Friede
auf Erden.
Das
Zemnicker
Weihnachtsbuch
im
Jahr 2.000.
Für
die Bewohner des HEPORÖ.
„Euch ist heute der Heiland geboren!“
Herzlich grüße ich Sie zu
Weihnachten!
Weihnachten: Das ist Ihr
Fest! Gerade für Sie leuchtet dieses Licht auf, gerade in Ihr Leben kann der
Frieden von Weihnachten einziehen.
Bestimmt haben Sie es
wiedererkannt: Zu den Hirten, da kam die frohe Botschaft von Weihnachten
zuerst. Nicht in die warmen Stuben, sondern zu denen, die da nachts draußen
schlafen mußten, die wenig hatten: die wurden zuerst von Weihnachten erfaßt und
in Bewegung gesetzt. Dafür ist Jesus gekommen: Das es da, wo es finster ist,
hell wird!
Die Könige sind gekommen:
die von ganz fern, aus einer anderen Welt. Durch ein Zeichen, den Stern, sind
sie gekommen - und haben gefunden, was sie suchten: den Frieden für ihr Leben.
Jesus ist geboren: Einer
ist da, der uns hilft, der uns an der Seite steht, der uns treu ist und bleibt.
Mit dem wir reden können, der uns annimmt, wie wir sind. Der stark ist, stärker
selbst als der Tod. Zu uns ist er gekommen.
Das ist Weihnachten! Lassen
Sie sich doch von der Freude darüber anstecken!
Weihnachtsgottesdienst in
Zemnick: 26.12., 14.30 Uhr. Silvester: 10 Uhr. An jedem Sonn- und Feiertag ist
in Seyda um 10 Uhr Gottesdienst im geheizten Gemeinderaum, mit Kindergottesdienst,
Gemeindecafé, Büchertisch.
Die Weihnachtsgeschichte. Lukas 2.
"Es
begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß
alle Welt geschätzt würde.
Und
diese Schätzung war die allererste
und
geschah zur Zeit, da Quirinius Landpfleger in Syrien war.
Und
jedermann ging, daß er sich schätzen ließe,
ein
jeglicher in seine Stadt.
Da
machte sich auf auch Josef aus Galiläa,
aus
der Stadt Nazareth,
in
das jüdische Land zur Stadt Davids,
die
da heißt Bethlehem,
weil
er aus dem Hause und Geschlechte Davids war,
damit
er sich schätzen ließe
mit
Maria, seinem vertrauten Weibe,
die
war schwanger.
Und
als sie dort waren, kam die Zeit, daß sie
gebären
sollte.
Und
sie gebar ihren ersten Sohn
und
wickelte ihn in Windeln
und
legte ihn in eine Krippe;
denn
sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
Und
es waren Hirten in derselben Gegend
auf
dem Felde, die hüteten des Nachts ihre Herde.
Und
der Engel des Herrn trat zu ihnen,
und
die Klarheit des Herrn leuchtete um sie,
und
sie fürchteten sich sehr.
Und
der Engel sprach zu ihnen:
Fürchtet
Euch nicht!
Siehe,
ich verkündige Euch große Freude,
die
allem Volk widerfahren wird.
Denn
Euch ist heute der Heiland geboren,
welcher
ist Christus, der Herr,
in
der Stadt Davids.
Und
das habt zum Zeichen:
Ihr
werdet finden das Kind
in
Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
Und
alsbald waren da bei dem Engel
die
Menge der himmlischen Heerscharen,
die
lobten Gott und sprachen:
Ehre
sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden
bei
den Menschen seines Wohlgefallens!
Und
als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander:
Laßt
uns nun gehen nach Bethlehem
und
die Geschichte sehen, die da geschehen ist,
die
uns der Herr kundgetan hat.
Und
sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe
liegen.
Als
die Hirten es aber gesehen hatten,
breiteten
sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war.
Und
alle, vor die es kam, wunderten sich über das,
was
ihnen die Hirten gesagt hatten.
Maria
aber behielt alle diese Worte
und
bewegte sie in ihrem Herzen.
Und
die Hirten kehrten wieder um,
priesen
und lobten Gott für alles,
was
sie gehört und gesehen hatten,
wie
denn zu ihnen gesagt war.“
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!
Es kommt der Herr der Herrlichkeit,
ein König aller Königreich,
ein Heiland aller Welt zugleich,
der Heil und Leben mit sich bringt,
derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott, mein Schöpfer reich von Rat.
Er ist gerecht, ein Helfer wert; Sanftmütigkeit ist sein
Gefährt, sein Königskron ist Heiligkeit, sein Zepter ist Barmherzigkeit; all
unsre Not zum End er bringt, derhalben jauchzt, mit Freuden singt: Gelobet sei
mein Gott, mein Heiland groß von Tat.
O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich
hat. Wohl allen Herzen insgemein, da dieser König ziehet ein. Er ist die rechte
Freudensonn, bringt mit sich lauter Freud und Wonn. Gelobet sei mein Gott, mein
Tröster früh und spat.
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, eu´r Herz zum Tempel
zubereit. Die Zweiglein der Gottseligkeit steckt auf mit Andacht, Lust und
Freud; so kommt der König auch zu euch, ja, Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott, voll Rat, voll Tat, voll Gnad.
Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen
ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein, dein Freundlichkeit auch uns erschein. Dein
Heilger Geist uns führ und leit den Weg zur ewgen Seligkeit. Dem Namen dein, o
Herr, sei ewig Preis und Ehr.
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“
Wie das bekannteste Adventslied vor mehr als 300 Jahren in
Königsberg entstand. Von Friedemann Behr.
Trotz seiner blumigen und
altertümlichen Sprache von „Königszepter“ und „Zweiglein der Gottseligkeit“ ist
„Macht hoch die Tür“ das bekannteste Adventslied, das von Jung und Alt durch
alle Zeiten hindurch geliebt und gesungen wird. Es stammt von Georg Weissel,
einem Pfarrer in Königsberg, der in den schweren Jahren des Dreißigjährigen
Krieges gelebt und an den Folgen viel zu früh gestorben ist.
Über die Entstehung
dieses so sehr beliebten Adventsliedes liest man Folgendes: Pfarrer Weissel,
unterwegs in seiner Gemeinde, wurde von einem heftigen Schneegestöber, von der
rauen Ostsee her, überrascht. Nasser Schnee setzt sich am Mantel fest, verklebt
die Augen und nimmt die Sicht. Wie andere auch, sucht Georg Weissel Schutz und
findet ihn am Portal des Domes. Zufällig ist gerade der Küster da und öffnet
schnell und freundlich die rettende Tür, humorvoll mit den Worten: „Willkommen
in diesem Hause, hier ist jeder in gleicher Weise geachtet, ob Patrizier oder
Tagelöhner. Das Tor des Königs aller Könige steht jedem offen.“
Der Sturm dauert an.
Während der Wartezeit gehen diese Worte Pfarrer Weissel nicht aus dem Sinn, und
er schaut dabei fortgesetzt auf das wunderbare Portal des Königsberger Domes.
Da entstehen, fast wie von allein, in ihm Worte und Verse. Natürlich kommt ihm
dabei seine Bibelkenntnis zugute, denn er verwendet Wendungen aus dem 24.
Psalm: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der
Ehre einziehe!“ Und er erzählt die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem,
Matthäus 21,5: „Siehe, dein König kommt zu dir“. So wird „Macht hoch die Tür“,
besonders der aussagekräftige letzte Vers, für viele zum jährlichen
Adventsgebet, zur Bitte um diese offene Herzenstür.
Ein afrikanisches
Sprichwort sagt: „Gott besucht uns öfter, aber meistens sind wir nicht zu
Hause.“ Zu Hause sind wir schon, aber trotzdem bleibt unsere Tür leider
verschlossen, denn jetzt, gerade in diesem Augenblick, heute, passt es uns beim
besten Willen überhaupt nicht. Es liegt noch so viel vor, es fehlt einfach die
Zeit, es fehlt auch die „religiöse Stimmung“, die sich im Allgemeinen nur zu
Weihnachten einstellt oder irgendwann dann, wenn man alt geworden ist und sich
nicht mehr selbst helfen kann.
Daher ein gutes Wort für
jeden Tag der Adventszeit: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an“
(Offenbarung 3,20). Wer auf das Klopfen hört und dem Herrn auftut, in dessen
Leben mag sich all das ereignen, was Georg Weissel in seinem Lied besingt: „O
wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat. Wohl allen
Herzen insgemein, da dieser König ziehet ein.“
In allen fünf Versen geht
es um die persönliche Frömmigkeit, die Erlösung, um „meines Herzens Tür, die
offen ist zu Gott“. Sicher, von Pfarrer Weissel nicht erwähnt, weil es für ihn
in der Not des Krieges selbstverständlich war: Eine offene Tür für Gott öffnet
auch immer meine Tür für die Menschen an meiner Seite. In dem modernen
Adventslied „Wir sagen euch an den lieben Advent“, Evangelisches Gesangbuch Nr.
17, heißt es in den Strophen 2 und 3: „So nehmet euch eins um das andere an,
wie auch der Herr an uns getan. ... Nun tragt euer Güte hellen Schein weit in
die dunkle Welt hinein.“
Aus der Kirchenzeitung
„Die Kirche“, 50/2.000, 4.
Kleine
Weihnachtsfabel
Von
Ingeborg Fülderbrandt.
„Die Tiere diskutierten
einmal über Weihnachten. Sie stritten, was wohl die Hauptsache an Weihnachten
sei.
“Na klar, Gänsebraten!“
sagte der Fuchs. „Was wäre Weihnachten ohne Gänsebraten!“
„Schnee“, sagte der Eisbär,
„viel Schnee!“ Und er schwärmte verzückt: „Weiße Weihnachten!“
Das Reh sagte: „Ich brauche
aber einen Tannenbaum, sonst kann ich nicht Weihnachten feiern.“
„Aber nicht so viele
Kerzen“, heulte die Eule, „schön schummrig und gemütlich muß es sein, Stimmung
ist die Hauptsache.“
„Aber mein neues Kleid muß
man sehen“, sagte der Pfau, „wenn ich kein neues Kleid kriege, ist für mich
kein Weihnachten.“
„Und Schmuck!“ krächzte die
Elster, „jedes Weihnachtsfest kriege ich was: Einen Ring, ein Armband, eine
Brosche oder eine Kette, das ist für mich das Allerschönste an Weihnachten.“
„Na, aber bitte den Stollen
nicht vergessen“, brummte der Bär, „das ist doch die Hauptsache. Wenn es den
nicht gibt und all´ die süßen Sachen, verzichte ich auf Weihnachten.“
„Mach´s wie ich“, sagte der
Dachs, „pennen, pennen, das ist das Wahre. Weihnachten heißt für mich: Mal
richtig pennen!“
„Und saufen“, ergänzte der
Ochse, „mal richtig einen saufen und dann pennen“ - aber dann schrie er „Aua“,
denn der Esel hatte ihm einen gewaltigen Tritt versetzt: „Du Ochse, denkst Du
denn nicht an das Kind?“ Da senkte der Ochse beschämt den Kopf und sagte: „Das
Kind, ja, das Kind, das ist doch die Hauptsache.“ - „Übrigens“, fragte er dann
den Esel: „Wissen das die Menschen eigentlich?“
Weihnachtsgruß aus Mainz
Aus
dem Gemeindebrief der uns befreundeten Auferstehungsgemeinde.
Liebe Mitchristen,
wie viele wirklich
fröhliche Tage haben Sie im vergehenden Jahr erlebt?
Wie viele Sorgen haben Sie
in Ihrem Herzen hin- und hergeschoben?
Wie viele Versöhnungen
haben Sie gefeiert?
Wie viele erschütternde
Nachrichten haben Sie gelesen?
Wie viele
Katastrophenbilder gesehen?
Wie viele Liebeserklärungen
haben Sie gehört?
Wie viele Anfeindungen
erlebt?
Ein Jahr bringt uns allen
Zwiespältiges,
Zweideutiges, Zweifelhaftes.
Lassen Sie uns Station
machen
und einkehren
bei Gottes
JA.
Ich wünsche Ihnen ein
eindeutiges Christfest:
Ihr Stefan Claaß, Pfr. in
Mainz.
Polnisches Weihnachtslied
Als die Welt verloren, Christus ward geboren!
In das nächt´ge Dunkeln fällt ein strahlend Funkeln.
Und die Engel freudig singen, unterm Himmel hört man´s klingen:
Gloria, Gloria, Gloria in excelsis Deo!
Und die Engelscharen bei den Hirten waren,
brachten frohe Kunde von des Heilands Stunde:
„Bei den Herden nicht verweilet und nach Bethlehem hin eilet!“ Gloria, Gloria,
Gloria in excelsis Deo!
Zu dem heilgen Kinde eilten sie geschwinde,
konnten staunend sehen, was da war geschehen:
Gott im Himmel schenkt uns allen mit dem Kind sein Wohlgefallen: Gloria,
Gloria, Gloria in excelsis Deo!
Stille
Nacht
Aus dem Krippenspiel in Zemnick im Jahr 2.000.
Von Enrico Kettmann aus Elster.
Kalte Nacht, Dezembernacht,
Die Hirten sind bei Wind und Wetter wach.
Voller Hoffnung in grausiger Zeit,
Ziehen sie viele Meilen weit
Zum Kind das sie erlösen soll,
Das sie erlösen soll.
