Pastor versuchte nach Kräften, „seinen Jungs“ beizustehen,
Sammlungen wurden durchgeführt, Pakete gepackt – und mancher Brief an
Obrigkeiten geschrieben, um Verwundete näher in die Heimat zu bekommen.
Besonders
bemerkenswert ist aus dieser Zeit ebenso eine Sammlung von Feldpostbriefen
eines Bauern aus Naundorf, Otto Hannemann. Er schrieb fast jeden Tag nach Hause
– und bekam von dort Antwort, und alles ist überliefert. Von Anfang an war er
skeptisch „dem Morden gegenüber“, gleich zu Beginn wurde er am Bein verletzt,
so dass er viele Monate lang im Lazarett im Liegen zubringen musste und sich
kaum bewegen konnte. Mit Bleistift, auf dem Rücken liegend, hat er geschrieben
– und man kann staunen, welche Weitsicht aus diesen Briefen spricht: Ein Blick
auf die Feinde und den ganzen Krieg, der ganz und gar nicht der üblichen
Propaganda entsprach – gespeist durch ein festes Gottvertrauen. Er kannte seine
Bibel und sein Gesangbuch, und er hat daraus geschöpft. Gleichzeitig ist es ein
Zeitzeugnis über die Nöte der Zeit: Er wusste, dass er als „Krüppel“ nicht mehr
voll leistungsfähig in der heimischen Landwirtschaft war, in geradezu
liebevoller Weise berät er sich schriftlich mit seinem alten Vater über die
praktisch zu tuenden Dinge auf den Feldern und in den Ställen. Am Ende ist er
heimgekommen und 1953 gestorben.
Der Erste Weltkrieg zerbrach die alte Ordnung
grundlegend, es herrschte Hunger und Not. Eine Folge war die Wilderei –
den Umgang mit der Waffe hatten die
Männer gelernt – was zum Förstermord am
8. Mai 1921 führte. Daran erinnert ein Gedenkstein in der Heide, und die
mysteriöse Geschichte der Aufklärung – mit Hellseherin und Beichte – wird
sicher in diesem Jahr neu erzählt werden.
Der 123 Opfer aus Seyda – eine unheimlich große Zahl für das kleine Städtchen mit knapp 1.500
Einwohnern – wurde mit einem großen Denkmal auf dem Friedhof in Form eines
mächtigen Würfels gedacht, und mit zahlreichen Gedächtnisfeiern. Auch in
Gadegast ließ Pastor Voigt ein weiteres großes Kriegerdenkmal in der Mitte des
Dorfes errichten, ein Findling wurde dafür herangebracht, und an jeden
Gefallenen erinnerte ein Feldstein.
Die
Neue Straße war damals die aufstrebende Straße in Seyda: Hier gab es schon vor
dem Krieg Bananen, frischen Nord- und Ostseefisch, Motorräder und manches mehr, die Butter der Molkerei
wurde bis nach Bremen geliefert und bekam Goldmedaillen, etliche Handwerker
waren bis nach Berlin hin beschäftigt, ein Kanal war geplant, der an der Elbe
bei Listerfehrda an Seyda vorbei eine direkte Wasserstraße zur Spree werden
sollte. Aber mit dem Weltkrieg brach fast alles zusammen. Viele
Handwerksmeister und ihre Söhne kehrten nicht zurück. Der Neuen Straße sieht
man es leider noch heute an.
Orgelpfeifen
und – 1944 noch einmal – Glocken mussten abgegeben werden – erst 100 Jahre
später konnte die Orgel wieder komplettiert und 2017 eine neue zweite Bronzeglocke gegossen werden, wo
früher einmal vier Glocken läuteten.
Die
Erinnerung an den Weltkrieg wurde jedoch schon früh und dann immer mehr in den
Ruf nach Vergeltung verwandelt: 1933 kam Hitler an die Macht, der das in seinem
Programm hatte.
