SONDERAUSGABE ZUM
KIRCHENTAG DER DIAKONIE
LUTHERSTADT WITTENBERG 1998
Die
Seydaer
Studenten
in Wittenberg
im Jahrhundert der
lutherischen
Reformation
und der Glaubenserneuerung.
Ein Beitrag zur Stadt-
und Kirchengeschichte Seydas im 16. Jahrhundert von Hans-Jochen Seidel,
Wittenberg.
Seydaer Stadt- und Kirchengeschichte, Band 1.
Herausgegeben von der Kirche in Seyda 1998.
Seyda am Fläming, 3. Auflage 1998
Dieser
kleine historische Beitrag ist der Kirchengemeinde und allen Bürgerinnen und
Bürgern der Stadt Seyda gewidmet.
Wittenberg, den 4. April
1998 Hans-Jochen Seidel
Mit
dem Wirken des großen Reformators Dr. Martin Luther (1483-1546) und seiner
Mitstreiter, zu denen Philipp Melanchthon (1497-1560) gehörte, entwickelte sich
die im Jahre 1502 gegründete Universität Wittenberg nach 1517 zu einer Pflanz-
und Lehrstätte der neuen reformatorischen Ideen und
geisteswissenschaftlich-theologischen Neuentdeckungen, gepaart mit den
Bildungsidealen des neu entstandenen humanistischen Wissens.
Dafür sorgte besonders
der seit dem Jahre 1518 in Wittenberg als Professor für die griechische Sprache
und für das artistische Grundstudium tätige Philipp Melanchthon. Von 1502 bis
1602 hatten sich insgesamt 43.802 Studenten aus allen Gebieten des deutschen
Sprachraumes und aus ganz Europa zum Studium bei der Wittenberger Universität
einschreiben lassen. Der sachliche statistische und somit der personelle
studentische Lernfleiß konnte im selben Zeitraum von keiner anderen Universität
im damaligen Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation übertroffen
werden. So lassen sich für Leipzig in dieser Zeit nur 37.257 und für die
Universität in Frankfurt an der Oder nur 19.733 immatrikulierte bzw.
eingeschriebene Studenten nachweisen. Die Universität in Ingolstadt zählte im
Vergleichszeitraum 18.117 Studenten, die Universität in Köln verzeichnete
15.887 Studenten, die in Tübingen brachte es auf 13.890 Studenten, in Rostock waren
es 13.045. Die Heidelberger Universität stand mit 12.570 Eintragungen weit
abgeschlagen, ebenso Freiburg im Breisgau mit 12.377 Studenten, Erfurt mit
11.152 und Greifswald nur mit 3.349.
Aus
der kleinen Ackerbürgerstadt Seyda kamen insgesamt 30 Studenten im ersten
Jahrhundert des Bestehens der Wittenberger Universität zum Studium in die
Kurstadt an der Elbe, um hier Wissen und Bildung fürs Leben zu erwerben.
Seyda entstand vermutlich
im 12. Jahrhundert als ostelbische Ansiedlung von
zumeist flämischen Kolonisten, wobei das Land schon von wendischen Bauern
ursprünglich dünn besiedelt war. Die Kolonisierung und Besiedlung des ostelbischen Landes geschah in enger Verbindung mit
intensiver christlicher Missionierung in vielerlei Gestalt.
Im ostelbischen
Gebiet waren im Mittelalter neue Missionsbistümer entstanden. Nahe bei Seyda,
an der Einmündung der Schwarzen Elster in die Elbe, lag der Schnittpunkt der
Grenzen zum Erzbistum Magdeburg und den beiden Bistümern Brandenburg und
Meißen. Seyda lag damals im Gebiet des alten Bistums Brandenburg.
Für diese Zeit ist auch
der frühe Lehnsbesitz der Ministerialen und Schenken
von Landsberg nachweisbar. Sie waren als Vasallen im Bereich der Meißnischen Ostmark und der Markgrafen von Meißen ins ostelbische Gebiet gekommen und erwarben auch hier
erweiterten Land- und Lehnsbesitz. Durch Verkauf kam
die Herrschaft und die Ansiedlung Seyda im Jahre 1235 an die Schenken von Sydow, zum Ende des 13. Jahrhunderts ging die Herrschaft
Seyda an die in Zahna ansässige Familie dieses
Adelshauses, welche sich als Herren von Wederden bezeichnete.
Nach deren Aussterben war die Herrschaft von 1366 bis zum Jahre 1501 wieder im
Besitz der adligen Vasallen und Schenken von Landsberg, welche es wohl
notgedrungen an den kurfürstlichen Landesherren Friedrich III., den Weisen
(1463, Regierungszeit: 1486-1525) verkaufen mußten.
Die Kaufsumme, welche der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise für die
Herrschaft Seyda mit Seyda bezahlen mußte, betrug um
die 20.000 Meißner Silbergulden. Dies geschah zum Jahre 1501, daß Herrschaft und Ort Seyda in den eigenen kurfürstlichen Lehnsbesitz überging. Damit entstand aus der Herrschaft
Seyda ein eigenes kursächsisches Amt innerhalb des alten Herzogtums Sachsen,
welches auch „Kurkreis“ bzw. „Kurland“ genannt wurde.
Seyda, zum Jahr 1506 als
„stetchen“ bezeichnet, umfaßte
mit seiner kleinen Stadtflur 20 Hufen Land, wobei vier Hufen Land davon
Kirchenland bzw. „Pfarrhufen“ waren. In Seyda sind damals 42 landbesitzende Männer gezählt worden, steuerpflichtige
Ackerbürger. Unter Hinzufügung der Familienangehörigen und des zu den 42
Haushaltungen gehörigen Personals wie Mägde, Knechte und Gesellen ergibt sich
nach vorsichtiger Schätzung eine vermutliche Einwohnerzahl von 200 bis 250.
Die
Eröffnung der Universität Wittenberg im Jahre 1502 war ein ehrgeiziges,
„infrastrukturelles Projekt“ des Kurfürsten Friedrich des Weisen und seines
mitregierenden jüngeren Bruders Johann des Beständigen (1468, Regierungszeit:
1525-1532), der nach dem Tod seines Bruders Friedrich im Jahre 1525 zur
Regentschaft kam. Um für die Eröffnung der Universität in Wittenberg zum 18.