Kalte Nacht, feindliche Nacht,
Sogar Könige haben sich aufgemacht,
Um zu ehren das einzige nächtliche Licht,
Ein Stern in der Dunkelheit - einzige Sicht.
Heute sind sie wie alle Menschen,
So wie du und ich.
Weihnachten in der Kindheit.
Weihnachten, der Heilige
Abend: das weckt Erinnerungen, meist schöne Erinnerungen an die Kindheit. Wenn
man sie erzählt, ist es wieder ein wenig wie damals, und vielleicht kann man
dies oder das herüberholen ins Heute.
Weihnachten: da denke ich
an die Christvesper: die große, mit Kerzen erleuchtete Kirche, in die wir
Kinder in großer Schar als „himmlische Heerscharen“ einzogen, als die Engel mit
weißen Umhängen und Kerzen, alles wurde hell: „Euch ist heute der Heiland geboren!“
Der Heilige Abend zuhause:
da läutete eine Glocke, wir durften ins Weihnachtszimmer einziehen. Unter dem
Christbaum sagte ich die Weihnachtsgeschichte auf, wir sangen alle miteinander:
„O du fröhliche“. Die Freude dann natürlich über die Geschenke, am
eindrücklichsten aber die Freude, die eigenen Gaben zu überreichen, an denen
ich oft wochenlang heimlich gebastelt hatte: das Erstaunen, die Freude der
Eltern.
Wir hatten meistens auch
Gäste: „Lade einen Einsamen ein!“ stand im Schaukasten der Kirchengemeinde mit
großen Buchstaben, und so saßen bei uns dann am Heiligen Abend einige
Alleinstehende aus der Nachbarschaft, alle einen kleinen geschmückten
Weihnachtsbaum vor sich, und wir teilten die Weihnachtsfreude miteinander.
Gesungen haben wir, die alten Lieder, und ein neues Spiel ausprobiert, vom
Gabentisch. Und die elektrische Eisenbahn fahren lassen, die in jedem Jahr neue
Kreise bekam und zu Weihnachten aufgebaut wurde.
Um 10 Uhr abends dann
durfte ich, als ich größer war, mit den Jugendlichen der Gemeinde durch unser
Städtchen ziehen. Erst einmal gab es natürlich viel zu erzählen von den Gabentischen,
und jeder hatte etwas Kleines davon mitgebracht. Mit der Trompete und den Gaben
gingen wir dann los: Wirklich eine „Heilige Nacht“, ganz still war es, überall
leuchteten die Tannenbäume hinter den Fenstern. Wir zogen zu den Menschen, die
Weihnachten arbeiten mußten: Zuerst an die Klosterpforte, dann zu den Pförtnern
und Nachtwächtern der großen Betriebe, der letzte Zugführer der Eisenbahn
wartete schon immer auf uns - im Bahnhof hatten die Trompetenklänge eine
besondere Akustik; die Polizeistreife, auch die Staatssicherheit war besetzt
und bekam ein silbernes Schokoladenherz durch das Gitter gereicht, schließlich
das Krankenhaus.
Es ist eine ganz besondere
Nacht: Christus ist geboren, und sein Licht strahlt bis an die Enden der Erde;
auch und gerade dahin, wo die Traurigkeit und der Kummer wohnt. Es ist der
Frieden mit Gott, den Christus bringt, zu allen Menschen. Wer sich von ihm
anrühren und in Bewegung setzen läßt, der bekommt eine große Kraft zum Leben:
Das wünsche ich uns allen auch an diesem Weihnachtsfest im Jahr 2.000.
Thomas Meinhof.
Die
Geschichte
der
Kirche
in
Zemnick.
Vielen
Dank allen, die zu dieser Chronik beigetragen haben, insbesondere Frau Elly
Zimmermann geb. Pötzsch aus Zemnick für ihr freundliches Erzählen und
geduldiges Auskunftgeben, Herrn Max Herbert Rietdorf aus Gadegast, jetzt
Sierksdorf, der sehr viel Material zur Verfügung gestellt hat, und Frau Irmgard
Grützbach aus Ruhlsdorf, die alles sortierte und zusammenstellte.
Die kleine Geschichte ist
für die Zemnicker und ihre Freunde geschrieben und will davon berichten, wie
sich der Glaube der Väter und Mütter in Freud und Leid durch die Zeiten
hindurch bewährt hat.
Gott schütze Zemnick!
Nachdruck von 1997,
Weihnachten 2.000.
Vor
fast 1.000 Jahren beginnt die Geschichte der Kirche in Zemnick. Da kamen
Missionare über die Elbe in das Land der Wenden. Die Wenden haben Zemnick wohl
einmal angelegt, denn der Name kommt aus ihrer Sprache, und die Anlage in
Hufeisenform ist typisch für ein Wendendorf: Das Vieh konnte in der Mitte
leicht abgeschlossen und überwacht werden, die zusammengerückten Wirtschaften
boten auch einigen Schutz vor Angreifern. Das Dorf lag recht verborgen, ringsum
waren Sümpfe, und nur die Einheimischen kannten die Wege zum Dorf.
Die sächsischen Stämme, die
wenig später in das Land eindrangen, hatten nicht nur friedliche Absichten. Sie
wollten sich die Wenden oft abhängig machen und legten ihnen bisweilen schwere
Frondienste auf, aus denen sie sich dann mit Kriegen zu befreien suchten.
Helmold von Bosau, ein Chronist aus der Zeit, der selbst Pfarrer war, bedauert,
wie das Licht des Evangeliums immer wieder durch die Habgier der Sachsen
verdunkelt werden konnte.
Schließlich wurden die
Wenden ganz verdrängt, oder sie gingen in der neuen Bevölkerung, die aus dem
Westen herzuströmte, auf. Im Zemnicker Kirchenbuch kann man zum Beispiel lesen,
wie sich der slawische Familienname „Eila“ in den Namen „Eule“ wandelt. Die
Sprache der Wenden aber blieb im Ortsnamen und in einigen Flurbezeichnungen
erhalten: die „Briesen“ zum Beispiel, ein Birkengehölz Richtung Meltendorf, von
dem slawischen Wort „brezza“ abgeleitet, die „Sahnschken“, die „Batschken“, die
„Klietschken“. Martin Luther fand bei seinen Visitationen noch die Predigt in
wendischer Sprache und auch ein wendisches Vater Unser vor:
Wotce nas, kis syw njebjesach / swjec so Twoje mjeno / princ knam
Twoje kralestwo / stain so Twoja wola / kaz na njebju tak na zemi / wsedny
chleb nas daj / nam dzens a wodaj nam nase winy / jako my tez wodawamy swojim /
winikam a njewjedz nas do spytowanja / ale wumoz nas wot zleho / amen.
Im Jahre 1620 wurden in
Jessen noch drei wendisch sprechende Einwohner verzeichnet.
Die
Wenden hatten ihre eigenen Götter. Einer von ihnen war der „Jutre-Bog“, an
denen heute noch der Name der in der Nähe liegenden Stadt erinnert. Sie
opferten an heiligen Stätten in den Hainen, und auch das Menschenopfer war
ihnen nicht fremd. So gab es unter den tapferen Mönchen, die sich in das Gebiet
der Wenden mit der Frohen Botschaft wagten, nicht wenige Märtyrer.
So
wird die erste Kirche in Zemnick, von der wir keine Urkunden haben, wohl
ähnlich wie ihre alten Geschwister in Gadegast, Mellnitz und Morxdorf vor etwa
850 Jahren aus Feldsteinen gebaut worden sein. In den Altar wurden Knochen
eines Märtyrers eingemauert zum Zeichen, daß diese Kirche mit der weltweiten
Christenheit verbunden ist. Es war gewiß eine Wehrkirche, in denen man auch
Zuflucht finden konnte, wenn Feinde in das Dorf eindrangen. Die Fenster waren
sehr schmal, im Inneren war es dunkel, nur am Altar brannten die Kerzen.
Gesungen wurde sowieso auswendig, und meist wird das auch nur der Priester
allein getan haben. Zeugnis davon geben die Kirchenbücher, die das kirchliche
Leben festgehalten haben. Auf einer Karte von 1749 ist die Kirche auch
verzeichnet.
Um
1150 gelang es Albrecht dem Bären, die Wenden endgültig zu unterwerfen. Über
350 Jahre, seit Karl dem Großen, hatte der Kampf gedauert.
Doch gehen noch einige
Jahrhunderte dahin, bis wir Zemnick auch urkundlich belegt finden, meistens zu
Grundstücksangelegenheiten und zu Frondiensten:
1385 wird „Cemenick“
erwähnt, 1432 sind bei Zemnick Viehweiden für mehrere Dörfer: „Ich
Heinrich Friedrich und Apitz Gebrüder Schenken von Landsberg und Heinrich
Ritter und Hans, auch Gebrüder und unser Vettern Schenken von Landisberg, Herrn
zum Tuptzke, geben den Dorfherrn Gategast, Cymmenik, Jablentz und Rolthorff
Bestätigung ihrer Viehtrifft im Czemnick. Montag vor Thomi apostoli 1432.“
Die
ordentliche Geschichtsschreibung für Zemnick beginnt im Jahre 1501. Da kauft
der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise das Land um Seyda für 20.000
Meißner Gulden, um ein Wittumsamt zu errichten. Die kursächsischen Witwen
wohnten auf der Lichtenburg bei Prettin, und zu ihrer Ernährung sollte das
neugeschaffene Amt Seyda mit den umliegenden Dörfern beitragen.
1508 wird verzeichnet:
„Es gehört auch zu floße Seydaer der zcemig mit geholtz und
wesen, stoßt ein seyten an die wüsten margken Rostock und Gabelentz, anders
tyls an der Letzer feldmargke, der dritte ordt an die wüste margk Grube und an
Schadewalder geholtze, der vierte ordt an Ziemnigker geholtze und feldmargke.
Zwischen dem Zcemnig und der leyptzker holtz geht ein wegk zwischen zweyen
graben.
Die Nutzung im Zcemnig haben die Dorffer Zcemnig, Schadwalde,
Gathegast, und die Letze, so haben auch die zur Zcalmestorff einen ordt im
Zcemnig, die beckwiesen genannt - darump sie auch mit irem vyhe und pfherden
die hutung im Zcemnig haben.
Der Zemnick, darinnen 167 Acker Wiesewachs, eine viertel Meile
lange, Erlen und Birkenholz und etliche Eichen.“
Die
durchschnittliche „Hufenzahl“ eines Bauerngutes wird für 1506 mit zwei bis drei
Hufen angegeben. Das ist wohl eine typische Größe für wendische Wirtschaften.
Eine Hufe Land umfaßt etwa acht Hektar. In Zemnick werden nur 11 Hufen genannt,
von denen der Richter 2 freie Erbhufen hat, sonst gehört zu jedem Erbe 1 Hufe.
1550 werden 11 besessene Mann mit 11 Hufen aufgeführt, davon sind 6 Gärtner.
Die Namen der Besitzer sind: Joachim Reiche (der Richter), Peter Michel,
Lamprecht Probst, Jeronimus Brandt, Simon Dornbergk, Paul Dichele, Brosius
Dile, Barttel Blatte, Lamprecht Beutler, Valten Richter, Caspar Knese.
Demzufolge ist der Name Richter schon sehr lange in Zemnick zurückzuverfolgen.
15 Generationen auf der gleichen Scholle sind heute lückenlos nachweisbar.
1550 mußten an Abgaben aus
Zemnick abgeführt werden: 36 Zinshühner, 9 Rauchhühner, Getreide, außerdem
Geld: für Holz aus dem Wald, für die Weide, und Küchengeld als Ablösung für
ehemalige Leistungen an die herrschaftliche Küche, zum Beispiel das Anfahren
von Küchenholz. Ein „Geschoß“, das sind vier „Schock“ (60 Stück) von den Hufen
und drei Schock Viehgeschoß mußte an Michaelis (im September) bzw. an
Weihnachten gezahlt werden. Dazu kamen mancherlei Frondienste. Der Richter muß
mit den anderen Lehnsrichtern im Amt Seyda die Grenzen und die Straßen bereiten
helfen, so oft es gefordert wird. Er muß das Getreide von den Amtsfeldern
einfahren, auch die Amtsleute bis auf 6 Meilen chauffieren. Die Hüfner haben
Getreide und Mist zu fahren, beim Pflügen zu helfen, die Netze auf der Jagd
aufzustellen, Küchenholz zu hauen, Zäune zu bauen, Gras zu mähen und zu wenden
und Heu zu machen.
Die kirchlichen Beiträge
waren demgegenüber gering: Im Jahre 1528 hatten die Zemnicker neun Groschen
Opfergeld, dazu einen einen Groschen Zins und 15 Scheffel Korn (=...) an den
Pfarrer in Gadegast abzuführen.
So war die Zemnicker
Gemeinde über Jahrhunderte mit der Pfarrstelle Gadegast verbunden. Ludwig der
Fromme, der Sohn Karls des Großen, hatte einmal zur Unterhaltung der Pfarrer
bestimmt, daß ihnen vier Hufen Land (ca. 32 ha) zugewiesen wurden. So hat man es
auch noch danach, als in neuem Land missioniert wurde, gehalten, und so kann
man es bis auf den heutigen Tag sehen, daß Gadegast und Seyda alte Pfarrorte
waren, denn sie haben noch immer in dieser Größenordnung Kirchenacker.