1936 endete die forstwirtschaftliche Nutzung der
Heide, die kleine – durch Soldaten im Kaiserreich einmal in kürzester Zeit
errichtete kleine Waldbahn wurde abgebaut – und ein Übungsplatz errichtet. Die
Invasion Kretas mit Fallschirmspringern wurde hier geprobt, vor allem aber die
„Stukas“, „Sturzkampfflieger“ in einem „Bombodrom“ getestet. Sie waren bei Jüterbog
stationiert. In einem Betonkegel saß ein Melder auf dem Übungsfeld und hatte
über die Treffsicherheit zu berichten. Die militärische Nutzung der Heide wurde
von der sowjetischen Armee vor allem mit Panzern fortgesetzt und fand endgültig
erst 1993 ihr Ende. Noch heute ist es wegen der Munitionsreste bei großer
Strafe verboten, die meisten Flächen zu begehen – mit viel Mühe und viel Geld
wurden einige Hauptwege nach der Wende beräumt. In der Mitte der Heide erinnert
eine „Heimateiche“ an das Geschehen. Dort sind die Bilder der „Mondlandschaft“,
die entstanden war, zu sehen. Die Eiche, selbst mit vielen Bombensplittern
gespickt, blieb stehen – und ist immer noch und wieder grün. Zu Himmelfahrt
findet dort – außer 2020 – jeweils eine Andacht statt.
In der Heide finden sich verschiedene
Absturzstellen von Flugzeugen, so bei Mügeln und bei Morxdorf. In Mark Zwuschen
gab es bis 1945 einen Militärflugplatz,
und die Absturzstelle in der Nähe verweist auf eine „Luftschlacht“, in
der sich ein einzelner, offensichtlich junger deutscher Pilot – wir haben
seinen Verlobungsring gefunden – einer „fliegenden Festung“ entgegenstellte,
also einem Bomberverband anglo-amerikanischer Flugzeuge, der Richtung Berlin
flog. Erst vor wenigen Jahren wurde der Mann geborgen und auf dem Morxdorfer
Friedhof begraben. Weil es vorher Einquartierungen gab, konnte eine Spur
verfolgt werden, die darauf hindeutete, dass eine Mutter in ihrem Garten
jahrzehntelang einen Gedenkstein für ihren vermissten Sohn pflegte, weil sie
nicht wusste, wo er geblieben war.
Auch
auf dem Friedhof in Seyda liegen Soldatengräber aus den letzten Kriegstagen,
ebenfalls von einem solchen Luftkampf. Hier sind Namen bekannt, jedoch wurde
bei den Ausgrabungen in jüngster Zeit meistens nur leere Munitionskisten mit Kleidungsstücken
gefunden: Das war wohl üblich in der Bedrängnis, in der die deutschen Soldaten
standen. Selbst bei der Feier auf dem Friedhof gab es einen Fliegerangriff, sie
musste abgebrochen werden – und die verbliebenen Soldaten, die eben noch Salut geschossen
hatten, flohen gen Westen. Einer von ihnen kam nach zwei Jahren zurück, er fand
seine Liebe wieder – und wir konnten noch miteinander „Gnadenhochzeit“ (nach 70
Jahren) feiern.
Ein
junger Soldat fiel am Tag der Kapitulation, am 8. Mai 1945, mancher auch erst
später, wie ein Grab vor der Kirche in Leetza zeigt.
Wer
deutsche Soldaten versteckte, für den war das lebensgefährlich: Am Ortseingang
von Seyda wurde deshalb eine ganze Familie an der Mauer, die heute noch steht,
erschossen.
Der
Volkssturm hatte Panzersperren errichtet, so in Mellnitz und in Seyda an der
Kreuzung Neue Straße/Jüterboger Straße; zum Glück waren sie nicht
unüberwindbar, so dass es nicht zu größeren Kampfhandlungen kam. Mutige Leute
gingen mit weißer Fahne den Russen entgegen, sie büßten ihre Stiefel und ihre
Uhren ein, aber behielten ihr Leben und retteten auch die Stadt vor einer Zerstörung.