Oktober 1502 zu werben, bedienten sich der Kurfürst Friedrich der Weise und
sein Bruder Johann der Beständige des neuen Mediums der gedruckten Nachricht.
Dazu wurde ein auf Papier gedruckter Anschlagzettel gefertigt, der in alle
Himmelsrichtungen verbreitet und angeschlagen wurde. Nur noch ein einziges
Exemplar dieser gedruckten Nachricht ist bis auf unsere Tage überliefert und
befindet sich heute im Bestand der Marienbibliothek zu Halle an der Saale.
Dieses Papier trägt
folgenden Text in originaler Diktion:
„Allen und yeclichen, waß stands oder wesens die sind, geistlichen und werntlichen
empieten wier von gottes gnaden Friedrich, des heiligen Römischen reichs erzmarschalk unde churfürste, unde Johannes gebrödere herzogen
zu Sachsen, landtgraven in Döringen und marggraven zu Meissen unsern freuntlichen dienst unde was wir liebs unde gut vermögen, gruß, gnade und alles gute, wie sich das einem jeden nach
seinem stande gebürt, und
fügen euch hirmit wissen: nachdem wier
betrachten und bewegen, das viel leute und personen sind vom adel und
anderen stenden, die zu lernen lieb und neigung haben, auch darzu
geschickt erfunden werden, aber des durch unfleiß und
mangel güter und gelerter meister verhindert und geseumpt,
darumb wier fürgenommen, gott dem almechtigen zu lobe, gemeinem nutz und unsern underthanden und anderen zu fürderung
etlich gelerte personen, docotores und meister
in unsser stat Wittenberg
an der Elbe in unsers herzog Friderichs churfürstenthum
zu Sachssen gelegen, zu bestellen und zu verorden uß vergunst
und erlaubnus der oberhant,
in den freien künsten, der heiligen schrift, geistlichen unde werntlichen rechten, erzenei, poeterei und andern künsten uff itzund Luce des heiligen evangelisten
fest anfenglich zu lesen und exerciren,
auch in denselben künsten zu promoviren.
und haben uß sundern gnaden
verordent, das diejhenen,
die da studiren söllen in berürten faculteten, drei jare die nechsten nach einander volgend frei promovirt werden.
wir wellen auch die personen, so an gedachtes ende zu
lesen unde zu studiren
kommen, mit geburenden freiheiten
fürsehen, dabei hanthaben
und gnediglich beschutzen.
darnach sich ein jeder mag haben zu richten.“
Der
erste Student aus Seyda kam zum laufenden Sommersemester 1507 zum Studium nach
Wittenberg. Seine Matrikeleintragung lautet „Thomas hofmann
de Sydow“, und mit ihm waren zu diesem Semester 112
Studenten angereist. Das Rektorenamt lag in den Händen des Doktors beider
Rechte Christoph Scheurl (1481-1542). Über die
einzelnen Studenten aus Seyda ist sehr wenig bekannt, jedoch verrät der Name
Hofmann, daß es sich um eine süddeutsche Namensform
handelt. Der Name Hofmann steht für den alten Berufsnamen des Gutsverwalters
bzw. für einen Mann, welcher ein Landgut hütet und verwaltet. Die Wittenberger
Universitätsmatrikel bewahrt somit das alte und historische Namensgut der
männlichen Studenten aus Seyda, und dieses beinhaltet Informationen, woher die
Vorfahren dieser bürgerlichen Studenten im Mittelalter in den Fläming
zugewandert waren.
Die Immatrikulation bzw.
die „Inskription“, wie man damals sagte, war zugleich ein Rechtsakt. Die
Universität Wittenberg war eine eigenständige juristische Person, deren
oberster Schutzherr der jeweils regierende Kurfürst von Sachsen war. Die
Aufnahme bei der Universität war auch mit einem
Treueschwur auf den kurfürstlichen Landes- und Schutzherren der Universität
sowie auf die Universität selbst verbunden, um im „Schutz“ und „Schirm“ der
Universität zu lernen und zu leben. Es wurde Gehorsam gegenüber dem Lehrkörper
und dem Rektor gefordert, die Achtung der Statuten verlangt, und die Weisungen
des Lehrkörpers mußten diszipliniert befolgt werden.
Alle Studenten hatten sich der eigenständigen Jurisdiktion der Universität
unterzuordnen.
Zum
Ende des Wintersemesters 1512/1513, genau am 2. März 1513, kam „Antonius Swartz“ aus Seyda nach Wittenberg. Der Familienname Schwarz
beinhaltet einen niederdeutschen Eigenschaftsnamen und kennzeichnet einen
Menschen mit schwarzen Haaren oder einen Mann mit schwarzem Barthaar.
Die Studienleitung und
das Rektorat lag beim Gelehrten und Magister Sebastian Archimagirius,
der seinen deutschen Namen „Küchenmeister“ latinisiert hatte. Das
Wintersemester 1512/1513 wurde von 107 eingeschriebenen Studenten besucht.
Antonius Schwartz weilte zum Studium in Wittenberg, als Martin
Luther mit seiner ersten Vorlesung über die Psalmen begann. Martin Luther war
im Herbst 1508 ins Wittenberger Augustinerkloster versetzt worden, übernahm an
der Universität Vorlesungen über Philosophie und studierte selbst Theologie.
Ein Jahr später kehrte Martin Luther ins Erfurter Augustinerkloster zurück,
unternahm von November 1510 bis April 1511 eine Reise nach Rom in Ordensangelegenheiten und kam im September 1511 ins
Wittenberger Kloster zurück. Nach seiner Promotion zum Doktor der Theologie am
19. Oktober 1512 wirkte er als Professor für Theologie an der Wittenberger
Universität.
Es
gingen ganze 17 Jahre ins Land, bis sich am 12. Mai 1530 ein adliger Student
aus Seyda nach Wittenberg aufmachte. Seine Immatrikulationseintragung lautet: „Christianus de Bonna adiutor in Sidow“. Er war
vermutlich als einfacher oder niederer landesherrlicher Beamter in Seyda tätig
gewesen, bis er zum Sommersemester 1530 sein Studium begann.