Noch in unserem Jahrhundert
kam der Gadegaster Pfarrer Voigt sonntags früh um zehn Uhr mit der Kutsche zur
Kirche in Zemnick. Der letzte Kutscher, Richard Bernholz, wurde 1993 in
Gadegast beerdigt. Die Zemnicker hatten zur Erhaltung des Pfarrhauses in Gadegast
beizutragen, lange Zeit gingen sie auch dort zur Schule. Etliche alte Zemnicker
sind in Gadegast noch zur Konfirmandenstunde gegangen.
Aus
der ersten Kirche in Zemnick sind die Holzfiguren erhalten, die auch jetzt in
Zemnick Zierde des Gotteshauses sind. Sie stammen aus der Zeit vor der
Reformation, waren zwischenzeitlich einmal bunt und wurden in den 80iger Jahren
restauriert. Paulus und Maria sind in ihnen dargestellt. Paulus, der Apostel,
der das Evangelium bis nach Europa brachte und aus dessen Briefen wir im
Gottesdienst hören, starb für seinen Glauben den Märtyrertod unter dem Kaiser
Nero. Deshalb hat er ein Schwert in der Hand. Maria hält das Jesuskind sowie
eine Erdkugel. Sie steht auf einer Mondsichel und ist die Himmelskönigin, die
im letzten Buch der Bibel beschrieben wird: „Und
es erschien ein großes Zeichen am Himmel: ein Weib, mit der Sonne bekleidet,
und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf
Sternen. Und sie war schwanger und schrie in Kindesnöten und hatte große Qual
bei der Geburt. Und es erschien ein anderes Zeichen am Himmel, und siehe, ein
großer, roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen
Häuptern sieben Kronen, und sein Schwanz fegte den dritten Teil der Sterne des
Himmels hinweg und warf sie auf die Erde. Und der Drache trat vor das Weib, die
gebären sollte, auf daß, wenn sie geboren hätte, er ihr Kind fräße. Und sie
gebar einen Sohn, ein Knäblein, der alle Völker sollte weiden mit eisernem
Stabe. Und ihr Kind ward entrückt zu Gott und seinem Thron. Und das Weib entfloh
in die Wüste, wo sie einen Ort hat, bereitet von Gott, daß sie daselbst ernährt
würde zwölfhundertsechzig Tage. Und es erhob sich ein Streit im Himmel: Michael
und seine Engel stritten wider den Drachen. Und der Drache stritt und seine
Engel und siegten nicht, auch ward ihre Stätte nicht mehr gefunden im Himmel.
Und es ward gestürzt der große Drache, die alte Schlange, die da heißt Teufel
und Satan, der die ganze Welt verführt. Er ward geworfen auf die Erde, und
seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen. Und ich hörte eine große Stimme, die
sprach im Himmel: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes
geworden und die Macht seines Christus, weil der Verkläger unserer Brüder
verworfen ist, der sie verklagte Tag und Nacht vor unserm Gott. Und sie haben
ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses und
haben ihr Leben nicht geliebt bis an den Tod. Darum freuet Euch, Ihr Himmel und
die darinnen wohnen! Weh aber der Erde und dem Meer! denn der Teufel kommt zu
Euch hinab und hat einen großen Zorn und weiß, daß er wenig Zeit hat.
Und als der Drache sah, daß er geworfen war auf die Erde,
verfolgte er das Weib, die das Knäblein geboren hatte. Und es wurden dem Weibe
gegeben die zwei Flügel des großen Adlers, daß sie in die Wüste flöge an ihren
Ort, wo sie ernährt würde eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit fern
von dem Angesicht der Schlange. Und die Schlange schoß aus ihrem Rachen nach
dem Weibe ein Wasser wie einen Strom, daß er sie ersäufe. Aber die Erde half
dem Weibe und tat ihren Mund auf und verschlang den Strom, den der Drache aus
seinem Rachen schoß. Und der Drache ward zornig über das Weib und ging hin, zu
streiten wider die übrigen von ihrem Geschlecht, die da Gottes Gebote halten
und haben das Zeugnis Jesu. Und er trat an den Strand des Meeres.“
Dieses
Bild der Bewahrung in Bedrohung und Chaos haben die Zemnicker durch die
Jahrhunderte vor Augen gehabt. Daran haben sie sich festgehalten bei den
Katastrophen, die über das kleine Dorf kamen. Und davon gab es nicht wenige,
wovon noch zu berichten sein wird.
Bis
1528 gehörte Zemnick nach Wittenberg, bevor es der Gadegaster Pfarre zugeordnet
wurde. Diese Veränderung erbrachten die Visitationen, die im Jahre 1528 Martin
Luther und seine Freunde höchst persönlich durchführten. Sie wollten sehen, was
die Reformation auf dem Land für Früchte getragen hatte. Schlimme Zustände
fanden sie vor. Oftmals konnten nicht einmal die Pfarrer das Vater Unser. Die
Kirchen verfielen, weil es keinen Zwang zur Messe mehr gab und diese evangelische
Freiheit so mißverstanden worden war, daß man nun gar nicht mehr in die Kirche
gehen bräuchte.
Martin Luther hat durch
kräftige Predigten und durch Schriften dazu beigetragen, die kirchlichen
Verhältnisse auch für Zemnick zu bessern. Er schrieb nach seinem Besuch den
Großen und den Kleinen Katechismus: Letzterer beschreibt die Grundstücke des
christlichen Glaubens (Zehn Gebote, Bekenntnis, Vater Unser, Taufe und
Abendmahl) in einfacher Form für „Haus, Schule und Kirche“ und steht auch heute
noch in jedem evangelischen Gesangbuch. Die Bauern von Zemnick hatte Martin
Luther vor Augen, als er diese großen Werke verfaßte. Der Große Katechismus war
für die Pfarrer bestimmt, damit sie das alles recht erklären könnten. Die
Fragen und Antworten des Katechismus konnten die Zemnicker über Jahrhunderte
auswendig hersagen: mit diesen Glaubenswahrheiten haben sie gelebt und ihr
Leben gemeistert. Ein Ausschnitt:
DAS ACHTE GEBOT
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächsten.
Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben,
daß wir unsern Nächsten nicht belügen,
verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben,
sondern sollen ihn entschuldigen,
Gutes von ihm reden
und alles zum besten kehren.
Auch
durch seine Lieder hat Martin Luther die gute Nachricht sehr unter die Leute
gebracht. Bis heute wird in Zemnick das Lied gesungen, was er damals, 1529,
schrieb:
Ein feste Burg ist unser Gott,
ein gute Wehr und Waffen.
Er hilft uns frei aus aller Not,
die uns jetzt hat betroffen.
Der alt böse Feind
mit Ernst er´s jetzt meint,
groß Macht und viel List
sein grausam Rüstung ist.
Auf Erd ist nicht seinsgleichen.
Mit unsrer Macht ist nichts getan,
wir sind gar bald verloren;
es streit´ für uns der
rechte Mann,
den Gott hat selbst erkoren.
Fragst
Du, wer der ist?
Er heißt Jesus Christ,
der Herr Zebaoth,
und ist kein andrer Gott.
Das Feld muß er behalten.
Und wenn die Welt voll Teufel wär
und wollt uns gar verschlingen,
so fürchten wir uns nicht so sehr,
es muß uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
wie sau´r er sich stellt,
tut
er uns doch nicht:
das macht, er ist gericht:
ein Wörtlein kann ihn fällen.
Als
Martin Luther durch Zemnick zog, lebten hier elf Wirte mit ihren Frauen,
Eltern, Kindern, Knechten und Mägden. Das Dorf wird also nicht viel kleiner als
heute gewesen sein. Die Trockenlegung und Urbarmachung der umliegenden Sümpfe
ging ständig weiter. Am 22. November 1558 wurden den Einwohnern zu Zahna 49
Acker Wiesen „im Zemnick“, den Einwohnern einiger anderer Ortschaften 115 Acker
Wiesen ebenda und 3 ½ Acker Wiesen „im Brachholz“ verkauft und der Gemeinde zu
Zemnick 33 Acker Wiesen daselbst, die vorher ein „wüste vertriebenen gesturppe“
gewesen, vererbt. Diese mußten die ersten fünf Jahre jeden Morgen jährlich mit
8 gr., vom 6. Jahre ab mit 15 Groschen vererbzinsen.
Unter denselben Bedingungen
erhielt der Richter zu Meltendorf 6 ½ Morgen solchen wüsten Gestruppes in
Zemnick; ein Bürger zu Seyda 1 ¼ Acker Gebüsch.“
(Nach : Falke, Geschichte des Kurfürsten
August von Sachsen in volkswirtschaftlichen Beziehungen, Leipzig 1868).
Im
Jahre 1574 konnte Zemnick so schon 18 Hüfner und einen Gärtner ernähren.
Über die Leistungen an das
kurfürstliche Amt wird 1591 berichtet:
Aus des Amts Seyda Erbbuch.
Zemnigk.
Richter Amt
Der Getreyde und Wildpret Fuhren ist dieser Richter frey, sonsten
führet er die Amtsschößer allerwegen, wenn sie Geld führen und gegen Dreßden
auf die Rechnung, wohin es von nöthen.
Frohndienste
Die Hüfner seynd mit Pferden und der Hand, dergleichen die
gärtner allermaßen dem Amte zu dienen schuldig, wie die zum Genth und daselbst
zu befinden.“
„Vererbung der Horst in Zemnick von 24 ½ Morgen an die Gemeinde
daselbst.
Von Gottes Gnaden Wir Christian der Andere, Herzog zu Sachsen,
des heiligen Römischen Reiches Erzmarschall und Khurfürsten, Landgrafen in
Thüringen, Markgraf zu Meißen und Burggraf zu Magdeburg usw.“
Das
kirchliche Leben wurde so geordnet: Der Pfarrer predigt nachmittags an Sonn-
und Feiertagen, außerdem in der Woche einmal den Katechismus von der Kanzel.
Der Katechismus wird auch durch den Küster mit den Kindern gelernt. Von 1598 ab
liest in der Woche nur noch der Küster des Freitags dem Volke den Katechismus
vor. Das Abendmahl wurde anfangs nur in Gadegast gehalten, wahrscheinlich, weil
Meßgewand und Licht in Zemnick fehlten. Ab 1617 aber wird es auch in Zemnick
gefeiert. Der Schulmeister für Gadegast und Zemnick hatte auch die Aufgabe, dem
Pfarrer das Meßgewand von Gadegast nach Zemnick zu tragen, wenn sie zu Fuß
gingen. Das muß häufig der Fall gewesen sein, denn 1574 wurde zwar festgelegt: „Die von Zemnick sollen den Pfarrer und
Küster im Falle der Not und wenn ungestümes Wetter ist, zur Predigt, Kindtaufe
oder sonst mit einem Wagen zu holen schuldig sein.“ 1617 jedoch bittet der Pfarrer, weil sie dies
nie haben verrichten wollen, selbst wenn das Wetter noch so arg wäre, daß den
Zemnickern eine bestimmte Zeit, wo sie den Pfarrer holen müssen (Michaelis bis
Ostern), festgesetzt werde.
An
Beiträgen für die Kirche hatten die Zemnicker 1534 auf Anordnung acht Pfennig
und zwei Brote dem Küster zu geben; 1574: fünf Scheffel Korn, zwei Metzen von
jedem Kossäten und von jedem Gehöft zwei Brote. Ein Metzen ist nach sächsischem
Maß 1/16 Scheffel, also 6,491 Liter, ein Scheffel also 104 Liter.
1617 erhält der Pfarrer aus
Gadegast für das „Sitzen zur Beichte in Zemnick“ und das „Amthalten“ (die
Gottesdienste) sechs Groschen im Jahr. Hauptlebensunterhalt war damals das
Kirchenland, daß die Pfarrer zum Teil selbst bearbeiteten.
Im
Jahre 1617 zählte Zemnick wieder nur zehn Hüfner und einen Kossäten. Hüfner
waren die, die „Hufen“, also einen größeren Landbesitz hatten, Kossäten
(„Mitbewohner“) hatten nicht so viel und mußten sich meistens bei den Hüfnern
verdingen.
Aus diesem Jahr, kurz vor
dem Dreißigjährigen Krieg, gibt es ein „Sittenbild aus der Ephorie Zahna“.
Darin wird zusammengefaßt:
1. Fluchen und Gotteslästerung sind bei jung und alt im Schwange.
2. Die Leute kommen wenig in der Woche zum Gemeinde-Gebet. Sie
meinen, der Türke und der Papst tue ihnen nichts.
3. Unzucht und Hurerei, ebenso Saufen, Fressen und unzüchtige
Tänze in Hosen und Wams und Verdrehen wurden nicht bestraft.
4. Die
Landbettler, Bracher und
unnützen Landsknecht
plagen besonders am Sonntag die Leute sehr und stehlen während
des Gottesdienstes.
Solchermaßen wurde es bei
einer Visitation, also einem Besuch der kirchlichen Aufsichtsbehörde,
festgestellt.
Der
Dreißigjährige Krieg kam, eine der größten Katastrophen auch in der Geschichte
von Zemnick. Nicht wenige Pastoren der Zeit sahen darin eine Strafe Gottes für
die Lauheit im Glauben. Im Jahre 1625 zog Wallenstein mit seinen Truppen durch
unser Gebiet.