In
Lüttchenseyda erschossen Hitlerjungs aus einem Keller heraus auf einer Kreuzung
einen russischen Offizier: Daraufhin wurde Lüttchenseyda beschossen, eine
Scheune brannte ab. Die Frau, die damals dort wohnte, sagte mir: „Wenn das in
Russland passiert wäre, hätten sie das ganze Dorf niedergebrannt.“ Tatsächlich
ist das 4885mal allein in Weißrussland geschehen, 627 Dörfer mitsamt der Bevölkerung.
Auch
ein Haus in Seyda brannte ab: Die russischen Soldaten sahen das Bild des Sohnes
in Uniform im Flur, das erregte ihren
Zorn. - Die letzten Kriegstage waren das große Trauma der
Rechtlosigkeit, was noch Jahrzehnte später nachwirkte, aber erst nach der Wende
offen zur Sprache kommen konnte. Unweit von hier, an der Elbe, trafen sich die
russischen und die amerikanischen Truppen.
Aber auch das, was im Krieg geschah, wirkte
noch lange nach. Viele Kriegerwitwen und viele Kriegswaisen gab es, die ohne
Väter aufwachsen mussten. Und viele, die ihre Heimat verloren hatten. In der
Nähe des Schützenhauses, im alten Reichsarbeitsdienstlager, entstand eine
Flüchtlings-Auffangstation. Manchmal trafen an einem Tag über 100 Menschen ein.
Sie wurden auf kleinen Karteikarten, mit Bleistift beschrieben, registriert,
und auf die Orte verteilt. Nicht selten gab es dabei unschöne Szenen: „Die
Jungen können arbeiten, die nehmen wir. Die Alten nicht!“. Fast in jedem Haus
mussten Flüchtlinge aufgenommen werden, das bedeutete, Zimmer abzugeben und
Küche und Waschgelegenheit mit Fremden zu teilen.
Bei
dem Versuch, eine Karte zu zeichnen mit den Orten, woher die „Vertriebenen“
kamen, war aussichtslos: Es sind zu viele, über 400 Ortschaften sind
dokumentiert. In Gentha und auch in Mark Zwuschen und Mark Friedersdorf fanden
Neuansiedlungen statt. Bemerkenswert ist, dass die Namen, die heute für Seyda
und die umliegenden Orte stehen, also von Bürgermeistern oder
Handwerksbetrieben, in ihrer Mehrheit erst mit dem Kriegsende hierher gekommen
sind.
Viele Männer waren gefallen: Die langen
Reihen der Namen an der Gedenktafel auf dem Friedhof, die der Heimatverein 2002
anfertigen ließ, erinnern daran. Und bei vielen war ihr Verbleib noch ungewiss.
Mancher hatte Glück und schlug sich bei Kriegsende zu Fuß in die Heimat durch –
andere wurden dabei entdeckt – auf dem Friedhof in Linda gibt es ein großes
Gräberfeld von deutschen Soldaten, die sich in der Heide verstecken wollten.
Wer als Gefangener nach Amerika kam oder in der Landwirtschaft in England oder
Frankreich eingesetzt wurde, spielte manchmal sogar mit dem Gedanken, dort zu
bleiben – allerdings wendete sich das Blatt im Westen nicht selten bei
Einsätzen in den Bergwerken oder in Minensuchkommandos.
Die
meisten waren nach vier langen Jahren wieder zu Hause – die letzten aber kamen
erst zehn Jahre nach Kriegsende, wie der Tischlermeister Otto Mechel, der als
„Spezialist“ in Russland eingesetzt war. Erhard Schlüter aus Naundorf, als 17jähriger eingezogen, erlebte vier Jahre
Kriegsgefangenschaft, immer zwischen Leben und Tod, und hat das nach der Wende
festgehalten und in vielen Lesungen besonders jungen Menschen nahe gebracht. An
einem Weihnachtsabend in Rußland dachte er, jetzt sei alles zu Ende.