Der Name des adligen
Studenten Christianus von Bonna
(Bonne) läßt die Vermutung zu, daß
seine Familie friesischen Ursprungs war, da die Namensform Bonna/Bonne
einen altfriesischen Personennamen beinhaltet.
Das
Sommersemester 1530 wurde von dem in demokratischer Wahl innerhalb des
Lehrkörpers gekürten Rektors und Gelehrten Johann Bernhardi
aus Feldkirch in Vorarlberg geleitet. Er war der
Bruder des berühmten Theologen und Kemberger Stadtpfarrers Bartholomäus Bernhardi (1487 - 1551), genannt „Velcurio“.
Zu diesem Semester waren
130 Studenten zum Studium nach Wittenberg angereist.
Das
Jahr 1536 war von einem besonderen Ereignis geprägt, welches mit der
kurfürstlichen Amtsverwaltung in Seyda in unmittelbarer Beziehung stand. Um die
Beköstigung der einfachen und sozial schwächeren Studenten bei der Universität
zu gewährleisten und um marktunabhängig zu bleiben, ordnete der Kurfürst Johann
der Beständige Schutzmaßnahmen an. Daraufhin erging an
den Seydaer Amtsschösser die Weisung, der Universität
Wittenberg 500 Scheffel Getreide aus der kurfürstlichen Lehns- und Amtseinnahme
zum niedrigen Preis von 100 Meißner Gulden, den Scheffel für vier Groschen, zu
verkaufen. Damit blieb die Universität vom Zukauf von überteuertem Getreide
verschont und konnte die soziale Studentenbeköstigung beibehalten.
Erst
nach 16 Jahren erfolgte wieder eine Wittenberger Matrikeleintragung zu einem
Studenten aus Seyda. Diese datiert zum Monat Juli 1546. Die Eintragung lautet: „Franciscus
Kratzer Sydaniensis“. Namenskundlich
deutet der Name „Kratzer“ auf den oberdeutschen und schlesischen Berufsnamen „Wollkratzer“
bzw. auf einen Mann, der die Wolle verarbeitet, hin.
Inzwischen
war in Kursachsen nach dem Tod des Kurfürsten Johann des Beständigen im Jahre
1532 ein Regentenwechsel eingetreten. Sein erstgeborener Sohn Johann Friedrich
der Großmütige (1503, Kurfürst von 1532 bis 1547, Herzog von 1547 bis 1553)
hatte seine Nachfolge angetreten.
Franciscus Kratzer kam
zum Sommersemester 1546 in die „Kurstadt“. Die Studienregie lag bei dem
erwählten Rektor und Professor der Poesie Johann Marcellus (1510 -1552) aus dem
fränkischen Königsberg. Dieses Semester wurde von 329 lernwilligen Studenten
besucht und war von großer Nachtrauer auf den Tod von Martin Luther getragen,
der während einer Reise ins Mansfelder Land am 18. Februar 1546 in Eisleben
verstarb und auf kurfürstlichen Befehl am 22. Februar 1546 in der Wittenberger Schloß- und Universitätkirche zur
ewigen Ruhe gebettet worden war.
Eine
weitere Seydaer Matrikeleintragung datiert vom 8. Dezember 1547, wo sich „Georgius Schwartz Sidoensis“ „gratis“ und ohne Aufnahmegebühr zum Studium
gemeldet hatte. Diese Zeit war von großen politischen Turbulenzen und Machtkämpfen
gekennzeichnet. Der Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige war im Jahre 1546
von Kaiser Karl V. (1500, Regierungszeit: 1516/1519 - 1556, verstarb nach dem
Regierungsverzicht am 21. September 1558 in Spanien) in die Reichsacht erklärt
worden. Es kam in dessen Folge zum Krieg zwischen den im Schmalkaldischen
Bund vereinten protestantischen Landesfürsten und dem Kaiser. Nach der
verlorenen Schlacht bei Mühlberg am 24. April 1547 und der Gefangennahme des
sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich des Großmütigen mußte
dieser am 19. Mai 1547 die Wittenberger Kapitulation unterschreiben und auf die
sächsische Kurwürde für immer verzichten. Sein Vetter Moritz (1521,
Regierungszeit: 1541/1547 - 1553) aus der albertinischen
Herrscherfamilie wurde vom Kaiser mit der sächsischen Kurfürstenwürde belehnt,
fortan war Wittenberg mit den Kurlanden im Besitz der Albertiner.
Die Universität
Wittenberg bildete selbst einen Landstand im kursächsischen Ständestaat, welche
im sächsischen Landtag ordentlichen Sitz und Stimme hatte. Zu den sächsischen
Landständen, an dessen Spitze der jeweils regierende sächsische Kurfürst stand,
gehörten die Prälaten (die hohe Geistlichkeit), die Grafen und Herren mit den
beiden Universitäten Wittenberg und Leipzig (nach 1547) sowie die adlige
Ritter- und Vasallenschaft und die damals acht
größten und bedeutendsten kursächsischen Städte. Diese waren Leipzig,
Wittenberg, Dresden, Zwickau, Freiberg, Chemnitz, Langensalza und Torgau.
Die kursächsische Landstandschaft der Universität Wittenberg war im 16.
Jahrhundert lehnsrechtlich durch den Besitz der
Dörfer Eutzsch, Melzwig, Piesteritz, Apollensdorf, Teuchel, Dietrichsdorf, Köpenick und Reuden,
mit Einschluß der Einkünfte und „Gefälle“ der Mühle
von Abtsdorf, fundiert worden.
Der im Jahre 1547 vom
Kaiser abgesetzte ernestinische Kurfürst Johann
Friedrich der Großmütige hatte am 24. November 1537 der Wittenberger
Universität die erbliche Gerichtsbarkeit in den Dörfern Pratau,
Apollensdorf, Piesteritz, Teuchel, Dietrichsdorf, Melzwig, Reuden, Eutzsch, Köpenick und Abtsdorf verliehen.