„Was sich nicht in
unwegsame Sümpfe und Wälder flüchten konnte, das ging verloren; und was von der
Geisel des Krieges und den wilden Lüsten entmenschter Kriegshorden verschont
geblieben war, das fiel der Hungersnot und der Pest zum Opfer.
In den Jahren 1635 und 1636 müssen die Kriegsnöte nach den
Schilderungen eines Augenzeugen, des damaligen Superintendenten Mühlig, die
furchtbarste Höhe erreicht haben. Heerhaufen um Heerhaufen zogen kreuz und quer
von Ort zu Ort, und jeder stellte seine unerfüllbaren Forderungen. Die Leute,
die doch nichts mehr hatten und herbeischaffen konnten, wurden gemißhandelt und
zu Tode gequält und gefoltert. Frauenschändung war an der Tagesordnung. Keine
wurde geschont, der man habhaft werden konnte, auch Kinder und Greisinnen
nicht. Den Männern reichte man den Schwedentrunk und füllte ihnen Mistjauche
ein, bis sie starben, nur weil die Menschen kein Geld mehr hatten und keine
Lebensmittel und Vieh, das man von ihnen haben wollte. Alles, was noch fliehen
konnte, floh.“ - so schreiben es die „Heimatgrüße“ nach den
Aufzeichnungn des Superintendenten Mühlig in der Turmkugel zu Mellnitz.
Aus
dem Nachbarort Leetza berichtet Pfarrer Friedericus Müller 1638 über den
Schrecken, den er
ein Jahr zuvor
erlebt hat:
„Wenn ehrliche Leute mir nicht Vorschub getan, hätte
ich das liebe Brot nicht gehabt, mußt
ich´s also mit
meinem lieben Weib nach dem Gewicht essen und mit Kofend oder Most und Wasser
verhelfen müssen, darüber ich letztlich in eine große Krankheit geraten.
Es war solches Jahre ein Hungersnot, daß die Leute die Eckern und
Leinknotten gemahlen oder rieben und gebacken und gegessen und an das
verstorbene Vieh und Aaß sich gemachet. Die Soldaten haben Menschen, Hunde und
Katzen gefressen. Gott behüte uns für solcher Hungersnot weiter in Gnaden.“
Nur wenige Aufzeichnungen
berichten uns aus jenen Schreckensjahren. Doch die Zahl der wüsten Güter
spricht eine deutliche Sprache. In Zemnick liegen noch 1671, also 23 Jahre nach
dem Friedensschluß, von zehn Hüfnergütern zwei wüst: acht Hüfner und ein Kossät
werden verzeichnet. In Gadegast sind in dieser Zeit neun Hüfner und neun
Kossätengüter bewohnt, fünf Hufengüter und sieben Kossätenhöfe liegen noch
wüst. Schadewalde hat noch fünf wüste Bauernhöfe, drei Hüfner und ein Kossät
haben sich erst wieder angesiedelt. Gentha liegt seit 1637 vollständig in der
Asche, von den Einwohnern dieses stattlichen Dorfes sind nur 2 Witwer und 2
Witwen übrig geblieben. (Brachwitz, Zemnick).
Viele Dörfer verschwanden
ganz von der Landkarte.
Nach
dem Dreißigjährigen Krieg beginnt in Zemnick die lückenlose
Kirchenbuchschreibung. Bis heute lassen sich alle Taufen, Trauungen,
Beerdigungen nachweisen.
Der Name einiger Familien
in Zemnick hat sich schon über viele Jahrhunderte erhalten: Richter (seit 1550,
Nr. 1), Meister (seit 1795, Nr. 2), Richter (seit 1750, Nr. 5), Lehmann (seit
1665, Nr. 9), Korpien (seit 1680, Nr. 11), Böttger (seit 1673, Nr. 12).
Über
die Folgen des Krieges und den Neuanfang auf dem Grundstück Richter (Zemnick
Nr. 1) berichtet das Seydaer Handelsbuch:
„Aus dem Ambts Seyda Handelsbuche Sub. Lit. 6 Fol. 60. Zu wissen,
daß nach Absterben Joachim Reichen, Lehnsrichters zu Zemnick, dessen
Lehngüthlein wüste blieben und von dessen Lehns Erben nicht angebaut werden
können daher uf ergangenen sub dato Dreßden am 8. Septembris Anno 1638
Churfürstl. Sächß, gnädigsten befehlich es dero Zeit Georg Jenigken von
Warthenburg kaufweise annehmen wollen, aber von seinem gerichts-Herrn dem M von
Ebeleben, Hofrichtern und Hauptmann zu Wittenbergk nicht Dimittiret werden
können. Entlich M Herr D. Wilhelm Leyer Professor publicus in Wittenberg es
fortzubauen beliebig gewesen, aber wegen allzulang anhaltender KriegsUnruhe
niemalen recht werkstellig gemacht.
Sondern nach dem dies güthlein in´s 14te Jahr wüste und ohn
einigen beständigen Wirth gestanden, es nun einer bloßen Baustädten gleich zu
achten gewesen, darauf Ambtshalber dies güthlein gerichtlichen taxiret und gewöhnlichen
subhastirt worden, und sich endelichen Georg Richter ein Dienstknecht aus
Zemnick zum Käufer angeben, und mit denselbern umb vermelt wüst Lehn
Richtergüthlein uf Fünf und Siebenzigk gülden ganzer Haupt- und Kaufsumme sich
vereinbahrt worden...
... geschehen in gewöhnlicher Ambtsstuben zu Seyda den 7. Januari
Anno 1651
Melchior Kirsten, Ma pria.“
Mehr
als heute waren unsere Vorfahren den Naturgewalten ausgeliefert. Schlimm waren
die Brände, die schnell ausbrechen konnten, weil die Häuser bis in unser
Jahrhundert hinein mit Stroh gedeckt waren und man das offene Feuer brauchte.
Das älteste Zemnicker
Kirchenbuch berichtet:
„Am 20. Oktober 1753 ist in Zemnick eine große Feuersbrunst
entstanden und nachfolgende Einwohner gänzlich abgebrannt:
1. Johann Georg Richter, woselbst das Feuer durch
Unvorsichtigkeit seines Weibes ausbrach
2. Andreas Müller
3. Johann Georg Eule“.
Die
Beschreibungen des kirchlichen Lebens weisen immer wieder auf eine Kirche hin,
die in Zemnick gestanden haben muß. Die Akten aber berichten erst 1767 darüber:
„Anno 1767, den 23. p. Trinit., welcher der 22. November war,
wurde die neuerbaute Kirche in Zemnick eingeweiht.“
Diese Kirche stand am
Dorfeingang auf dem dreieckigen Rasenstück, was man heute auch „Zimmermanns
Winkel“ nennt. Sie war 6,30 Meter lang und zehn Meter breit, ein Fachwerkbau
wie in Gentha. Sie hatte keinen Turm und war außen mit Brettern beschlagen. Die
Schnitzfiguren standen auf dem Altar, vermutlich sind sie aus einem
spätgotischen Schnitzaltar herausgenommen worden. In der Wetterfahne war die
Zahl 1767 zu lesen. Die Beschreibungen gehen nicht auf die barocke
Christusfigur ein - vielleicht war sie noch nicht in der alten Kirche zu sehen.
Noch
aus der Zeit vor dem Bau dieser Kirche stammt die Taufschale, auf der seit 1765
die Zemnicker getauft worden sind - bis zum heutigen Tag. Sie trägt die
Inschrift: „Dieses Verehret Zum
Angedencken Der Kirche Zu Zemnigk Andreas Schröter 1765.“ Das ist wohl das
wichtigste Stück in der Kirche in Zemnick: Da, wo Gott der Herr ein neues,
unzerstörbares, ewiges Leben schenkt durch die Taufe.
Eine
Glocke bekamen die Zemnicker aus dem Schloß Glücksburg. Sie hatte allerdings
einen Riß.
1783 konnten sich die
Zemnicker eine eigene, neue Glocke leisten. Sie hat einen Durchmesser von 65
Zentimetern und blieb auch in den Kriegen vom Einschmelzen verschont. Auf ihr
kann man bis heute lesen: „1783 goß mich
I. G. Dietrich, Zemnick rufe ich!“. Johann Gottfried Dietrich war
„Rohd-Gießer“ in Wittenberg.
Über
lange Zeit hat sich in Zemnick wenig verändert. 1802 beschreibt ein Handbuch
Zemnick:
„Sogenanntes Buschdorf, 1 ½ Meilen von Wittenberg, 2 ½ Meilen von
Jügerbogk, 1 ½ Meilen von Jessen und ½ Meile von Zahna gelegen, besitzt 11
Hufen, treibt auch Rüben- und Rettigbau und hat ein Filial von Gadegast, mit 10
Hüfnern und 1 Kossäten. Zu Zemnick gehört auch die wüste Mark Grube oder
gruffen.“
Für
1809 wird ein Unglücksfall im Beerdigungsregister Zemnick verzeichnet:
„Am 26. Juli, ½ 4 Uhr schlug es in Meisters Wohnhaus ein. Die
Frau desselben, welche schwanger war, will vermutlich ihre beiden Kinder aus
dem brennenden Haus holen, aber durch den Einsturz des Daches wird ihr der
Ausgang versperrt. Vier Gehöfte brannten ganz ab, vom 5. die Ställe.
die Namen der Toten:
Anna Elisabeth Meister (Mutter) 34 J.
Johanna Elisabeth Meister (Tochter) 2 ¾ J.
Maria Christina Meister (Tochter) 1 ¼ J.
eine weitere Tote
Maria Elisabeth Richter (Gottfried Rochters 11jähr. Tochter)
dieses Mädchen läuft in das brennende Haus, um ihre Kleider zu
holen, aber wegen des unterdessen heruntergefallenen brennenden Daches kann sie
nicht wieder heraus.“
Die
Besetzung des Landes durch Napoleon hat
keinen direkten Niederschlag in den Zemnicker Kirchenbüchern gefunden. Jedoch
müssen das auch schwere Zeiten gewesen sein. 1805/07 und 1812/13 sollen
Franzosen durch das Dorf gezogen sein. Die Schulchronik, die seit 1878
geschrieben wird, berichtet, daß in den Jahren 1806/07 und 1813 bis 1815
deshalb keine Schule abgehalten werden konnte. Eine alte Frau erzählt aus
diesen Jahren:
„Kinder, es waren schlimme Zeiten, so lange Napoleon im Lande
war. Es waren aber nicht die Franzosen allein, die nahmen, was sie finden
konnten, sondern auch die Preußen und die Russen. Da mußten die Pferde am Tage
versteckt werden, und trotzdem wurden die meisten gefunden und mitgenommen. Am
schlimmsten waren die Marodeure, die nicht mehr laufen wollten, sie nahmen sich
einfach Pferde und ritten darauf davon. Die Kühe und Ochsen wurden zur
Verpflegung der Soldaten weggetrieben, so daß im ganzen Dorfe fast keine Kuh mehr
war...“ „Da haben die Bauern immer des Nachts geackert...“.
Am
schlimmsten war der September 1813: Sechs- bis siebentausend Preußen rückten in
Seyda ein. Am 5. September 1813 fand ein schweres Gefecht zwischen Zahna und
Gadegast statt. 300 Soldaten kamen ums Leben, 15 Unteroffiziere und fünf
Offiziere.
Die Bevölkerung der Dörfer
floh in solchen Zeiten oft in die Sümpfe, mit allem Vieh und den
Habseligkeiten. Dort hausten sie tagelang unter freiem Himmel und tranken das
in den Pferdetrappen sich sammelnde Schmutzwasser. Das war wohl ein Grund
dafür, daß danach viele Krankheiten ausbrachen: Stickfluß, Ruhr, Nervenfieber
und Blattern. So starben in Gadegast etwa 10% der Einwohner, auch der Pfarrer.
Der Pfarrer von Seehausen, dessen Pfarrhaus mit dem halben Dorf abgebrannt war,
nahm zum 1. Januar 1815 in Gadegast Quartier und blieb bis 1827.
Das Zemnicker Kirchenbuch
gibt darüber Auskunft: Während es 1810 keine Beerdigung gab, 1811 und 1812
jeweils zwei, sind es 1813 sechs Sterbefälle und 1814 acht. 1815 ist wieder
keine Beerdigung verzeichnet.
Nach
den Befreiungskriegen kam Zemnick 1815 nach Preußen. So wurde es auf dem Wiener
Kongreß entschieden, denn Sachsen hatte zum Schluß mit den Franzosen gegen
Preußen und Russen gekämpft und verloren. Deshalb wurden diese ursächsischen
Gebiete an Preußen abgetreten, die preußische „Provinz Sachsen“ entstand, die
in ihren Grenzen etwa noch heute mit den Kirchengrenzen der „Kirchenprovinz
Sachsen“ übereinstimmt, zu der wir gehören.
Der
preußische König Friedrich Wilhelm III., der das Land übernahm, war ein frommer
Mann. Zum Reformationsjubiläum 1817 versuchte er, die Kirche in seinem Land zu
erneuern. Er schrieb selbst eine Gottesdienstordnung, und von nun an sollten
alle Pfarrer in Preußen mit dem schwarzen Talar und dem weißen Beffchen den
Gottesdienst feiern. Das Beffchen war ursprünglich als Schutz des Stoffes vor
dem Bart gedacht. Das ist die Kleidung, die Luther als Professor in Wittenberg
getragen hat.
