Wie der Spargel zu uns kam.
Eine kleine Recherche des Gemeindenachmittags Seyda.
Für Kaiser Augustus gehörte der
Spargel so zum Leben, dass von ihm die Redewendung überliefert worden ist:
Seine Aufträge sollten bitteschön schneller ausführt werden, als Spargel kochen
kann, „citius quam asparagus coqunatur".
Also schon für die alten Römer
gehörte der Spargel zum Festmahl, Cato hat (175 v. Chr.) genau den Anbau
beschrieben – und sie verbreiteten die Delikatesse in ihrem Reich über halb
Europa. Seyda gehörte nicht dazu, und nach den Römern wurde die Sache mit dem
Spargel erstmal vergessen, nur in Klostergärten war er noch als Heilkraut zu
finden.
Vor 500 Jahren dann entdeckten die
Könige das edle Gemüse wieder, Ludwig XIV. zwang seine Gärtner, Spargel auch
während des Winters zu liefern. Im Stuttgarter Lustgarten wird seit 250 Jahren
Spargel als Nahrungsmittel angebaut, auch in anderen Gegenden Deutschland, etwa
um Berlin, kennt man seit ca. 300 Jahren den grünen Spargel – in Norddeutschland
mehr den weißen. Wohl eher zufällig ist durch Abdeckung entdeckt worden, dass
der „bleiche“ Spargel einen besonderen Geschmack hat, so dass man ihn dann
unter der Erde wachsen ließ. Eine große Popularisierung des Spargels brachte
aber erst die Möglichkeit der Konservierung in Dosen am Ende des 19.
Jahrhunderts.
Einer, der den Spargelanbau in
größerem Stil in unsere Gegend brachte, ist Alfred Nitsche. Er war aus
Felgentreu bei Jüterbog gekommen, 1937: Das Dorf wurde evakuiert, um einen
großen Truppenübungsplatz zu bauen. So kam er nach Zemnick und baute auf dem
„Hundeland“ – so nannte man ein Stück ödes Land im Wald, wo früher die Jäger
die Hunde sammelten – östlich von Zemnick Spargel an. Zimmermeister Otto Werner
wurde als Junge von seinem Vater von Gadegast nach Zemnick geschickt, um von
Nitsches Spargel zu holen.
Aus Gentha wird berichtet, dass
auch das Rittergut vor dem Krieg Spargel anbaute. Für das Festessen am Sonntag
konnte jeder dort einkaufen und bei Frau
Hemeter (der Frau des Gutsbesitzers) bezahlen; „das ganze Haus roch
danach“.
Alfred Nitsche hatte auch schon in
Felgentreu Spargelfelder, hier in Zemnick war es allerdings schwierig: Es gab
keine Beregnung, und wenig Wasser. Um mit dem „Soll“ in den 50iger Jahren nicht
in Schwierigkeiten zu kommen, wurde die Anbaufläche verkleinert, auf ca. 1 ½
Morgen.
Heinz Meyer, Gärtner aus Jessen,
heiratete nach Gadegast, und baute dort für die LPG zuerst grünen Spargel an
(westlich von Gadegast), dann weißen Spargel (auf dem „Magisteracker“ nördlich
von Seyda, wo auch heute – wieder – Spargel angebaut wird). So hatte die LPG
von Anfang an etwas Spargel im Anbau, in den 70er Jahren waren es etwa 2 Hektar
– eben auf dem Kirchenacker und hinter
dem Schützenhaus – und der Ertrag war nicht sehr groß.
Er hatte aber eine besondere
Bedeutung: Konnten doch mit diesem Spargel in der ganzen Republik Ersatzteile
eingetauscht werden! „Nach der Spargelernte waren alle Traktoren repariert“ –
sagte man scherzhaft. Erich Schwarzer aus Mark Zwuschen beispielsweise war viel
unterwegs, und er fragte auch schon einmal eine Frau aus Seyda, ob sie etwas
Spargel aus ihrem Garten abgeben könnte – er wolle noch ein paar Teile
tauschen…
Nach der Wende erlebte die
Spargelproduktion einen neuen Aufschwung. Gerhard Wolter von den Jessener
Bergen hatte bei Seydaland mit 40 Hektar Spargel angefangen. Er schaute sich in
ganz Deutschland um und besorgte aus Nordrhein-Westfalen Stecklinge. Zuerst
wurden sie im Raum Leipa-Arnsdorf in die Erde gebracht, mit Heinz Pötzsch, Rainer
Räbiger u.a.
Es gab nun keinen Mangel mehr an
Spargel. Viele Leute aus der Umgebung beteiligten sich zuerst am „Spargel
stechen“. Zur Aufbereitung wurden Kühlzellen eingerichtet, eine alte
Chicoree-Anlage dafür genutzt.
Um den Spargel noch besser zu
vermarkten, wurde der Begriff „Jessener Spargel“ geprägt, und es gibt viele
Verkaufsstände in der Nähe und in der Ferne. Das „Spargelfest“ am 1. Mai gehört
seit vielen Jahren zum Festkalender unseres Städtchens und der Region,
ausgerichtet vom großen Agrarbetrieb „Seydaland“. Auch eine „Spargelprinzessin“
gibt es – die 8. ist zur Zeit Vivien Grosser -, und regelmäßig einen lustigen
Wettbewerb, wer am besten Spargel schälen kann – in Erinnerung ist, dass Dr.
Bauer dort einmal mit großem Abstand gewann.
Auch jetzt sind fleißige
Erntehelfer unterwegs, von hier und aus anderen europäischen Ländern – und –
coronabedingt – von den Zirkus- und Schaustellerfamilien aus Seyda. Herzlichen
Dank allen, die sich um diese Köstlichkeit aus unserem Heimatboden bemühen – und guten Appetit!