Der jeweils für ein
Studiensemester in demokratischer Wahl innerhalb des Lehrkörpers der
Universität erwählte Rektor (bei Ehrenrektoren in Verbindung mit einem
beigeordneten Vizerektor) durfte den Titel eines „Rectoris
Magnifici“ führen. Er trug bei feierlichen öffentlichen und akademischen Akten
seine kostbare Amtstracht und durfte die Insignien seiner akademischen Macht,
zwei kostbare silberne Zepter, vorantragen lassen. Außerdem besaß er das Recht,
bei den Versammlungen des kursächsischen Landtages zu erscheinen und die Stimme
der Universität zu führen. Mit dem Rektorenamt war
auch die Direktion aller die ganze Universität betreffenden Angelegenheiten und
die Ausübung der eigenständigen und akademischen Gerichtsbarkeit verbunden.
Als
Georg Schwartz aus Seyda im Wintersemester 1547/1548
in Wittenberg studierte, amtierte der Theologe Kaspar Cruciger
der Ältere (1504-1548) bis zu seinem Tod am 19. März 1548 als Wittenberger Universitätrektor. Ihm und Philipp Melanchthon war es wohl
zu danken, daß die Wittenberger Universität bestehen
blieb und ihren Lehrbetrieb fortsetzen konnte.
Vom
8. Oktober 1549 datiert die Matrikeleintragung von „Bartolomeus
Bertholdt ex Sido“. Dies
geschah zum auslaufenden Sommersemester 1549, wo sich insgesamt 312 Studenten
haben einschreiben lassen. Das Rektorat führte der Doktor der Medizin und
Mathematiker Jacob Milich (1501 - 1559).
Bartolomeus Bertholdt führte einen sogenannten
oberdeutschen Familiennamen, dessen mittelalterlicher Ursprung in dem einstigen
Personennamen „Berthold“ besteht. Von Bartolomeus Bertholdt ist bekannt, daß dieser
am 23. November 1552 vom Reformator und Doktor der Theologie Johann Bugenhagen (1485 - 1558), genannt Pomeranus,
nach Abschluß seines Studiums ordiniert und in das
Pfarramt nach Schweinitz berufen worden ist. Die im
ersten Band des Wittenberger Ordiniertenbuches überlieferte handschriftliche
Eintragung lautet: „Bartholomeus
Bertoldt von Sydo, Aus
dieser Vniuersitet beruffen
gein der Schweinitz im Chrufurstenthumb Sachssen zum Priesterambt.“
Die Ordination von
reformatorischen Pfarrern war in Wittenberg zu einem akademischen und
kirchenrechtlichen Brauch unter der Regie von Martin Luther und Johannes Bugenhagen geworden. Die Schriftlichkeit der Wittenberger
Ordinationen beginnt mit dem Jahr 1537, genau am 24. Juni diesen Jahres.
Das Wittenberger
Ordiniertenbuch bewahrt unter dem Datum vom 14. Oktober 1551 eine weitere
Eintragung:
„Johannes Kuemmelberger vonn Sayda, Cantor zu Grabow, Beruffenn gein
Leutmestorff zum Priesterambt.“
Das
Sommersemester 1553 war vom Studienbesuch von fünf Bürgersöhnen aus Seyda
gekennzeichnet. Die Universitätsmatrikel verzeichnete zu diesem Semester
insgesamt 357 Immatrikulationen. Das Rektorenamt führte der Mediziner Melchior Fend (um 1486 - 1564). Am 13. August 1553 begannen „Adamnus (et) Joachimus Felgetreb Sydonien(sis)“ mit dem Studium in Wittenberg. Der alte Familienname „Felgetreb“ wird durch die wissenschaftliche Namenskund in zweifacher Weise erklärt. Die erste Erklärung
besteht in der Annahme, daß es sich hier um einen
Orts- bzw. Herkunftsnamen handelt. In „Felgetreb“
scheint der Ortsname des Dorfes Felgentreu bei Jüterbog zu stecken. Die andere
etymologische Erklärung besagt, daß mit dem
Namenswort „Felgetreb“ der oberdeutsche und
mitteldeutsche Berufsname des Felgenhauers bzw. des Radmachers gemeint sei. Bei
der Gleichnamigkeit der Studenten Adam und Joachim Felgentreb
kann ein nahes verwandschaftliches Verhältnis
vermutet werden, obwohl in der Matrikel der Wittenberger Universität dazu keine weiteren Informationen
notiert wurden.
Bereits
zum 19. Semester 1553 wurde der Studienbeginn der drei Brüder „Casparus, Joannes et Georgius Rott, D(omini) Pastoris Caspari Rott in Sidau filii“ (= Caspar, Johannes
und Georg Rott, die Söhne des Herrn Pfarrers Caspar Rott aus Seyda) in der Wittenberger Matrikel notiert.
„Caspar Rott“ der Ältere stammte aus der schwäbischen Reichsstadt
Nördlingen und kam zum Wintersemester 1537/1538 unter dem Rektorat des Doktors
der Medizin Augustin Schurff (1495 - 1548) zum
Studium nach Wittenberg. Nach Abschluß seines
Studiums ordinierte Johann Bugenhagen am 15. Juni
1541 Caspar Roth den Älteren ins Pfarramt. Das Wittenberger Ordiniertenbuch bewahrt
folgende handschriftliche Eintragung:
„Casparus
Rot vonn Nördlingenn, Aus
dieser Vniuersitet beruffenn
gen Seyda zum Priesterambt.“
Caspar Roth führte von
1541 bis 1544 das Amt eines Diakons in Seyda und wirkte von 1553/1555 bis 1592
als Oberpfarrer und Superintendent in Seyda.
Die drei Brüder Caspar
der Jüngere, Johannes und Georg Roth folgen offensichtlich dem Bildungsweg
ihres Vaters Caspar Roth dem Älteren nach.
Nach Abschluß
seines Studiums wurde Caspar Roth der Jüngere am 4. Oktober 1564 vom Doktor der
Theologie Paul Eber (1511 - 1569) in der Wittenberger Stadtkirche ins Pfarramt
ordiniert. Sein jüngerer Bruder Georg wurde am 17. August 1572 durch seinen
Taufpaten, den Doktor der Theologie Friedrich Widebram
(1570 bis 1574 Erster Stadtpfarrer und Superintendent in Wittenberg) in
Wittenberg ins Pfarramt nach Brehna ordiniert.