Der preußische König
übernahm auch die Patronatsrechte für die Kirche. Das heißt, er sorgte zu einem
großen Teil für die bauliche Unterhaltung. 1996 haben wir diese alten Rechte
neu beim Land anmelden können.
1825
zählte Zemnick dreizehn Häuser, 89 Seelen, darunter zehn Bauern, die auch die
Wüstung „Grube“ oder „Gruffen“ benutzen. 1848 baute man eine Bockwindmühle, die
die Windmüllerfamilie Kynast bis 1960 betrieb. Erst vor wenigen Jahren wurde
sie abgerissen. Sie stand Richtung Osten am Weg nach Schadewalde vor dem
letzten heutigen Wohnhaus.
Ein
lebendiges Bild von der Zeit um 1850 geben die „Erinnerungen des 87jährigen
Häuslers Johann Gottlieb Meister aus seinem Leben...“
„Das
größte Fest im Jahr war Fastnachten. Es wurde auch auf der Reihe gefeiert. Die
Musik kam aus Listerfehrda. Eine Familie Behrends (Vater und Sohn) mit noch
einigen andern bildeten die Dorfmusik. Es wurden große Mengen von Klemmkuchen
in den Häusern gebacken, und der Tanz dauerte die Nacht durch bis früh um 6
oder 7. Geschlafen wurde nicht. Nachdem die Musikanten auf der Straße den
Morgenchoral geblasen hatten, gings am zweiten Tage von Haus zu Haus. Jeder
wurde besucht und in jedem Hause zwei Tänze von den beiden Platzknechten
getanzt, „daß der Flachs recht lang wachsen sollte.“ In den Häusern gab es
Speck und Würste, die der Nachtwächter an seinen Spieß hängen
mußte, Eier und gebackenes Obst.
Diese Herrlichkeiten wurden
am 2. Festabend
von der Jugend bzw.
der ganzen Festgesellschaft gemeinsam verspeist. Aus Seyda und den
umliegenden Dörfern gab es viel Besuch.“
Über
die Arbeit:
„In der Saatzeit... wurde früh um 3 Uhr aufgestanden, und dann
wurde mit dem Flegel gedroschen bis es hell wurde. Dann wurde eine Fuhre Mist
aufgeladen, die mit hinausgenommen wurde auf den Acker und dann wurde geackert
und gesät. Kaffee gab es früh nicht, sondern eine Schüssel dampfender Mehlsuppe
oder Grützsuppe stand auf dem Tische...“
Erst
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielt „Wolfswinkel“ seinen Namen.
Darüber berichtet das Kirchenbuch:
„Bemerkung über Gut Wolfswinkel
Das Gut Wolfswinkel und das dortige Herrenhaus hat ursprünglich
diesen Namen nicht gehabt, sondern eine Hausnummer von Zemnick geführt und
führt noch jetzt solche Hausnummern. Erst vor 30 Jahren hat der Besitzer
Niendorf dem Gute den Namen Wolfswinkel gegeben, nachdem er es im Umfange von
ca. 120 Morgen nicht wüstes Land von der Schwester des Tischlermeisters und
Häuslers Zaeper ... in Wolfswinkel gekauft hatte.
4. Januar 1896 Pastor Schreyer aus dem Mund des pp. Zaeper gehört
und ... geschrieben.“
In Wolfswinkel sollen die
letzten Wölfe gesehen worden sein. Johann Friedrich Zaeper war um 1836 aus
Ottmannsdorf gekommen und pachtete das „Herrnholz bey Zemnick“.
Es kann jedoch sein, daß
die Bezeichung „Wolfwinkel“ auf einen alten Flurnamen zurückgreift. So heißt es
im Schweinitzer Kreisblatt vom 1. Dezember 1912: „Verschiedene Flur- und
Ortsnamen deuten auf das häufige Vorkommen von ... Raubtieren hin, so die Ortsbezeichnung
„Wolfswinkel“, gewöhnlich „Wulweswinkel“ genannt. Im Erbbuche des Amtes Seyda
vom Jahre 1506 wird ein Grenzweg im Süden der „Seydischen Heide“ als „wulwes
Wegk“ bezeichnet, und noch heute heißen einige Ackerflächen auf Schadewalder
Feldmark die „Bärstücken“. Von den sächsischen Herzögen wurden denn auch
Wolfsjagden zur Vertilgung dieser Raubtiere abgehalten, woran der größte Teil
der Einwohner von Seyda mit teilnehmen mußte, wie es ausdrücklich in dem
Erbbuche von 1506 vermerkt ist.“
Nach
dem siegreichen Krieg 1870/71 und der Kaiserkrönung wurde 1872 in Zemnick eine
Linde an der Kirche gepflanzt: „Gott, dem Kaiser und König“ zu Ehren, wie man
darauf noch heute lesen kann.
Der Stein wurde nach dem
Zweiten Weltkrieg entfernt. Nach der Wende 1989/90 hat Frau Waltraud Schuck,
Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, den Stein, der als Trittstein im
Grundstück Nr. 4 verwendet wurde, wieder an den Ort unter der Linde gebracht.
1875
gab es im Dorf 174 Einwohner, 1880 sogar 180. Danach ging die Zahl stetig
leicht zurück: 1885: 159 Einwohner, 1924: 154 Einwohner, 1940: 122 Einwohner.
Am
23. August 1885 wurde in Zemnick das 1. Kinderfest gefeiert. Für die Jungs gab
es Armbrustschießen, die Mädchen vergnügten sich bei Topfschlagen, Bändertanz
und anderen Spielen. Eine schwarz-weiß-rote Fahne bekam die Schule geschenkt.
Schlußlied der Kinderfeste war immer der
alte Choral:
Nun danket alle Gott
mit Herzen, Mund und Händen.
Der große Dinge tut
an uns und allen Enden.
Der uns von Mutterleib
und Kindesbeinen an
unzählig viel zu gut
und jetzt hat auch getan.
1886
wurde für die Zemnicker Kinder ein Turnreck angeschafft, nachdem es seit 1884
Turnunterricht gab.
Das
Jahr 1888 war ein sehr ereignisreiches Jahr für Zemnick: Die Kirche wurde
eingeweiht und ein großer Brand brach aus. Die Schulchronik berichtet: „Am 7. August 1888 war im hiesigen Orte ein
großes Feuer, welches vier Gehöfte in Asche legte, des Hüfners W. Richter, des
Hüfners G. Meister, des Resthüfners Schuck und des Hüfners G. Müller. Das Feuer
entstand beim Hüfner Meister aus nicht aufgeklärter Ursache.“
Und
das Wittenberger Kreisblatt berichtet über die Grundsteinlegung der neuen
Kirche 1887:
„In unserem Dorfe wird eine neue Kirche gebaut und ist die
Ausführung des Baues dem Baugewerksmeister Herrn Richter in Zahna übertragen.
Am vorigen Freitag fand unter entsprechender Feierlichkeit die Grundsteinlegung
derselben statt. Zu dem Zwecke hatten sich unser Pastor Schreier aus Gadegast -
wohin unser Dörflein eingepfarrt - samt dem Gemeinde-Kirchenrathe, der
Ortsbehörde und der Baumeister in hiesiger Schule eingefunden. Man schritt
zunächst zur Anfertigung einer Urkunde, enthaltend die Einwohner- und
Häuserzahl unseres Ortes, die Zahl der schulpflichtigen Kinder, den Namen des
Erbauers der Kirche, sowie eine Steuerabgaben-Liste der Ortseingesessenen.
Nachdem das Schriftstück von den Anwesenden unterzeichnet, wurde dasselbe mit
je einem Exemplar des Wittenberger und des Schweinitzer Kreisblattes in eine
steinerne Büchse gefügt und versiegelt. Unter dem Geläute der Glocke, dem
Vorantritte der Schuljugend und des Ortslehrers bewegte sich die Versammlung
nach dem Bauplatze. Hier angekommen, wurde das Lied „Ach bleib mit Deiner
Gnade“ angestimmt und vom Herrn Pastor auf Grund des Bibelwortes 1. Corinther
3,11: „Einen anderen Grund kann Niemand legen...“ eine erhebende Weihrede
gehalten. Darauf wurde die Büchse in die Grundmauer eingefügt, mit einer
eisernen Platte überdeckt und vom Herrn Pfarrer im Namen des dreieinigen Gottes
die drei Hammerschläge gethan. Ein Gebet für das Gelingen des Baues und den
Schutz der Bauarbeiter und der Gesang: „Allein Gott in der Höh´ sei Ehr!“ schlossen
die Feier.“
Die
Kirche wurde am 18. September 1888 eingeweiht. Sie kostete 10.100 Mark.
Im Inneren wurde durch
einen Elsteraner ein Wandgemälde gestaltet, welches „dem Innern der Kirche eine weihevolle Stimmung gibt“, so schreibt
es Johann Gottlieb Meister. Viele Zemnicker können sich noch an die Inschrift
über dem Triumphbogen erinnern. Dort stand in ähnlicher Weise wie in der Kirche
in Gadegast geschrieben: „Geheiligt werde
Dein Name! Dein Reich komme! Dein Wille geschehe!“ - die ersten drei Bitten
des Vater Unser, jenes Gebetes von Jesus, was zu jedem Gottesdienst in Zemnick,
solange es hier eine Kirche gibt, gesprochen wurde und wird.
Conrad
Geißler aus Eilenburg, einer der führenden sächsischen Orgelbaumeister seiner
Zeit, baute in Zemnick seine 99. Orgel, die auch 1888 fertiggestellt wurde.
Das Material der alten
Kirche wurde verkauft!
Wiederum
Bäume und einen Gedächtnisstein stellten die Zemnicker 1896 auf, in einem „luftigen Birkenschlag auf dem Weg von Seyda
vor Zemnick“, Birken ringsherum, in der Mitte eine Linde, an deren Fuß der
Stein mit der Aufschrift:
„Zur Ehre Gottes und dem Reichskanzler Fürst Bismarck wurde diese
Linde von der Gemeinde Zemnick 1896 gepflanzt“. Auf der anderen Seite: „Ruhe
und Fried im Land ernähret jeden Stand, Unfriede und Krieg macht arm und
betrübt.“
(Brachwitz, Zemnick)
In
der Tat brachte die lange Friedenszeit einen großen Aufschwung für das Dorf.
Neben der wachsenden Bevölkerung und dem Neubau der Kirche zeigt das auch das
1899 neu erbaute Schulgebäude. Es wurde von dem Bauunternehmer Bamm aus Mügeln
für 7.400 Mark gebaut. Die Arbeiten begannen am 17. April 1899, und bereits am
9. Oktober konnte die Schule eingeweiht werden.
Die
Schule war nun endgültig eine feste Institution in Zemnick geworden! In den
Erinnerungen von Johann Gottlieb Meister kann man lesen:
„In den ältesten Zeiten besaß Zemnick keine eigene Schule,
sondern die Kinder wurden nach Gadegast in die Schule geschickt, dessen Lehrer
auch zugleich Küster und Kantor von Zemnick war. Wenn er des Sonntags zusammen
mit dem Pfarrer nach dem Filial wanderte, dann gehörte es zu seinen
Amtspflichten, den Priestermantel hin und her zu tragen; ein etwas lustiges
Geschäft bei einem Wege von 1 Stunde Dauer. Darüber hat auch der Pfarrer,
Magister Kranold im Jahre 1762 folgende Notiz in die Kirchenagende von Zemnick
eingetragen... „1762 habe ich in die Kirche nach Zemnick einen Mantel zu meinem
und meiner Herren Nachfolger im Amte Gebrauche angeschafft. Ich selbst habe
dazu 1 Thlr 8 sgr. und jeder Einwohner einige Groschen freiwillligen Beitrag
gegeben. Der Custos aber, Meister Johann George Schlawig, hat ihn ohne Entgelt
verfertigt. Die Anschaffung des Mantels hat diese Absicht, daß der
Beschwerlichkeit des Tragens mit dem Priesterrock abgeholfen wurde.“
Dieses gemeinsame Schulverhältnis mit Gadegast scheint bis zum
Tode des Lehrers Rennebeck bestanden zu haben, der als letzter „Lehrer von
Gadegast und Zemnick“ im Kirchenbuch bezeichnet wird. Erst im Jahre 1827 tritt die Absicht einer
„confirmierten Schulstelle“ hervor.
Zunächst bestand eine „Wandelschule“ für die Kleinen im Dorfe mit
einem Schulamtskandidat. Da derselbe aber noch kein Examen gemacht hatte, so
mußten die Kinder vom 12. Jahre ab auch weiterhin einstweilen nach Gadegast
gehen. Die Schule wurde damals monatsweise abwechselnd in den verschiedenen
Hüfnerstuben abgehalten. Der Lehrer aß „auf der Reihe“, aber bloß da, wo Kinder
waren. Wer 1 Kind hatte, da aß er 1 Tag, wo 2 Kinder waren 2 Tage hinereinander
usw. Das war natürlich eine Plage für die Leute, die viele Kinder hatten. Trotz
wiederholter Aufforderungen seitens der Regierung an die Gemeinde, ein
passendes Schullokal zu beschaffen und das Lehrergehalt aufzubessern, ist noch
im Jahre 1835 der Stand der Dinge ein solcher, daß die Regierung erklärte, unter
den obwaltenden Umständen der Gemeinde keinen Lehrer verschaffen zu können.“
In den Notzeiten zwischen
1806 und 1815 soll sich ein Schneider als Lehrer verdingt haben. Die
„Wandelschule“ hat nach Auskunft der Schulchronik von 1828 bis 1835 bestanden,
in den Jahren davor war die Schule bei Böttchers (heute Schenkens).