Mitgefangene, die aus Hunger gestohlen und deshalb in der bitteren Kälte mit
der Unterkunft in einem Holzschuppen bestraft wurden, was den sicheren Tod
bedeutete, erfuhren die Solidarität ihrer Kameraden – darunter Erhard Schlüter
– die sich um die Hütte versammelten. Der Kommandant sah das als Meuterei und
ließ die Gewehre anlegen. In letzter Verzweiflung begann jemand, „Stille Nacht“
zu singen, und die Soldaten, die dem Tod ins Auge sahen, sangen mit. Da senkten
sich plötzlich die Gewehrläufe, der Kommandant drehte sich weg und befahl dann
allen, in die warmen Unterkünfte zurückzukehren. Es gab eine doppelte Ration
Essen und die – bisher zurückgehaltene – Post der letzten Monate. Ein
außergewöhnliches Erlebnis von Barmherzigkeit in diesen Zeiten.
Erhard Schlüter hat sich in seinem Heimatort
Naundorf sehr um die Errichtung eines Gedenksteins und das Erstellen eines
Buches bemüht, in dem alle Namen – es sind in dem kleinen Ort über 20 –
verzeichnet sind. Sie werden jedes Jahr am Volkstrauertag verlesen, und vor
einiger Zeit machte er den Vorschlag, auch den an Typhus verstorbenen
serbischen Kriegsgefangenen, der auf dem Friedhof begraben liegt, hinzuzufügen.
Nicht nur in Naundorf waren Kriegsgefangene
untergebracht und eingesetzt, sondern in allen Orten. Von den Franzosen in Morxdorf
wird erzählt, dass sie sich sonntags Froschschenkel gebraten haben. Von den
Engländern in Seyda, dass sie den Fließ bauen mussten, als Schutz vor
Hochwasser.
Herr
Schlüter hat den Abschuss eines englischen Piloten bei Naundorf erzählt, den er
als Junge miterlebte. Seine Geschichte hat er erforscht, er hatte gerade
geheiratet, es war sein erster Feindflug.
SS war in den letzten Kriegstagen eingesetzt,
die Todesmärsche aus Konzentrationslagern zu begleiten. Viele, zum Teil auch
vom Volkssturm erschossene oder an Entkräftung Gestorbene lagen in den
Straßengräben und wurden oft nur
notdürftig an Ort und Stelle begraben. Einer konnte sich retten, ein jüdischer
Arzt, der dann 1945 bis 1960 in Seyda Dienst tat.
Das Trauma des Krieges von jenen schlimmen
Tagen, aber auch von Fronterlebnissen blieb oft bis zum Lebensende;
Sonderurlaub wegen Teilnahme an Erschießungskommandos blieb unvergessen, wie
auch Kindheitserlebnisse an Väter oder Onkel. Ein Junge hatte sich hinter der
Gardine im Schlafzimmer versteckt, als der auf Urlaub gekommene Onkel sich im
Schoß seiner Mutter ausweinte und sagte: „Da werde ich nicht lebend
zurückkommen.“ – was dann auch zutraf.
Manche Frau, im Krieg verlobt, blieb
unverheiratet und konnte erst lange nach der Wende Gewissheit über den Verbleib
ihres Liebsten bekommen; manche, die damals Kinder waren, fanden durch
Recherchen auch da erst ihre Mutter wieder.
Jedes
Jahr am Volkstrauertag wird seid 1998 – immer aus verschiedenen Blickwinkeln –
an die Geschehnisse erinnert und zum Frieden gemahnt.
Einige Techniker, die auf den Flugplätzen um
Jüterbog beschäftigt gewesen waren, zogen mit den Soldaten quer durch
Deutschland nach Schleswig-Holstein und warteten dort das Kriegsende ab. Bauern
brachten sie unter und versorgten sie, und sie bauten als Gegenleistung und
wohl auch aus Dankbarkeit Bewässerungsanlagen auf den Feldern wie auch ein
Meldesystem, was das „Schwarz-Schlachten“ ungefährlicher machte, denn es war
dann schon länger vorher bekannt, wenn die Engländer zur Kontrolle unterwegs
waren.
„Nie wieder
Krieg“ – das war die einhellige Meinung nach all dem, und die Gefahr, dass der
Kalte Krieg in einen „heißen“ umschlagen konnte, immer gegeben.
Ein
Stimmungsbild, auf staatlichen Auftrag hin in Seyda in den 50iger Jahren
erstellt, spricht von dem großen Widerstand gegen die Aufstellung einer
„kasernierten Volkspolizei“ und der Rekrutierung einer neuen Armee.