Der Familienname Roth ist
eine oberdeutsche Namensform und benennt einen Menschen mit roten Haaren oder
einen Mann mit rotem Barthaar.
Zum
Ende des Wintersemester 1558/1559 wurde „Andreas Tribigk Sidensis“ als Student bei
der Wittenberger Universität eingeschrieben. Der Familienname „Tribigk“ stellt eine mitteldeutsche und niederdeutsche
Namensform dar und beinhaltet den Berufsnamen des Herstellers von „Trippen“, das sind Holzpantoffeln. Andreas Tribigk studierte unter dem Ehrenrektorat des jungen
hochadligen Mitstudenten und österreichischen Freiherrn Heinrich von Starhemberg (1540 - 1571), der wegen seines hohen
Adelsstandes in demokratischer Wahl ehrenhalber vom Lehrkörper der Universität
zum Rektor gekürt worden war. Die eigentliche Studienleitung lag beim
beigeordneten Vizerektor, dem Doktor der Medizin Veit Örtel
dem Älteren (1501 - 1570). Das Semester war von 258 eingeschriebenen Studenten
besucht worden.
Am 19. April 1560
verstarb in Wittenberg der Reformator und Gelehrte Philipp Melanchthon, der
während seiner Wirkungszeit von 1518 an viele Tausende Studenten zu Wissen und
Bildung geführt hatte. Um seine einmalige Persönlichkeit zu würdigen, erhielt
er den lateinischen Ehrentitel „Praeceptor Germaniae“, „Lehrer Deutschlands“. Er wurde neben dem Grab
Martin Luthers in der Wittenberger Schloß- und
Universitätskirche zur ewigen Ruhe gebettet.
Am
24. April 1562, gegen Ende des Wintersemesters 1561/1562, kam der Seydaer Bürgersohn
Andreas Gottschalk zum Studium in die Stadt an der Elbe. Der süddeutsche bzw. oberdeutsche
Familienname „Gottschalk“ ist ein mittelalterlicher Personen- und Vorname mit
der Wortbedeutung „Gottesknecht“.
Andreas Gottschalk aus
Seyda studierte unter der Regie des Rektors und Doktors beider Rechte Johann
Schneidewein (1519 - 1568), der in seiner Jugendzeit als „Ziehkind“ der
Eheleute Katharina und Martin Luther in deren Haus aufgenommen wurde, um hier
Erziehung, Wissen und Bildung aufzunehmen. Das Wintersemester 1561/1562 wurde
von 241 Studenten besucht.
Unter
dem Datum vom 7. Oktober 1567 wurde der Seydaer Student David Leicz in die Wittenberger Universitätsmatrikel
eingeschrieben. Sein Familienname „Leicz“
kennzeichnet namenskundlich einen sogenannten
Übernamen mit der Wortbedeutung des Berufsnamens: „Leicz“
kommt von „Leist“ und meint Schuhleisten, also ein Schuhmacher. In diesem Semester
waren 339 Studenten in Wittenberg eingeschrieben. Das Rektorat führte der
Doktor der Theologie Georg Maior (1502 - 1574).
Der
30. August 1568 war der Studienbeginn des Seydaer Bürgersohns Ambrosius
Matthias. Der Apostelname „Matthias“ ist aus der hebräischen Sprache entlehnt
und bedeutet „Geschenk Gottes“. Die Reliquien des Apostels und damit seine
besondere Verehrung im Mittelalter lag im
linksrheinischen Trier. Daher ist anzunehmen, daß der
christliche Familienname „Matthias“ ursprünglich im Rheinland und im Moseltal bodenständig war. Die Eintragung in der
Universitätsmatrikel ist ein Nachweis für das Vorkommen des Namens in Seyda im
16. Jahrhundert.
Ambrosius Matthias aus
Seyda begann zum laufenden Sommersemester sein Studium, die Studienleitung über
die zum Semester angereisten 491 Studenten lag beim Doktor der Medizin und der
Philosophie Kaspar Peucer (1525 - 1602), dem
Schwiegersohn des Reformators Philipp Melanchthon.
Zum
darauffolgenden Wintersemester 1568/1569, welches
unter dem Rektorat des Theologen Johann Bugenhagen
des Jüngeren (gestorben 1594) stand und von 226 immatrikulierten Studenten
besucht worden war, kamen auch die Seydaer Studenten Philipp und Barholomeus Froberg nach Wittenberg. Ihre Matrikeleintragung
datiert vom 24. November 1568.
Philipp
Roth, ein Seydaer Bürgersohn, kam am 27. September 1569 zum Ende des
Sommersemesters nach Wittenberg, um zu studieren. Mit ihm waren insgesamt 458 „Scholaren“ zum Semester eingeschrieben. Der junge
hochadlige böhmische Mitstudent und Freiherr Bohuslav
Joachim von Lobkowitz und Hassenstein
war zum Ehrenrektor erwählt worden, das Prorektorat
führte der Gelehrte und Doktor der Theologie Paul Crell
(1531 - 1579).
Ebenfalls zum 27.
September 1569 kam Caspar Neumann von Seyda zum Studium nach Wittenberg. Sein
oberdeutscher Familienname steht für einen Menschen, der neu zugezogen bzw.
zugewandert ist, ein „neuer Mann“.
Inzwischen
war es in den kursächsischen Ländern nach dem kriegerischen Tod des albertinischen Kurfürsten Moritz von Sachsen in der
Schlacht von Sievershausen nach dem 11. Juli 1553 erneut
zu einem Regentschaftswechsel gekommen. Sein jüngerer Bruder August (1526,
Regierungszeit: 1553 - 1586) hatte in diesem Jahr die Nachfolge als Kurfürst
von Sachsen angetreten. Nach dem Erreichen seiner Volljährigkeit war der noch
junge herzogliche Prinz August von Sachsen am 7. Oktober 1548 in Torgau mit der
königlichen Prinzessin Anna von Dänemark (1532 - 1585) verheiratet worden,
womit zwischen dem sächsischen Kurfürstenhaus und dem dänischen Königshaus enge
verwandschaftliche Beziehungen geknüpft wurden. Der
Vater der Kurfürstin Anna von Sachsen (ab 1553) war der dänische König
Christian III. (1503, Regierungszeit: 1534 - 1559), der bereits im Jahre 1536
in Dänemark und im Jahre 1537 in dem zu seinem Reich gehörenden Norwegen die
lutherische Reformation eingeführt hatte. Diese dänisch-nordische
Glaubenserneuerung beinhaltete eine umfassende Staatsreform, bei welcher der
Wittenberger Reformator und Theologe Johannes Bugenhagen,
genannt Doktor Pomeranus, eigens nach Dänemark
entsandt worden war und dort federführend gewirkt hatte.