„Der erste von der Regierung fest angestellte Lehrer für Zemnick
war der Lehrer Mennicke (1848-1866). Er war ein tüchtiger Lehrer, aber er
konnte nicht singen, was ja in einer Kirche, die keine Orgel hat, gerade
besonders wichtig war.“
1878 berichtet die
Schulchronik: „Als kirchliche Nebenämter
bekleidet der Lehrer diejenigen eines Cantors, Küsters und Kirchners.“
„Das Schulgehöft ist entstanden durch Erweiterung des früheren
Hirtenhauses...“ Wo dieses Hirtenhaus stand, wissen wir heute
nicht mehr.
Im Jahre 1884 ist die Klage
zu lesen, daß zwar Lehrer als Organisten hergeschickt werden, aber keine Orgel
im Dorf ist. Das Drängen der Lehrer wird ein Grund gewesen sein, daß Zemnick,
obwohl es doch ein kleines Dorf ist, eine solche Orgel bekommen konnte.
„Mit der Anstellung von Lehrern machte sich nun auch die
Notwendigkeit geltend, ein Schulhaus zu Verfügung zu stellen. Es wurde geschaffen durch Erweiterung des früheren
Hirtenhauses und bestand aus einer Schulstube, 2 Zimmern und 2 Kammern für den
Lehrer.
Der ungenügende Raum war nach einer Aufzeichnung des Lehrers
Rümpler das niedrige Klassenzimmer, in dem 36 Kinder eingepfercht waren, und
das ständig von einer giftigen Atmosphäre erfüllt war. Die Regierung drang
darum seit 1878 auf einen Neubau, der aber erst 1899 zustande kam.“
Die Schulchronik, die Frau
Elly Zimmermann aufbewahrt, enthält viel Interessantes aus der Geschichte von
Zemnick. So wurde 1865 die erste Petroleumlampe in Zemnick angezündet.
Einmal,
1904 bis 1908, hatte Zemnick auch einen sehr unbeliebten Lehrer. Er hieß Cardinal, war Junggeselle und
beschwerte sich, daß er kein Mittagessen bekam. Schließlich wurde er wegen
„Sittenlosigkeit“ entlassen.
In der Schulchronik schrieb
er, daß er froh wäre, Zemnick endlich verlassen zu dürfen, und schließt seine
Eintragung mit den Worten: „Nachfolger kann meiner aufrichtigen Teilnahme
versichert sein.“
Der
letzte Pastor, der im Gadegaster Pfarrhaus amtierte, war der Pastor Theodor
Voigt. Er kam frisch vom Studium 1903 hierher und blieb bis zu seinem Tode
1939.
In den ersten Jahren seiner
Tätigkeit führte er im Taufbuch eine regelmäßige Chronik. Darin ist 1905 zu
lesen:
„Der Kirchenbesuch war lobenswert; fast 50% der Erwachsenen; der
Kollektenertrag fast immer besser als in der viel größeren und reicheren mater.
Die Frauen geben zwar nichts, aber die Männer geben ihren Groschen; das fehlt
leider in Gadegast.“
Zemnick
hatte in diesem Jahr - nach Auskunft des Gemeindelexikons der Provinz Sachsen „mit dem Wolfswinkel eine Arealgrößte von
683,4 ha, 24 bewohnte Häuser, 28 Haushaltungen, 2 Einzellebende mit eigener
Hauswirtschaft und insgesamt 146 Einwohner, davon 72 männliche.“
Für
1907 wird eine Goldene Hochzeit in
Zemnick gefeiert, das Ehepaar Meister. Der Goldene Bräutigam hat uns mit seinen
Erinnerungen schon einiges aus dem Zemnicker Leben im 19. Jahrhundert erzählt.
Eine solche Goldene Hochzeit war damals eine sehr seltene Feier, weil die
Menschen nicht so alt wurden. Die Kindersterblichkeit war sehr hoch, und viele
Mütter starben im Kindbett oder wurden von den vielen Geburten sehr geschwächt.
Das
emsige Kollektegeben in der Kirche, das Pastor Voigt so gelobt hat, machte es
möglich, ein buntes Glasfenster in die Kirche zu bringen, was auch heute noch
ein Kleinod für Zemnick ist. Es wurde 1909 eingebaut und trägt die Inschrift: „Die Gemeinde Zemnick und Pastor Voigt
1909.“ Es zeigt in feiner Darstellung die Ostergeschichte mit Maria
Magdalena: Die Mitte unseres Glaubens: Jesus lebt! Er ist auferstanden.
Die Geschichte ist
aufgeschrieben beim Evangelisten Johannes im 20. Kapitel:
„Maria aber stand vor dem Grabe und weinte draußen. Als sie nun
weinte, schaute sie in das Grab und sieht zwei Engel in weißen Kleidern sitzen,
einen zu den Häupten und den andern zu den Füßen, da sie den Leichnam Jesu
hingelegt hatten. Und dieselben sprachen zu ihr: Frau, was weinst Du? Sie
spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo
sie ihn hingelegt haben. Und als sie das sagte, wandte sie sich zurück und
sieht Jesus stehen und weiß nicht, daß es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr:
Frau, was weinst Du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr,
hast Du ihn weggetragen, so sage mir, wo hast Du ihn hingelegt, so will ich ihn
holen. Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm
auf hebräisch: Rabbuni! das heißt: Meister! Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich
nicht an! denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Gehe aber hin zu
meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu Eurem
Vater, zu meinem Gott und zu Eurem Gott. Maria Magdalena kommt und verkündigt
den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und solches hat er zu mir gesagt.“
Die dunkle Grabeshöhle und
der Herr Christus daneben, der Maria die gute Nachricht bringt: wieviel Trost
geht von diesem Bild aus, wieviele werden sich wiedergefunden haben in der
Maria, die weinend vor dem Grab steht, gerade in unserem zu Ende gehenden Jahrhundert,
was so viele Tränen auch in Zemnick gesehen hat!
Ein
Bild des Friedens aber, vor dem Sturm, zeichnet der Bericht des ersten
Familienabends in Zemnick, der am 24. März 1912 stattfand. Er begann mit dem
Lied: „Großer Gott, wir loben Dich“. Pastor Voigt begrüßte die versammelte
Gemeinde und las eine Ansprache des Kaisers vor, die dieser an seine Söhne zur
Konfirmation gehalten hatte. Es wurde miteinander gesungen und Gedichte wurden
vorgetragen. Der Höhepunkt war die Aufführung des Märchenstücks „Waldkönigin“
durch die Schüler. Es wurde mit Applaus aufgenommen. Alle sangen das
Kinderlied: „Wer hat die schönsten Schäfchen“.
Anschließend hielt der
Lehrer einen Vortrag über das Weltgebäude. Der Abend schloß mit dem Lied:
„Guten Abend, gute Nacht“.
Mancher
Zemnicker wird mit diesen Liedern von seiner Mutter in den Schlaf gesungen
worden sein.
Deshalb seien sie hier
einmal ausführlich wiedergegeben:
Wer hat die schönsten Schäfchen? Die hat der goldne Mond, der
hinter unsern Bäumen, Bäumen am Himmel droben wohnt.
Er kommt am späten Abend, wenn alles schlafen will, hervor aus
seinem Hause, Hause zum Himmel leis und still.
Dann weidet er die Schäfchen auf seiner blauen Flur; denn all die
weißen Sterne, Sterne sind seine Schäfchen nur.
Sie tun sich nichts zu leide, hat eins das andre gern, und Schwerstern sind und
Brüder, Brüder da oben Stern an Stern.
Wenn ich gen Himmel schaue, so fällt mir immer ein: O, laßt uns
auch so freundlich, freundlich wie diese Schäfchen sein.
Guten Abend, gut Nacht, mit Rosen bedacht, mit Näglein besteckt,
schlupf unter die Deck. Morgen früh, wenn Gott will, wirst Du wieder geweckt!
Morgen früh, wenn Gott will, wirst Du wieder geweckt!
Guten Abend, gut Nacht, von Englein bewacht, die zeigen im Traum
Dir Christkindleins Baum: Schlaf nur selig und süß, schau im Traum´s Paradies!
Schlaf nur selig und süß, schau im Traum´s Paradies!
1914
brach der Erste Weltkrieg aus. Auch in Zemnick war man zunächst begeistert in
den Krieg gezogen: 23 Männer.
Auch der Lehrer Lommatzsch
meldete sich als Kriegsfreiwilliger. So mußte Pastor Voigt einen Tag in der
Woche in Zemnick vertreten, Lehrer aus Leetza kam zwei Tage. Später war der
Lehrer Senst aus Elster drei Tage in Zemnick. 1915 mußten die Zemnicker sogar
zeitweise wieder nach Gadegast zur Schule gehen. 1917 wurden in einigen
Familien Gastkinder aufgenommen, um die Schülerzahl auf das erforderliche Maß
zu bringen.
Bald wurde die Not überall
spürbar. Lebensmittel waren knapp, Lebensmittelkarten wurden eingeführt. Die
Arbeitskraft der Männer fehlte. Und am schlimmsten: die Nachricht von den
Gefallenen.
Der Lehrer Ziebel schnitzte
eine Tafel für sie, die Weihnachten 1930 eingeweiht wurde und bis heute an der
Westwand der Kirche hängt:
Gottlieb Reinhold Gresse
Friedrich Otto Thiele
Richard Müller
Otto Reinhold Schuck
Otto Schuck
Friedrich Reinhold Pötzsch
August Loos
Wie
sehr man sich den Frieden zurückwünschte, wird in der Schulchronik deutlich.
Pastor Voigt führt dort 1916 Klage über den Krieg und drückt seine Hoffnung
nach baldigem Frieden aus. Er schreibt: „Es
liegt bereits die 1.320. Ausgabe der Verlustlisten vor!“
Dennoch wird weiter kräftig
für Kriegsanleihen geworben, um für die großen Kosten der Rüstungsmaschine
aufzukommen. Aus der Kirche werden die Orgelpfeifen entfernt! Erst 1926 kann
der Kirchenrat beschließen, wieder neue Pfeifen anzuschaffen. Sogar die Glocke
sollte eingeschmolzen werden, wie es auch in anderen Orten geschah, aber dazu
ist es glücklicherweise nicht mehr gekommen, der Krieg war schneller vorbei.
Zum
400. Reformationsjubiläum 1917 wurde eine Gedächtnisplatte „Aus tiefer Not“ in
der Kirche angebracht. Die Inschrift war genagelt, und jeder Nagel war eine
Spende für die Soldaten. Eine ähnliche Platte kann man heute noch in der
Gadegaster Kirche sehen. In Zemnick hing sie bis 1968.
Von dem
Reformationsjubiläum ist auch das Lutherbild, was wir noch in der Kirche haben.
Es liegt zusammengerollt auf der Empore, vielleicht können wir es wieder mit
einem Rahmen versehen und aufhängen.
Der
verlorene Krieg brachte große Veränderungen auch für Zemnick.
Zu der schwierigen
Versorgungslage gab es Banden, die nachts ihr Unwesen trieben und in die
Wirtschaften einbrachen. Da die staatliche Ordnung durch die Revolution
erschüttert war und nicht helfen konnte, bildeten die Zemnicker eine eigene
Bürgerwehr. Sie bestand aus etwa 25 Männern des Dorfes, die mit Gewehren
ausgerüstet waren. So hörte die Plünderei auf.
Die Not in den Städten war
noch größer, so wurde das Land mit einer großen Flut von Bettlern überflutet,
die auch nach Zemnick kamen.
Die Inflation und die
Wirtschaftskrise trafen auch Zemnick. Ein Ei kostete 1923 40.000 Mark!
Zu den Sternstunden der
Kirchengemeinde gehört es gewiß, daß der Kirchenrat 1931 eine Sammelstelle für
Textilien und Nahrungsmittel einrichtete, um Arbeitslose und ihre Familien zu
unterstützen.
So haben die Zemnicker aus
dem Glauben nicht nur Kraft geschöpft, mit der eigenen Not zurechtzukommen,
sondern auch den Nächsten nicht vergessen.
Die
Auflösung des Kaiserreichs führte zur Trennung der Schule von der Kirche. Bis
1918 war der Pastor der Lokalschulinspektor, der Superintendent
Kreisschulinspektor.
Ein Vertrag für Zemnick
zwischen Schule und Kirche wurde am 21. September 1931 geschlossen.
Der
Lehrer schloß dann, privat, 1932 einen Vertrag mit dem Kirchenrat, und führte
so das Küsteramt weiter.
Neben
der Not gab es aber auch ganz alltägliche Nachrichten: 1915 fand der Hüfner
Ernst Richter auf dem Baugrund seiner
alten Scheune, wo er einen Baum pflanzen wollte, einen alten Topf mit mehreren
Talern kurfürstlich sächsischer Prägung und einer ganzen Menge kleiner Silbermünzen,
sog. Engelsgroschen. Vermutlich wurde dieser Schatz im Dreißigjährigen Krieg
vor Plünderungen versteckt. Vielleicht sind die Bewohner umgekommen, so daß die
Münzen verborgen blieben.