Dennoch
gab es in der DDR später eine Militarisierung, die alle Bereiche der
Gesellschaft erfassen sollte, sie fing mit Liedern und Gedichten im
Kindergarten an, ging weiter in fast allen Unterrichtsfächern: das Üben von
Handgranaten-Imitationen in Sport, Mathematikaufgaben zu Winkeln über den
Abstand von Maschinengewehrnestern, Kriegsprosa bis hin zum Fach
„Wehrerziehung“, wo der Bunkerbau geübt wurde und auch, wie viel wie lange
hineingelassen werden können, damit der Sauerstoff reicht („pro Person drei
Kubikmeter für zehn Stunden“). Auch im Freizeitbereich war das so, bei der
„GST“ – Gesellschaft für Sport und Technik – konnte man Schiffsmodelle bauen
oder Funken, aber es gab deutlich die grünen Uniformen. Wer gut in der Schule
war, bekam am Schuljahresende eine Urkunde „bereit zur Arbeit und zur
Verteidigung der Heimat“, obligatorisch waren Wehrertüchtigungslager für die
Jungen, in denen das Schießen liegend, kniend und stehend geübt wurde. Wer
studieren wollte, kam kaum daran vorbei, sich für drei Jahre als Unteroffizier
zu verpflichten; die Werbung, Berufssoldat für 25 Jahre zu werden, war massiv,
und wer das tat, dem standen alle Türen offen.
Der Grundwehrdienst gehörte zur Normalität in
der DDR, und ein Kirchenältester sagte mir: „Unsere Armee hat keinen Schuss
abgegeben!“ Tatsächlich wurde kein Krieg geführt, wenn auch der Kalte Krieg ein
hochriskantes Spiel mit dem Feuer war. Und es wurden nur die eigenen Leute
erschossen – an der innerdeutschen Grenze.
Die Heide brannte oft, denn die sowjetischen
Streitkräfte übten dort mit Panzern das Schießen – und machten auch manches
Feuerchen, um sich zu versorgen. Der Seydaer Pfarrer schrieb um 1980 einmal
eine „Eingabe“ wegen des Fluglärms, die auch vom Rat des Kreises beantwortet
wurde: Er solle doch bitte die Nummern der Flugzeuge aufschreiben, damit dem
nachgegangen werden könne…
Panzer
rollten jahrzehntelang durch die Straßen, natürlich meistens auf Feldwegen,
aber bisweilen wurde auch – wie in Naundorf – die gerade erst befestigte Straße
fast unpassierbar gemacht, manche Mülltonne wurde plattgefahren – die
Panzerfahrer hatten eben nur einen kleinen Sehschlitz. Das führte an
Straßenecken auch dazu, dass ein Kanonenrohr bis ins Schlafzimmer ragte, so an
der Ecke Neue Straße/Jüterboger Straße in Seyda oder in Naundorf an der
Kreuzung am Ortseingang.
Die letzten Panzer, die zu einem
Militäreinsatz durch Seyda fuhren, waren auf dem Weg in die Tschechoslowakei.
Im August 1968 wurde dort mit einer halben Million Soldaten der Warschauer
Paktstaaten der „Prager Frühling“ niedergeschlagen. Ein Zeitgenosse berichtet,
es seien noch Soldaten dabei gewesen, die 1945 in Seyda einmarschiert waren,
und die kurz anhielten und „alte
Bekannte“ begrüßten. Seydaer Mähdrescherfahrer, die in Sachsen – wie es üblich
war – im Einsatz waren, wurden jedenfalls sofort zurückgeholt, auf den Feldern
dort fuhren nun Panzer auf. Soldaten der
„Nationalen Volksarmee“ der DDR waren am Ende nur in ganz geringem Maße
beteiligt (ca. 30), man fürchtete wohl zu sehr die Parallelen zu den
Ereignissen 30 Jahre vorher, wo nach dem Münchener Abkommen deutsche Soldaten
in Tschechien eingefallen waren.