Seit
dem letzten Studienbesuch eines Studenten aus Seyda im Jahre 1569 waren zehn
Jahre ins Land gegangen. Vom 1. Dezember 1579 datiert die Wittenberger
Matrikeleintragung des bürgerlichen Studenten „Salomon Weisbach Seidensis“. „Weisbach“ ist eine alte Ortsnamenform
bzw. ein Bauernname: Mensch oder Bauer, der am Weisbach wohnt bzw. Land am
Weisbach bewirtschaftet. Salomon Weisbachs Studienaufnahme erfolgte zum
laufenden Wintersemester 1578/1579, bei dem die Zahl der eingeschriebenen
Studenten 215 betrug. Das Rektorenamt versah der aus dem böhmischen
Joachimsthal stammende Doktor der Medizin Johann Mathesius
der Jüngere. Sein Vater war der berühmte Theologe und Reformator des böhmischen
Erzgebirges Johann Mathesius der Ältere (1504 - 1565)
aus Joachimsthal gewesen, welcher in seinen jungen Jahren nahe bei Martin
Luther und Philipp Melanchthon in Wittenberg studiert hatte. Er wurde nach dem
Tod von Martin Luther zum ersten Biographen dieses großen Reformators und
Theologen, womit er seinem Lehrer und guten Freund ein literarisches Denkmal
hinterlassen hat.
Zum
gleichen Studiensemester kam am 15. Dezember 1579 der Seydaer Pfarrerssohn
Andreas Örtel der Jüngere nach Wittenberg. Der
Familienname „Örtel“ ist oberdeutschen und auch
schlesischen Ursprungs. Darin steckt das altdeutsche Wort „Ort“, was „Spitze
des Speeres oder Schwertes“ bedeutet. Somit verbirgt sich hinter dem alten
Namen „Örtel“ die Umschreibung eines Menschen oder
Mannes, der mit dem Schwert oder Speer gut umgehen kann.
Andreas Örtels des Jüngeren Vater wirkte von 1562 bis 1572 als
Diakon in Seyda. Andreas Örtel der Ältere hatte wohl
in Leipzig studiert, war vier Jahre in Nürnberg gewesen, wirkte drei Jahre an
der Kirche in Elster und war vom Seydaer Superintendenten Caspar Roth dem
Älteren am 4. Februar 1562 in Wittenberg ins Pfarramt nach Seyda ordiniert
worden.
Eine
weitere studentische Matrikeleintragung erfolgte zum 4. November 1587 zum
laufenden Wintersemester 1587/1588: Augustin Sandt.
Er durfte sich offenbar wegen seiner sozialen Bedürftigkeit „gratis“ und ohne
Aufnahmegebühr bei der Wittenberger Universität einschreiben lassen. Das
Semester wurde von genau 222 eingeschriebenen Studenten besucht, die
Studienleitung lag beim erwählten Rektor und Mediziner Salomon Albert (1540
-1600), der aus der fränkischen Reichsstadt Nürnberg kam.
Der alte Familienname „Sandt“ entstand zum Ausgang des Mittelalters als kurze Form
eines Orts- bzw. Wohnortnamens und bedeutet: Mensch oder Bauer, der auf
sandigem Gelände wohnt und lebt.
Ein
Jahr später kam „Johann Krugk Seidensis“
zum laufenden Wintersemester 1589/1590 nach Wittenberg. Seine Immatrikulation
bei der Universität erfolgte zum 27. Oktober 1589, zusammen mit insgesamt 161 zugereisten Studenten. Das
Rektorrat wurde vom Gelehrten und Doktor der Medizin Franz Faber (1542 - 1593)
geführt.
Die in Seyda ansässige
und bodenständig gewordene Familie „Krugk“ (Krug) muß wohl einst aus dem oberdeutschen Gebiet zugezogen sein.
Der Name „Krug“ ist ein oberdeutscher Berufs- und Tätigkeitsname und umschreibt
den Krug- und Geschirrhändler, auch den Hausierer mit Tonwaren.
Während des Wintersemesters
1590/1591 besuchten fünf Bürgersöhne aus Seyda die Wittenberger Universität.
Der nur mäßige Studienbesuch zu diesem Semester belief sich auf 201
eingeschriebene Studenten.
Martin
Lotther (oberdeutscher Eigenschaftsname für
Lotterbube, Taugenichts oder für den Tätigkeitsnamen Gaukler und Schausteller)
und Thobias Ranft (mittelhochdeutscher Name: Mensch
oder Bauer, der auf einer gerodeten Stelle lebt) wurden zum 23. Januar 1591 in
die Wittenberger Matrikel eingetragen.
Der
Seydaer Bürgersohn Antonius Reich (oberdeutscher Name mit der Bedeutung „der
Reiche“, „der Wohlhabende“) wurde zum 3. März 1591 studentisches Mitglied der Leucorea.
Die
beiden Seydaer Andreas Tipenau (Herkunftsname zu Diebenau oder zu Düben) und
Johannes Krug durften sich aus sozialer Fürsorge „gratis“ und gebührenfrei bei
der Wittenberger Universität zum Studium einschreiben lassen.
Alle
fünf genannten Studenten lernten unter dem Ehrenrektorat des adligen
Mitstudenten und Freiherren Wichard von Promnitz, der
aus der Lausitz stammte. Das studienleitende Amt lag
beim Prorektor und Professor der Theologe Heinrich Maius
(1545 - 1607).
Als
im Jahre 1586 August, sächsischer Kurfürst und Schutzherr der Universität,
verstorben war, kam sein Sohn Christian I. (1560, Regierungszeit: 1586 - 1591)
zur kurzen Regentschaft. Kurfürst Christian I. von Sachsen trug den Namen
seines mütterlichen Großvaters, des dänischen Königs Christian III., und war
seit 1582 mit der kurbrandenburgischen Prinzessin Sophia (1568 - 1622)
verheiratet.