1916 kam der elektrische
Strom nach Zemnick. Wer hatte das erste Telefon, das erste Radio, das erste
Auto, den ersten Fernseher, den ersten Computer?
1925 besuchten acht Kinder
(7 Mädchen und ein Knabe) die Dorfschule.
Am 14. Februar 1925 gab es
wieder eine Goldene Hochzeit, das Ehepaar Müller. In der Kirche wurde, wie es
üblich war, eine Dankandacht gehalten.
Die
Sitzordnung in der Kirche in Zemnick war bis in die dreißiger Jahre hinein
festgelegt: die Frauen saßen rechts (auf der Südseite, in der Sonne), die
Männer links. Jede Familie hatte ihre Bank. Richters die zweite, Nitschkes die
dritte, Schenkes und Arndts saßen vorn, Röthes hinten...
Unter dem 18. Oktober 1910
ist im Protokollbuch des Kirchenrates ein „Verzeichnis
der verlosbaren Kirchensitze“, also der nicht fest vergebenen, einzusehen.
Jeden Sonntag war Gottesdienst
um 10 Uhr. Der Pastor kam vierzehntägig, am Sonntag dazwischen hielt der Lehrer
einen Lesegottesdienst.
Zur Feier des Heiligen
Abendmahls empfing man auf der rechten Altarseite das Brot, ging hinter dem
Altar herum (dort stand ein Kollektenkörbchen) und erhielt auf der anderen
Seite den Kelch. Auch war das Knien bei den Gebeten in dieser Zeit in Zemnick
üblich.
1928
wurde eine große Feierstunde abgehalten: Pastor Voigt war 25 Jahre lang in
Zemnick.
Trotz
der schweren Zeiten in dem 130 Einwohner zählenden Dorf konnte 1931 das
Kirchendach repariert werden.
Ein
Bild von Lehrer Ziepel zu „Breit aus die Flügel, beide“ bekam Frau Elly Pötzsch
verh. Zimmermann, beste Schülerin der Zemnicker Schule.
Er malte ganze Zimmer aus,
über Bett: „Breit aus die Flügel, beide“.
Seit
1912 bekamen viele Zemnicker Familien jeden Monat die „Heimatgrüße“ zugestellt,
die Pastor Voigt herausgab. Neben Andachten und Nachrichten aus den Gemeinden
und Familien ist dort viel Heimatgeschichtliches zu finden.
Die „Heimatgrüße“ spiegeln
das Empfinden der Zeit wider. So können wir 1933 aus der Feder von Pastor Voigt
lesen:
„Vor 12 Jahren, in der April-Nummer der Heimatgrüße von 1922,
hatten wir ein Gedicht von Pastor Bahr, ein Stoßgebet aus dem Herzen des
Volkes, an die Spitze gestellt, das um seiner unglaublich buchstäblichen
Erfüllung und Erhörung willen hier noch einmal abgedruckt sein mag. Es ist
überschrieben:
Ein Mann!
Ein Mann tut uns not mit stahlharter Stirn,
Ein Mann, mit flammender, zündender Rede,
Ein Mann, der Welten trägt im Gehirn,
Ein Mann, der siegreich besteht jede Fehde;
Ein Mann, der die Liebe zum Vaterland,
Die Ehre aufpeitscht mit gewaltigen Hieben,
Ein Mann, der ins Herz wirft den Feuerbrand,
Daß Feigheit und Selbstsucht in Funken zerstieben;
Ein Mann wie Luther, ein Riesenheld,
Ein F ü h r e r in Nacht und Sturm und Wetter,
Ein Mann, den segnet die deutsche Welt,
Du, Herrgott im Himmel, o send uns den Retter!“
Kein Mensch wußte damals: „wie mag das zugehen?“ oder: „wer mag
das sein?“ - Der Mann, der Führer selbst kannte seine Bestimmung noch nicht.
Aber Gott hatte Sein Werkzeug, den Retter Deutschlands, schon bereit: Adolf
Hitler; und 12 Jahre später, als die Not aufs höchste gestiegen war, da hat Er
ihn uns gegeben. Wer nun noch zweifelt, daß Gott Gebete erhört, wer nun noch
bestreitet, daß Gott auch heute noch Wunder tut, dem ist nicht zu helfen, der
will eben nicht sehen...“
Es
gehört zu den dunkelsten Kapiteln unseres Volkes und auch unserer Kirche, daß
viele diesem Ver-Führer gefolgt sind, der so vielfaches Leid nicht nur über
unser Land, sondern über die Völker Europas gebracht hat. In einer Geschichte
der Kirche von Zemnick soll nicht verschwiegen werden, daß unsere Gemeinde mit
ihrem Pastor an der Spitze das Unheil, was dieser Mann brachte, nicht
vorhergesehen hat, sondern ihm blind gefolgt ist. Die Katastrophe, die darauf
folgte, war noch größer als die erste, und ihre Folgen zeigen sich noch heute,
über ein halbes Jahrhundert später.
So,
wie es sich der Pastor Voigt wünschte, daß auch die Kirche durch diesen Führer
neu geordnet würde, trat es nicht ein. Denn es gab mutige Leute in der Kirche,
die das verhindert haben. Sie gründeten die „Bekennende Kirche“ und
installierten neben der verordneten Kirchenleitung eine „provisorische“, die
sich nicht wie alle anderen Organisationen „gleichschalten“ ließ.
Neben
der „Politik“, den großen Aufmärschen und Reden, die bis nach Zemnick drangen
und ihre Wirkung zeigten, gab es natürlich auch das einfache Landleben. So
dichtete der Lehrer Lommatzsch zum Erntedankfest 1936 ein Gedicht. Es wurde in
der Kirche vorgetragen von der Schülerin Elly Pötzsch, heute verheiratete
Zimmermann, die es jetzt noch auswendig kann:
Erntedankfest 1936
Die Ernt´ ist nun zuende,
der Segen eingebracht
woraus Gott alle Stände
satt, reich und fröhlich macht.
Der alte Gott lebt noch,
man kann es deutlich merken
an soviel Liebeswerken!
Drum preisen wir ihn hoch!
Ein Jahr harte Arbeit ist wieder vorbei,
wir waren ja alle feste dabei.
Und heut - nach alter Väter Brauch -
feiern wir ein Tag der Freude auch.
Ich begrüße all´ die Freunde und Gäste
zum heutigen Zemnicker Erntefeste!
In Berlin zur Olympiade freilich
herrscht mehr Leben
- aber was wir hier in Zemnick geben
an Gastfreundschaft, Liebe und Treu
soll ein Zeichen sein auf´s Neu,
daß wir auch gern Opfer bringen
und für Deutschlands Zukunft ringen.
Wir haben gearbeitet so fleißig
und
mußten Enttäuschungen erleben im Jahre fünfundreißig.
Wohl
gab es Stroh, aber die Körner gaben uns Ursach
zum
Klagen, der Regen: ach,
er
fehlte so sehr, und machte uns unsere Arbeit so schwer.
Gehofft
haben wir auf eine gute Ernte
im
nächsten Jahr.
Das
haben wir alle, das ist wahr!
Und
unsere Hoffnung war nicht vergebens:
Gott schickte uns in diesem Jahr mehr Regen,
er
segnete unsere Arbeit, unsere Fluren und das Land.
Die
Felder sind nun wieder abgeräumt,
die
Arbeit ist zu Ende,
wir
haben dabei nicht gesäumt,
voll
Fleiß geregt die Hände.
Die Scheune birgt, was jedem frommt,
sobald der harte Winter kommt.
Ja, die Schnitter, sie hatten tüchtig zu tun
bei der Ernte, Tag um Tag, ohne zu ruhn.
Und
wir Schnitterinnen waren wie die Bienen so fleißig
-
das taten wir gern, denn die Ernte war besser im Jahr sechsunddreißig.
Aber
all unser Fleiß, er wäre vergebens gewesen,
wenn Gottes starke Hand nicht hätt´ gewehrt
Unwetter und sonstiges Verderben,
was unsere Felder oft verheert.
Drum bitten wir Dich, Gott im Himmel,
für unser fernes Wohlergehn,
damit wir auch im nächsten Jahr
hier wieder dankbar vor Dir stehn.
Anschließend wurde
gemeinsam das Lied
„Nun danket alle Gott“ gesungen.
Der
Musiker des Ortes war zwischen 1932 und 1945 der Lehrer Franz Köchy. Er spielte
sonntäglich in Gadegast die Orgel, natürlich auch in Zemnick. Seine Geige war
sowohl in der Schule als auch nachmittags und abends im Dorf zu hören. 1945
wurde er von den Russen abgeholt, weil er die Kasse der SA geführt hatte.
Anfang
September 1939, als der Zweite Weltkrieg begann, starb der alte Pastor
Voigt. 37 Jahre lang war er Pastor in
Gadegast und Zemnick. In den letzten Jahren ist ihm sein Dienst schwer
geworden, aber er hat ihn getan, trotzdem ihm ein Bein abgenommen werden mußte.
„Mit Pfarrer Voigt wurde auch die alte Zeit
begraben.“
so schreibt es später
Pfarrer Mauer in die Gadegaster Turmkugel 1960. „1939 fing der 2. Weltkrieg an. Die meisten Männer zogen in den Krieg,
und ihre Arbeit mußten Frauen übernehmen, bald auch Gefangene und
Zwangsarbeiter aus den von Deutschland besetzten Ländern (im Stall des
Pfarrhauses waren Serben untergebracht). Nicht wenige Bauern behandelten diese
Fremden menschlich: Sie durften mit ihnen am Tisch sitzen und dasselbe essen
wie sie, obwohl so etwas im Reiche Hitlers sehr streng verboten war.
Wieder
mußten die Männer in den Krieg ziehen. Fünf sind gefallen:
Arthur Kerstin
Alfred Kreuzmann
Erich Rietdorf
Kurt Steudte
Otto Schulze
Der
Krieg kam bis nach Zemnick. Einige Tage vor Kriegsende explodierte in Elster
ein Munitionszug. Sogar in Zemnick zerbrachen Scheiben, so die Kirchenfenster.
Zum Kriegsende ging auch
ein Todesmarsch aus dem KZ-Lager Lichtenburg an Zemnick vorbei. Der Zug von
einigen hundert ausgehungerten Strafgefangenen führte von Meltendorf in
Richtung Leetza. Wer nicht mehr konnte, wurde erschossen. Bei Schadewalde
stellte sich einer von ihnen tot: Dr. Weidauer. Eine Familie in Schadewalde
versteckte ihn. Später war er ein bekannter Arzt in Seyda. Er hatte eine
jüdische Mutter, deshalb war er ins KZ gekommen.
Die
Russen zogen am 23. April 1945 ein. Sie plünderten und mißhandelten wochenlang
in Zemnick.
Das Vieh wurde
weggetrieben. In Zemnick gab es bis 1945 eine bedeutende Herdbuch-Rinderzucht.
Durch persönliche Vorsprache des Pastors Leut aus Seyda, der nun für Zemnick
zuständig war, bei der russischen Kommandantur in Seyda kam ein großer Teil des
Viehs wieder nach Zemnick zurück.
Viele Umsiedler, die ihre
Heimat im Osten verloren hatten, wurden in Zemnick aufgenommen. 1945 hatte
Zemnick zeitweise 205 Einwohner, davon 88 Umsiedler. Beispielsweise aus dem
Sudetenland durften sie zwar offiziell 70 Kilo Gepäck und 600 bis 1.000 Reichsmark
pro Person mitbringen, meist aber war ihnen unterwegs alles genommen worden.
1949 kamen noch einmal 16 Ostpreußen.
Nur nach und nach kommen
die Zemnicker Männer aus der Gefangenschaft.
Die Lebensmittelkarten
werden erst 1950 abgeschafft.
Lehrerin
an der Zemnicker Volksschule wurde Fräulein Maria Frömel, später verheiratete
Brosig. Sie kam 1945 als Vertriebene aus dem Sudentenland und führte bis zu
ihrer Flucht nach Westdeutschland 1953 jährlich mit den Kindern ein
Krippenspiel zum Christfest in der Zemnicker Kirche auf. Sie war katholisch:
auch das war etwas Neues für die Zemnicker. Seit 1945 besuchen auch katholische
Christen unsere Kirche als ihre Heimatkirche.
Die
politischen Veränderungen stellten auch die Kirche vor große Probleme. Die
Pfarrstelle in Gadegast wurde nicht wieder besetzt. 1947 stellt der
Gemeindekirchenrat den Antrag, Zemnick solle von Leetza aus versorgt werden, da
der Seydaer Pfarrer überlastet sei. Doch dazu kommt es nicht. Zemnick gehört
seitdem zum Pfarrbereich Seyda.
Der Pfarrer von Seyda, Willy
Hagendorf, mußte öfter wegen politischer Vergehen ins Gefängnis und flieht 1954
aus dem Land. Ein Jahr war er bereits eingesperrt, weil er nach dem
gescheiterten Aufstand am 17. Juni 1953 die Streikleitung aus Wolfen in seinem
Pfarrhaus versteckt hatte, und er hatte danach Predigtverbot.
Die
tiefgreifenden Veränderungen fanden mit dem Krieg nicht ihren Abschluß. Anfang
der 50iger Jahre wurde intensiv damit begonnen, die Landwirtschaft im
sozialistischen Sinne umzugestalten. Zunächst traf es die größeren Bauern, die
ein Soll auferlegt bekamen, was kaum zu schaffen war. Viele entzogen sich durch
Flucht oder durch den Eintritt in die LPG.