Die
jüngste Jugendbegegnung mit Melnik bei Prag brachte Kontakte zu Schülern, die
an der selben Schule lernen, die Jan Palach besucht hatte, der sich aus Protest
gegen den Einmarsch auf dem Wenzelsplatz selbst angezündet hatte.
Mittelstreckenraketen, um die es besonders
beim Wettrüsten in den 80iger Jahren ging, und die die Friedensbewegung in West
und Ost auf den Plan brachte, waren auch in der Heide gelagert, gerade heute
stand wieder ein Artikel über den
Abtransport von Atomsprengköpfen vor 30 Jahren in der Zeitung – damals war
alles natürlich streng geheim.
Ein
Bunker ist bei Gentha im Wald zu besichtigen, offensichtlich eine
Kommandozentrale unter der Erde.
1968
gab es einen Einbruch sowjetischer Soldaten in die Kirche in Gentha – was sie
mitnahmen, waren Decken zum Wärmen.
Es war schon ein krasses Erlebnis, bei einer Fahrt
in die Ukraine 1998 in einem Dorf ins Haus gebeten zu werden und ein Fotoalbum
gezeigt zu bekommen mit den Worten: „Mein Sohn war auch in Deutschland.“ Was zu
sehen war, waren die Kasernenmauern – von innen.
Dass es bei all dem eine friedliche Revolution
gab, ist ein großes Wunder. In Seyda leben heute sowohl Menschen, die mit
demonstriert haben, als auch Bereitschaftspolizisten von damals miteinander, in
Leipzig stand man sich -
unbekannterweise – gegenüber, und beide Seiten sind froh, dass es so abgegangen
ist.
(Wenngleich
ich auch einen getroffen habe, der sich an einem 9. November die Mauer
zurückwünschte, er sagte, er würde auch einen Sack Zement dafür stiften, denn
die Veränderung der Wende hätte sein bisheriges Leben zerstört.)
Es kamen dann neue Erfahrungen. Gefragt, wo
ich denn nach dem Predigerseminar als Pfarrer eingesetzt werden wolle,
antwortete ich: „Wo Sie mich brauchen.“ Und so wurde mir vorgeschlagen, die
Militärpfarrstelle in Holzdorf zu übernehmen. Da ich aber schon in der Schule
das Schießen verweigert hatte (zweimal wurde mir gesagt, die Konsequenz wäre
der Schulrauswurf, was dann aber nicht erfolgte) und selbst zu den
„Bausoldaten“, die ohne Waffe ihren Dienst taten, nicht gehen wollte, hielt ich
mich an dieser Stelle für nicht geeignet, da ich nur diese Erfahrung mit
Militär hatte, und kam dann nach Seyda.
Ich erinnere mich noch lebendig an die große
Aufregung im Bosnienkrieg, als deutsche Soldaten erstmals wieder im Einsatz im
Ausland waren. Jahr für Jahr gibt es die Friedensdekade in Seyda, zehn Tage im
November, wo darüber nachgedacht wird, wie Frieden werden kann, und wo in
besonderer Weise für den Frieden gebetet wird.
Jugendliche,
meist frühere Konfirmanden, leisteten ihren Wehrdienst, manche verpflichteten
sich für eine längere Zeit: Und es war wieder ein bewegendes
Weihnachtserlebnis, mit den Eltern betend in der Kirche zu sitzen, die um ihren
Sohn in Afghanistan bangten, der dort in Kampfeinsätze verwickelt war.
Auf
Jugendfahrten – ob per Fahrrad in die nähere Umgebung, oder mit dem Bus in
andere Länder – wurde regelmäßig Station an Kriegerdenkmalen gemacht, die lange
Liste der Gefallenen gelesen – ob in Hemsendorf, einem kleinen Dorf ganz in der
Nähe, oder einem Dorf in Frankreich. In ganz Europa ist das zu finden! Seit
1995 gab es einen Deutsch-Polnischen Jugendaustausch, „50 Jahre Frieden“ hieß
die Überschrift bei gemeinsamen Andachten, an denen die Besucher wie auch
ehemalige Flüchtlinge teilnahmen: Sie hatten sogar einmal die gleiche Schule,
die gleiche Kirche besucht, in Sorau/Zary, in Kunzendorf/Kunice. Zwei
Generationen lagen nun dazwischen. Eindrücklich sind die regelmäßigen Auftritte
des Moskauer Männerchores und weißrussischer Musiker – und sie haben immer auch
diesen Hintergrund der gemeinsamen Geschichte und des Brückenbauens für den
Frieden.