Nach dem Tod Christian I.
im Jahre 1591 in Dresden kam sein noch minderjähriger Sohn Christian II. von
Sachsen (1583, Regierungszeit unter Vormundschaft: 1591 - 1601, Kurfürst: 1601
- 1611) zur Regierung. Die Vormundschaft führten anfänglich gemeinsam der
Herzog Friedrich Wilhelm I. von Sachsen-Altenburg (1562, Regierungszeit: 1573/1586
- 1602) und der brandeburgische Kurfürst Johann Georg
(1525, Regierungszeit: 1571 - 1598), der mütterliche Großvater von Christian
II. von Sachsen. Erst nach dem Erreichen der Volljährigkeit heiratete der junge
sächsische Kurfürst Christian II. am 12. September 1602 in Dresden die dänische
Prinzessin Hedwig (1581 - 1641), eine Tochter des Königs Friedrich II. von
Dänemark (1534, Regierungszeit: 1559 - 1588). Die Kurfürstin Hedwig von Sachsen
überlebte ihren Ehemann Christian II., der am 23. Juni 1611 in Dresden
verstarb, um dreißig Lebensjahre. Sie nahm auf Schloß
Lichtenburg ihren Witwensitz und verstarb dort am 26. November 1641.
Am
24. April 1594 wurde „Paulus Nidermeyer Sidonensis“ Student in Wittenberg. Die Matrikel verzeichnete
zum Wintersemester 1593/1594 den Studienbesuch von 229 Studenten, die Universität wurde vom Rektor und Doktor
der Medizin Andreas Schato (1539 - 1603) regiert.
Die
letzten beiden Immatrikulationen von Seydaer Studenten erfolgten zum
Wintersemester 1599/1600. Das Semester wurde von 258 „Scholaren“
besucht. Zum 9. Februar 1600 kamen die wohl in einem nahen verwandschaftlichen
Verhältnis stehenden Seydaer Bürgersöhne Johannes und Andreas Piscator nach Wittenberg, um hier Wissen und Bildung zu
schöpfen. Die latinisierte Namensform „Piscator“
benennt den alten ostdeutschen und mitteldeutschen Berufsnamen des Fischers,
mit Einschluß des Fluß- und
Teichfischers.
Das Rektorat lag zum
Wintersemester 1599/1600 in den Händen des Doktors der Medizin Andreas Schato (1539-1603), der aus Torgau stammte und sich als
Gelehrter auch mit den Naturwissenschaften und der Mathematik beschäftigt
hatte.
Somit
wird sichtbar, daß durch den Lernfleiß von 30
Studenten aus Seyda im Jahrhundert der Reformation und Glaubenserneuerung die
Teilhabe der Ackerbürger und Handwerker aus Seyda an der reformatorischen
Bewegung sicher belegt ist.
Bei den zumeist
bürgerlichen Studenten aus Seyda ist auch das Sozialverhalten der kleinen
Lerngruppenbildung zu bemerken.
Aus
dem Umland von Seyda lassen sich für das 16. Jahrhundert drei Studenten in
Wittenberg nachweisen. „Andreas Nauman“, der Sohn des
Pfarrers zu Gadegast, kam am 17. November 1551,
mitten im laufenden Wintersemester 1551/1552, zum Studium nach Wittenberg. Das
Rektorat führte der Gelehrte und Theologe Paul Eber (1511-1569), der aus der
mainfränkischen Stadt Kitzingen gebürtig war. Die Zahl der studentischen
Immatrikulationen betrug damals 246. Die Universitätsmatrikel vermerkt zu
Andreas Naumann, daß sich dieser „gratis“ und somit
gebührenfrei zum Studium einschreiben lassen durfte.
Das Sommersemester 1593
wurde von 453 eingeschriebenen Studenten in Wittenberg besucht. Am 7. Juli 1593
begann „Bartholomaeus Matthesius
Gadegastensis“ sein Studium. Rektor Magnificus war
damals der Doktor beider Rechte Peter Heige (1559-1599),
welcher aus der pommerschen Stadt Stralsund gebürtig war und wegen seiner
umfänglichen Rechtskenntnisse zugleich das Amt eines kursächsischen Beamten und
Rates ausübte.
Eine weitere
Matrikeleintragung datiert vom 25. April 1602 und benennt den „Georgius Kölbel in Nauuendorff“, der zum auslaufenden Wintersemester 1601/1602
von Naundorf zum Studium nach Wittenberg gekommen
war. Georg Kölbels Familienname beinhaltet einen
oberdeutschen Tätigkeitsnamen: Mann oder Mensch, der hölzerne Kolben fertigt.
Zum Wintersemester 1601/1602 lag das Ehrenrektorat in den Händen des Mitstudenten
und sächsischen Prinzen August (1589-1615), der insgesamt zehn Semester in
Wittenberg studierte und während dieser Zeit dieses hohe akademische Amt ausübte. In diesem
Semester wurde der erwählte Vizerektor und Doktor der Medizin Ernst Hettenbach (1552-1616) dem Ehrenrektor August von Sachsen
beigeordnet. Herzog August von Sachsen (1589-1615) war der drittgeborene
Sohn des sächsischen Kurfürsten Christian I. (1560, Regierungszeit: 1586-1591)
und der jüngere leibliche Bruder der nacheinander zur Regentschaft gelangten
Kurfürsten Christian II. (1583, Regierungszeit: 1591/1601-1611) und Johann
Georg I. (1585, Regierungszeit: 1611-1656). Das Wintersemester 1601/1602
vermerkte insgesamt 310 zugereiste Studenten.