Pastor Mauer schreibt in
der Turmkugel der Gadegaster Kirche über die Ereignisse:
Im Frühjahr 1960 wurden unter Führung der marxistischen
Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (S.E.D.) wochenlang täglich sich
wiederholende lange Besuche vieler im politischen Leben stehender Personen,
unterstützt durch lang anhaltende laute Musik aus einem Lautsprecherwagen, die
letzten selbständigen Bauern dazu gebracht, daß sie in die LPG eintreten.
Besonders die alten Bauern können das noch immer nicht verstehen, hatten sie
doch von ihren Vätern die Wirtschaften geerbt und auf ihnen ein Leben lang für
ihre Kinder gearbeitet, und auch den jüngeren Leuten wird es noch immer schwer,
sich in die ganz anderen Verhältnisse zu finden...
Eine
neue Milchviehanlage mit 230 Kuhplätzen ist 1966/67 errichtet worden. Für viele
war das auch mit einer Verbesserung der Lebensbedingungen verbunden. Zum
Beispiel konnte man jetzt im Sommer Urlaub machen und hatte seine geregelten
Arbeitszeiten.
Doch
die Machthaber wollten nicht nur das Land und den Besitz, sie wollten auch die
Seele. Der christliche Glaube wurde in Schulen und Zeitungen massiv diffamiert,
Kinder und Eltern, die sich zur Kirche hielten, wurden zurückgesetzt und
benachteiligt. Aber auch in Zemnick gab es Familien, die in diesen Jahren treu
zu ihrer Kirche gestanden haben.
Wie
ein kleines Wunder ist es, daß 1968 die Kirche nach 80 Jahre neu renoviert
werden konnte.
Dabei ging man dem Geist
der Zeit entsprechend vor und entfernte viele alte, liebgewordene Gegenstände
und Malereien. Die Kanzel wurde herabgesetzt: Der Pastor predigt nicht mehr
„von oben herab“. Das Sakristeihäuschen, was auf der linken Seite stand, verschwand.
Die Bemalung wurde in einem schlichten weiß gehalten, die Fenster erneuert, das
elektrische Licht gelegt.
Im
September 1968 wurde in der festlich geschmückten und vollbesetzten Kirche ein
Festgottesdienst gefeiert, in dem Propst Treu aus Wittenberg die Predigt hielt.
Von
der Mitte der sechziger Jahre an war Pastor Schlauraff in Seyda zuständig für
Zemnick. Er ist vielen als Jugendpastor in Erinnerung, denn er veranstaltete
regelmäßig Rüstzeiten in Seyda.
Aber er hat es auch nicht
immer leicht gehabt. 1971 beklagt er den schlechten Gottesdienstbesuch: dreimal
sei nur ein Besucher gekommen. 1973 plant er sogar eine Eingabe beim
Kreiskirchenrat, weil wiederholt Gottesdienste ausfallen mußten.
Zur Zeit des Pastor
Schlauraff fingen die „Gemeindeabende“ an, bei denen auch gebastelt wurde. Noch
25 Jahre später wurden selbstgebastelte Kerzenständer von diesen Abenden in den
Zemnicker Familien genutzt.
1972
wurde ein Stück vom Friedhof (Preis: 6,80 M) an die Kommune verkauft, die dort
eine Friedhofshalle baute.
Die Kirchengemeinde Zemnick
überstand auch längere Vakanzzeiten, in denen gar kein Pfarrer in Seyda war, so
zwischen 1975 und 1980. Einige Traditionen halten fest bis zum heutigen Tag:
so, daß jede Familie ein Kirchenfenster putzt, daß die Vorbereitung des
Gottesdienstes „in der Reihe herum“ geht, ebenso das Sammeln. Zemnick hat einen
Küster, der die Kirche vorbereitet und die Glocke läutet. Diese Aufgabe wird
seit dem Krieg ehrenamtlich versehen. Die erste, die diesen Dienst tat, war
Frau Minna Wolschke geb. Schütze. Es folgten als Küster: Willi Richter,
Reinhard Thiele, Dietmar Zimmermann, Frank Richter, Ronald Richter, Ingolf
Wiesner, Udo Jahn, René Richter, André Gresse.
Seit
1975 bis zur Wende 1989 fanden in Zemnick Kinderferienlager des Staatsverlages
der DDR statt, im Grundstück Nr. 4. Die Kinder aus der Großstadt erlebten die
Idylle des kleinen Dorfes mit der feinen Kirche in der Mitte, und gewiß nicht
nur ein Mädchen hat sie im Bild festgehalten.
1983
konnte unter großen Mühen das Kirchendach neu eingedeckt werden. 1985/86 kam es
zur Restaurierung der zwei Figuren und des Kruzifixes. Die Restauratorin
Meußling aus Plötzky entfernte die Farbe und stellte den derzeitigen Zustand
her, der ursprünglich sein soll.
Der
Pfarrer Podstawa stieg 1989 persönlich bis auf die Kirchturmspitze, nachdem er
mit einem Schweinitzer Gerüstbauer und Männern aus Zemnick das Gerüst gestellt
hatte.
Das Turmdach wurde gemacht
und das Kreuz - aus Mangel an anderen Möglichkeiten - mit kleinen Fläschchen
von Goldbronze gestrichen. Die Turmkugel hat man nicht öffnen können. Die
Rüstung hatte der Partnerkirchenkreis in Hessen/Westdeutschland geschenkt. Die
alten Dachsteine wurden in Eimern heruntergetragen.
Die
Zemnicker werden nicht vergessen, daß Pfarrer Podstawa damals, beim Gerüstbau,
die Veränderungen voraussagte: „Zu Weihnachten sehen wir ´was anderes!“ Daran
hatte selbst wenige Monate vor der Wende keiner geglaubt, daß es 1990 wieder
ein einiges Vaterland und freiheitlich-demokratische Verhältnisse geben würde.
Der größte Teil der Kosten
für den Turm (5.600 von 6.200 Mark) wurden freilich auch 1989 schon von der LPG
bezahlt.
Am
26. Novembr 1993 begrüßte Zemnick seinen 100. Einwohner: Marlen Röthe.
Am
3. Dezember 1993 wurde das Heporö-Heim, ein Zuhause für alkoholkranke Menschen,
eingeweiht. In diesem Heim hat auch die Kirchengemeinde oftmals zu Gast sein
dürfen: zu Gemeindeabenden, Bibelstunden, Gottesdiensten in sehr grimmiger
Winterzeit oder bei Bauarbeiten. Einige Heimbewohner besuchten uns und feierten
mit uns Gottesdienst.
Gemeinsam mit dem Heim
konnten wir mehrmals einen Moskauer Männerchor in unsere Kirche einladen. Nun
kann Frieden werden, nach 50 Jahren und in Freiheit, nachdem bis 1990 russische
Panzer und Mannschaftswagen noch zum Straßenbild gehörten.
Wenn
es sehr kalt ist, wird seit einiger Zeit auch in Zemnicker Wohnzimmern
Gottesdienst gefeiert. Es ist dann manchmal ein wenig eng, aber schön warm.
Seit 1994 führen die Kinder
und Jugendlichen wieder regelmäßig am Heiligen Abend das Krippenspiel auf.
Der
Pfarrer wunderte sich 1994, warum die Zemnicker zunehmend auf der Südseite
zusammenrücken, obwohl auf der anderen Seite doch noch genug Platz war. Darauf
angesprochen, bekam er die Antwort: „Nein, Herr Pastor, da drüben kommt immer
mal ein Stück Holz herunter, da setzen wir uns nicht hin.“ Das waren die
Folgeschäden des bis 1983 schadhaften Daches. Gemeinsam wurde die alte
Holzdecke entfernt und durch eine Firma aus Mügeln eine neue angebracht. Dabei
kam einiger Staub mit Spänen in die Orgel. Wir bekamen dafür eine Entschädigung
und konnten so auch noch die Kirche malen, wieder ganz weiß; denn inzwischen
waren die Wasserflecke schon größer geworden. Zum Erntedankfest 1995 konnten
wir die Kirche wieder einweihen. Dabei spielte die Orgel - mit einem Motor
versehen, bis dato wurde von Hand gepumpt. Ein Kind wurde getauft, Vanessa
Jahn, zum Zeichen, daß Gottes Treue kein Ende hat.
Zur
Hochzeit des Seydaer Pfarrers Meinhof im August 1997 unterschrieb das ganze
Dorf eine Glückwunschkarte und sammelte Geld für ein großes Hochzeitsgeschenk.
Seit
1998 gibt es in Zemnick wieder eine kleine Christenlehre. So konnte auch die
Tradition des Adventssingen wiederbelebt werden. Im August 1998 feierten die
Familien Jahn und Harrer in der Kirche eine Doppelhochzeit. Vier Taufen gab es
im letzten Jahr. Besondere Höhepunkte waren auch eine Osternacht mit der Taufe
eines Heimbewohners und einem großen Osterfeuer sowie der Regionalgottesdienst
im April 1999: Da mußten Stühle im Gang gestellt werden, und dennoch paßten
nicht alle in die Kirche hinein. Anschließend saß man bei Zemnicker Kuchen
gemütlich in Saal und Gaststätte beieinander.
Nach
111 Jahren war es nötig, die Kirche neu zu verfugen. Eine große Hilfe war dabei
eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Ökotour-Sanierungsgesellschaft unter
Leitung von Herrn Willy Richter aus Zemnick, die diese Arbeit fachgerecht unter
Anleitung des Baubetriebs Rietdorf ausführten.
Nun
ist Weihnachten im Jahr 2.000: Viele Menschen kommen nach Zemnick und freuen
sich an einem Märchenwald, den das
Heporö-Heim in der Dorfmitte aufgestellt hat. Vor der Kirche steht eine Krippe
mit Maria, Josef und dem Christkind, daneben lebendige Schafe. Am Abend ist
alles beleuchtet. In der Kirche sang im Advent wieder der Moskauer Männerchor,
er brachte dem Heim in diesem Jahr eine Nikolaus-Ikone mit: der heilige
Nikolaus ist für die frommen Russen der Schutzheilige gegen Alkohol- und
Drogensucht.
Die Kinder und einige
Erwachsene zogen zu einer „Lichterstunde zum Nikolaus“ in die Kirche; Herr
Hilmar Vehse, der einen Großvater in Zemnick hatte und heute Opernsänger in
Münster ist, begeisterte mit einer Adventsmusik die Zemnicker und viele Gäste
am 3. Advent.
Am Heiligen Abend wird
wieder ein Krippenspiel aufgeführt, gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen aus
Zemnick und Elster. Enrico Kettmann aus Elster hat es geschrieben.
Die alte Botschaft von
Weihnachten klingt neu durch Zemnick und alle Lande: „Siehe, ich verkündige Euch große Freude, die allem Volk widerfahren
soll! Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr!“
Diese Botschaft gilt auch uns: Frieden und eine große Freude hat Gott für den
bereit, der nach ihm fragt.
„Jesus
Christus - gestern, heute und derselbe auch in Ewigkeit.“ So geht die
Geschichte der Kirche in Zemnick weiter, und wir wollen dankbar sein für die
Zeit, in der wir dabei sein können auf unserem Lebensweg.
„In
Christus
liegen
verborgen
alle
Schätze
der
Weisheit
und
der
Erkenntnis.“
Kolosser 2,3
Jahreslosung 2.001.
Dies ist die Nacht, da mir erschienen
des großen Gottes Freundlichkeit!
Das Kind, dem alle Engel dienen,
bringt Licht in meine Dunkelheit.
Und dieses Welt- und Himmelslicht
weicht hunderttausend Sonnen nicht!
Lass Dich erleuchten, meine Seele!
Versäume nicht den Gnadenschein.
Der Glanz aus dieser kleinen Höhle
streckt sich in alle Welt hinein.
Er treibet weg der Höllen Macht,
der Sünden und des Kreuzes Nacht.
In diesem Lichte kannst Du sehen
das Licht der klaren Seligkeit;
wenn Sonne, Mond und Stern vergehen:
vielleicht noch in gar kurzer Zeit,
wird dieses Licht mit seinem Schein
Dein Himmel und Dein Alles sein!
Lass nur indessen helle scheinen
Dein Glaubens- und Dein Liebeslicht;
mit Gott musst Du es treulich meinen,
sonst hilft Dir diese Sonne nicht.
Willst Du genießen diesen Schein,
so darfst Du nicht mehr dunkel sein.
Drum, Jesu, schöne Weihnachtssonne,
bestrahle mich mit Deiner Gunst!
Dein Licht sei meine Weihnachtswonne
und lehre mich die Weihnachtskunst,
wie ich im Lichte wandeln soll
und sei des Weihnachtsglanzes voll.
Kleines Weihnachtsbuch für Zemnick
Euch ist heute der Heiland geboren 2
Die Weihnachtsgeschichte 3
Macht hoch die Tür 5
Wie das Lied entstand 6
Kleine Weihnachtsfabel 8
Weihnachtsgruß aus Mainz 9
Polnisches Weihnachtslied 10
Stille Nacht - von Enrico Kettmann 11
Weihnachten in der Kindheit 12
Die Geschichte der Kirche in Zemnick 14
Weihnachtskrippe zum Selberbasteln 32
Jahreslosung 2.001 61
Dies ist die Nacht, da mir erschienen 62