2004
war ein Pastor aus Baltimore für längere Zeit zu Gast, der erste Amerikaner in
Seyda! Große Skepsis schlug ihm entgegen, es war die Zeit der Bush-Kriege –
aber er zeigte sich als jemand, der schon gegen den Vietnamkrieg demonstriert
hatte und so ganz anders war, als erwartet. Sein Co-Pfarrer war mit einer
Militärangehörigen verheiratet und führte mich auf die Militärbasis Annapolis,
eine ganz neue Sichtweise: Gott hat uns dieses Stärke gegeben, wir sind verantwortlich,
sie einzusetzen zum Schutz der Schwachen in der weiten Welt. Der Besuch im
Holocaust-Museum in Washington verlief ebenso anders, als erwartet: Am Schluss
stand die Frage: „Wo standen wir, wo war Amerika? Wir hätten Auschwitz
bombardieren können und haben es nicht getan. Das darf uns nicht wieder
passieren.“
Nicht nur bei der Fluthilfe 2002 und 2013
machte sich die Bundeswehr einen guten Namen in
unserer Region: Da wurde angepackt. Mit 20 Jugendlichen halfen wir auch
in einem kleinen Dorf in der Nähe. In einem Gehöft, wo eine alte Frau allein
wohnte, machten wir uns zu schaffen, in Haus und Scheunen. Ein Bus der
Bundeswehr rollte heran. Anne aus der 9. Klasse sprang spontan auf die Straße
und brachte ihn zum Stehen. Der Offizier stieg aus und sie sprach ihn gleich
an: „Hier müssen Sie helfen! Wir schaffen das nicht.“ Der Offizier, erstaunt,
schaute sich die Lage an – und kommandierte kurzerhand Soldaten ab, uns zu
unterstützen.
Und nun hat also das jüngste Kapitel der
„Militärgeschichte“ begonnen, die Bundeswehr hilft auf dem Diest-Hof, und ich
bin mit vielen sehr dankbar dafür.
„Als
der Tag am heißesten war…“ so begann der Predigttext am 4. Advent, als wir
miteinander um den Diest-Hof bangten: „Als der Tag am heißesten war“ – da ist
es im Orient eben überall heiß, und da kann man nichts machen, da konnten wir
den Abraham gut verstehen, der da auf Hilfe wartete, immerhin verkroch er sich
nicht, sondern saß gespannt am Eingang seines Zeltes. Und dann kommen Männer zu
Besuch – Gott begegnet ihm in diesen Männern – und er bekommt Hilfe. Es ist
nicht zu fassen, Sara, seine Frau, lacht – es ist ein resigniertes Lachen: „Es
kann doch nicht sein!“, aber „bei Gott ist kein Ding unmöglich“ – so steht es
im Text. Und Abraham kommt – obwohl der Tag eben am heißesten war – in Bewegung, er tut, was er
kann, und deckt den Tisch mit allem, was ihm möglich ist, die Gäste zu
empfangen.
Am
Abend des 4. Advent kam die Nachricht vom Landeskommando, dass der Einsatz vom
nächsten Tag an möglich sei, und Familie Kramer/Passoth haben den allergrößten
Teil der Gastfreundschaft übernommen und
im „Storchennest“ in Arnsdorf gute Unterkunft geschaffen. Vielen herzlichen
Dank Ihnen!
Er ist nun ein besonderer Teil unserer
Geschichte und wird uns in Erinnerung bleiben: Der Einsatz der Kampftaucher der
Bundeswehr auf dem Diest-Hof „als der Tag am heißesten war“.
Bild vorn: Denkmal Gadegast bei Mondschein, Januar
2021.
Bild auf Seite 2:
Postkarte von 1916, gedruckt in Stendal.