Mit
der Zunahme der pfarramtlichen Schriftlichkeit und der Führung von
handschriftlichen pfarramtlichen Personenstandsregistern nach dem Jahre 1560,
wohl eine verwaltungsrechtliche Neuerung der Wittenberger Theologen mit
flächendeckender Auswirkung auf den gesamten deutschen Sprachraum, lassen sich
auch Liebes- und Ehebeziehungen zwischen Seyda und
Wittenberg nachweisen. Von diesen ersten handschriftlich überlieferten
Ehebanden zwischen Seyda und Wittenberg sollen einige wenige Beispiele der
Vergessenheit entrissen werden, zitiert in der originalen frühneuhochdeutschen
Diktion. Das Wittenberger Traubuch verzeichnet unter dem Kalenderjahr 1564
folgende Eintragung:
„Martine Gammerman, Ein taglöhner, vnd jungkfraw Elisabeth, Cleman
Richters von Sida nachgelaßne
Tochter diese sind den 16 Aprilis auffgebotn
worden.“
Zum Kalenderjahr 1565
sind folgende beide Eheschließungen handschriftlich überliefert:
„Hans Gentsch, Ein taglöhner, vnd junckfraw Anna, Debes Tuembthens tochter von syda, diese sind den 21 Januarij
aufgeboten, vnd den 29 Januarij
vor dem schloßthor Ehelich zusamen
geben worden.“
Die andere pfarramtliche
Eintragung in Wittenberg von 1565 lautet:
„Peter Steinkopff von Thabrun, vnd Junckfra(w)
Zophia, Cleman Richters von
Sida nachgelaßene tochter, diese sint den 20 Augusti auffgeboten, vnd den 28 Augusti vor dem Elsterthor getrawt worden.“
Eine weitere Trauung ist
für das Kalenderjahr 1568 nachweisbar:
„Dauit Fickert,
Ein Fuhrman, vnd jungfraw Gertraut, Simon Nawmans nachgelaßene tochter von Sido, diese sint den 2 Februarij auffgeboten, vnd den XI Februarij in der Kirchen von dem Herrn Petro
Ezelio gedrawt worden.“
Auch zum Jahre 1570 sind
zwei pfarramtliche Eintragungen im Wittenberger Hochzeitsregister für Seyda
überliefert:
„Wendelinus Leffel von kreutzenach, Ein Buchdrucker, vnd
jungfraw Margaretha, Joachim Schwartzen
dochter von sido, diese sint den 23 Aprilis auffgeboten, vnd den Ersten maij von M(agister) Bernhardo Apitio gedrawt worden.“
Auch die Hochzeit des
Seydaer Pfarrerssohnes Georg Roth (ab 1572 Pfarrer in Brehna)
wurde im Wittenberger Trauregister notiert:
„M(agister) Georgius
Roth von Sida, vnd junkfraw Walburga, Nickel Hennings, deß
oeconimi tochter alhie, diese sint den 3 Septembris auffgeboten, vnd den 11 Septembris in der Kirchn von dem M(agister) Bernhardo Apiti(o) gedraut word(en).“
Im Kalenderjahr 1571
erfolgte in Wittenberg folgende christliche Eheschließung:
„Mattis Hase, Ein Zim(m)merman, vnd jungkfraw
Margaretha, Clemen Richters nachgelaßene
tochter zu Sidaw, diese sint den 14 Januarij auffgeboten, vnd den 22 Januarij in der Kirchen von dem M(agister)
Bernhardo Apitio gedrawt worden.“
Der kleine Beitrag mag
zum weiteren Nachdenken und zu vermehrter stadt- und kirchengeschichtlicher
Forschung Anlaß geben.
Für die hilfreiche
Unterstützung von Herrn Pfarrer Thomas Meinhof aus Seyda und von Herrn Pfarrer
Ulrich Beyer aus Zahna bei der Übersetzung von
lateinischen Texten zur Seydaer Geschichte möchte ich ganz freundlich Dank
sagen.
Vielen Dank auch der
Evangelischen Stadtkirchengemeinde Wittenberg für die Genehmigung, aus den
Kirchenbüchern zitieren zu dürfen.
Hans-Jochen Seidel
Literaturverzeichnis
(Auswahl)
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Vitebergensis ab a. Ch. MDII usque
MDLX. Ex autographo edidit
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Vol. 1 (1502 - 1560), Vol. 2 (1560 - 1602), Vol. 3 (Indices), Leipzig 1841,
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Vierhundertfünfzig Jahre Martin-Luther-Universtität Halle-Wittenberg, Band 1,
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Im
Jahrhundert der Reformation und der Glaubenserneuerung spielte die damalige
kleine kursächsische Amtsstadt Seyda eine nicht unwichtige Rolle bei der
Ausbreitung und Festigung der reformatorischen Bewegung.
Hans-Jochen Seidel,
Historiker aus Wittenberg, geht in diesem Beitrag der Verbindung der Kleinstadt
zum Zentrum der Reformation nach, indem er neben anderen Quellen insbesondere
die Immatrikulationslisten der Wittenberger Universität auswertet. Damit fällt
Licht in einen Abschnitt der Seydaer Geschichte, über den sonst wenig bekannt
ist, da die städtischen Akten durch Feuer wiederholt vernichtet worden sind. Es
werden Details der frühen Sozialgeschichte mitgeteilt und von den Familiennamen
her interessante Rückschlüsse auf die ursprüngliche Besiedlung des Gebietes in
spätmittelalterlicher Zeit gezogen.
Mit diesem Heft bitten
der Autor und die Kirchengemeinde um eine Spende zur Erhaltung der Stadtkirche
Seyda.
Bankverbindung:
Kirchengemeinde Seyda, Nr. 3300 103 095 bei der Sparkasse Elbe-Elster, BLZ 180
510 00.
Bestelladresse:
Evangelisches Pfarramt Seyda, Kirchplatz 1, 06918 Seyda, Tel./Fax:
035387/42254.
Lieber Herr Seidel,
eine Werbung machen wir
nicht. Für einen Scherenschnitt sehe ich zur Zeit auch
keine Möglichkeit.
Meinen Text dachte ich
als „Buchcover“ auf die Rückseite zu schreiben, damit man weiß, was drinsteht,
wenn man es in die Hand nimmt. Da die Adresse ja daruntersteht,
brauche ich vielleicht nicht noch einmal den Namen hinzuschreiben.
Vielen Dank auch für Ihre
Spende.
Ich staune immer, wie Sie
immer noch kleine Korrekturen finden.
Ein gesegnetes
Pfingstfest
wünscht Ihnen: